Publiziert am: 25.01.2019

«Alte sind kein Nachteil für Junge»

INTERVIEW – Gemäss Altersforscher François Höpflinger gibt es zwischen Alter und Leistung kaum einen negativen Zusammenhang.

Schweizerische Gewerbezeitung:

Die Babyboomer kommen ins Rentenalter, und der Arbeitsmarkt braucht Fachkräfte. Wie ist die Schweiz für diese Umstände gewappnet?

François Höpflinger: Mit Ausnahme von einigen Kantonen, die noch Altersbegrenzungen bezüglich Beschäftigung aufweisen, sind arbeitsrechtlich alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung 65+ gegeben. Mit dem Ausbau der Altersvorsorge sanken Zahl und Anteil an Frauen und Männern, die auch nach dem 65. Lebensjahr weiterhin erwerbstätig waren, ständig. In den letzten Jahren zeigt sich eine klare Trendwende, und der Anteil der 65-jährigen und älteren Menschen, die weiter oder neu erwerbstätig sind, hat sich erhöht.

Müssen alle arbeitenden Rentner Lohneinbussen in Kauf nehmen?

Lohneinbussen sind vor allem häufig, wenn Personen im AHV-Alter aus leitenden Funktionen in Beratungstätigkeiten wechseln oder sie unqualifizierte Temporärarbeiten leisten. Dank AHV und oft auch BV-Rente können über 65-jährige Erwerbstätige entsprechende Lohneinbussen aber eher in Kauf nehmen als jüngere Menschen.

«Oft kommt der Wunsch, wieder zu arbeiten, erst nach ein, zwei Jahren nach der Pensionierung.»

Konkurrenzieren sich pensionierte Arbeitnehmer und Junge denn nicht?

In der Beratung oder bei Dienstleistungen können ältere Erwerbstätige tatsächlich direkt in Konkurrenz zu jüngeren Fachkräften treten. In anderen Bereichen sind sie willkommen, um einen Fachkräftemangel zu vermeiden oder weil sie noch über Kenntnisse über alte Maschinen verfügen. Gesamtwirtschaftlich gesehen gibt es keine klaren Hinweise, dass eine steigende Beschäftigung älterer Arbeitskräfte für jüngere Menschen von Nachteil ist.

Wäre ein flexibles Rentenalter sinnvoll?

Ein flexibles Rentenalter wäre schon möglich, etwa durch Reduktion der Arbeitszeit gegen Berufsende, gestaffelte Bezüge von BV-Kapital oder durch einen Wechsel von Leitungs- zu Beratungsfunktionen.

Inskünftig dürften auch flexible Formen der Pensionierung sinnvoll werden, wie Teilpensionierung oder reversible Pensionierung – das heisst ein, zwei Jahre Pensionierung, danach erneute Erwerbstätigkeit.

Man soll sich also pensionieren lassen, um danach wieder zu arbeiten?

Sehr viele Arbeitnehmende sind froh, nach intensiven Erwerbsjahren aufhören zu können und freuen sich auf die berufsfreie Zeit. Oft kommt der Wunsch, wieder zu arbeiten, erst nach ein, zwei Jahren nach der Pensionierung.

Wie bleiben ältere Arbeitnehmer fit für den Arbeitsmarkt?

In einer dynamischen Arbeitswelt sind auch für ältere Arbeitskräfte zwei Dinge zentral. Erstens: permanente Weiter- und Fortbildung, wobei mit steigendem Alter Personen vermehrt von jüngeren Menschen zu lernen haben. Und zweitens das Akzeptieren von jüngeren Vorgesetzten sowie Offenheit für ständige Innovationen.

Welche Rolle spielt die Erfahrung?

In einer sich rasch verändernden Welt ist Erfahrung weniger wichtig als in traditionellen Gesellschaften. Oft ist nicht spezifische Berufserfahrung, sondern Metaerfahrung zentral. So kann Erfahrung mit schwierigen Kunden beispielsweise nützlich sein, um Konflikte zu vermeiden.

Das Alter spielt also generell nicht mehr so eine grosse Rolle?

Studien zeigen, dass zwischen dem Alter und der Arbeitsleistung kein oder höchstens ein schwach negativer Zusammenhang vorliegt.

Interview: Adrian Uhlmann

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