Publiziert am: 12.12.2014

Abschaffen oder nicht?

BEURTEILUNGSSYSTEME – In Unternehmen werden die Leistungen der Mitarbeiter bewertet und so unter anderem über ihren Lohn entschieden. Sind solche Systeme aber noch zeitgemäss?

Sie sind ungeliebt. Trotzdem gibt es sie in den meisten grösseren und mittleren Unternehmen: Beurteilungssysteme. Viele Personalverantwortliche sehen in ihnen ein wichtiges Tool, um Leistungsträger und Minderleister zu identifizieren, die Leistung der Mitarbeiter transparent und vergleichbar zu machen und um die Mitarbeitenden zu motivieren. Mithilfe dieser Systeme wird aber auch über Gehälter, Zulagen sowie Beförderungen entschieden.

Erfüllen Beurteilungssysteme heute noch die genannten Funktionen, oder sind sie Relikte aus einer Zeit, in der Führung ausschliesslich hierarchisch verstanden wurde und (fast) jeder Arbeitnehmer eine Stellenbeschreibung hatte, in der seine Aufgaben exakt definiert waren?

Spricht man mit Personalexperten hierüber, äussern sie zumindest Bedenken, inwieweit traditionelle Beurteilungssysteme noch den Arbeitsinhalten und -beziehungen modern geführter und strukturierter Unternehmen gerecht werden. Viele befürchten sogar, dass in einer Zeit, in der oft zusammengearbeitet wird, solche Systeme die Motivation der Mitarbeiter und somit auch deren Leistung eher hemmen.

Fair und gerecht entlohnen

Trotzdem halten viele Unternehmen an ihren Beurteilungssystemen fest.

Eine zentrale Ursache dafür könnte die folgende sein: In der «freien» Wirtschaft erfolgt die Bezahlung der Mitarbeiter individuell – selbst wenn die Leistung im Arbeitsalltag weitgehend im Team erbracht wird. Gleichzeitig soll die individuell ausgehandelte Vergütung gerecht sein. Also muss, so das Credo, die Leistung individuell gemessen werden, damit sie bewertbar und vergleichbar wird. Diese auf dem Leistungsprinzip basierende Logik haben auch die Mitarbeiter verinnerlicht. Deshalb akzeptieren sie die Beurteilungssysteme und die damit verbundene Leistungsmessung und -bewertung als notwendiges Übel.

Leistung schwieriger messbar

Die Leistung des einzelnen Mitarbeitenden hängt immer stärker von der Zuarbeit sowie Qualität der Leistung von Kollegen oft auch aus anderen Unternehmensbereichen ab. Deshalb ist es sogar zunehmend schwieriger, den Beitrag, den ein Bereich zum Erreichen der Unternehmensziele leistet, zu messen und zu quantifizieren – auch weil die Arbeitsinhalte und -prozesse in den Bereichen kaum vergleichbar sind. Noch schwieriger ist dies bezogen auf die einzelnen Mitarbeiter – selbst wenn sie anscheinend identische Aufgaben haben. Die Unternehmen agieren bei ihren Beurteilungssystemen also oft mit einem sehr vagen Begriff von Leistung. Deshalb werden die Beurteilungen immer häufiger als ungerecht und demotivierend empfunden, was wiederum zu Disharmonien, wenn nicht gar Konflikten im Team führt.

Häufig sind deshalb die negativen Nebenwirkungen von Beurteilungssystemen höher als der Nutzen.

Martin Rugart und Klaus Kissel

Wissenswertes

Nützliche Empfehlungen

Reflektieren Sie unter den im Artikel genannten Aspekten Ihr Beurteilungssystem. Dann stellen Sie vermutlich fest: Es erfüllt seine ursprünglichen Ziele in Ihrer Organisa­tion nicht mehr, da sich deren Struktur und Kultur gewandelt haben. Ist dies der Fall, dann planen Sie den Weg zur Abschaffung des Beurteilungssystems und zur Einführung ­eines Systems der regelmässigen Mitarbeitergespräche – denn ein solcher, stabiler Prozess ist nötig, unter anderem um ein Commitment über die zu erreichenden Ziele zu erzielen. Dazu folgende Tipps:

n Überlegen Sie sich, ob es einen Weg gibt, die (leistungsgerechte) Bezahlung von diesem entwicklungsorientierten und zukunftsgerichteten System zu entkoppeln.

n Führen Sie die neuen Gespräche mit Schulungen ein, um einen ­regen Feedbackaustausch und eine grösstmögliche Transparenz zu ­gewährleisten.

n Der Dialog sollte kontinuierlich geführt werden und über einen standardisierten Prozess auch nachhaltig im Unternehmen gesichert sein.

n Klären Sie ab, inwiefern sich der Mitarbeiter mit der Vision des Unternehmens, den Zielen und seinen Aufgaben identifiziert.

n Eruieren Sie, ob der Mitarbeiter motiviert ist. Wie kann er sich allenfalls weiterentwickeln?

n Befragen Sie Ihre Mitarbeitenden
dazu, wie die Arbeitssituation∕-umgebung sowie die Zusammenarbeit im Team wahrgenommen wird.

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