Publiziert am: 17.09.2021

Altersvorsorge: Ein Test für die Bürgerlichen

Eine der wichtigsten Aufgaben für die Schweizer Politik in dieser Legislatur (die bereits in der Hälfte ankommt) ist die Reform der ersten und zweiten Säule der Altersvorsorge. Meine Partei unterstützte die Vorlage Altersvorsorge 2020, die wir wesentlich ausgestaltet haben. Sie schlug eine gleichzeitige Reform der ersten und zweiten Säule vor. Bekämpft wurde sie von SVP und FDP sowie vom Arbeitgeberverband und Gewerbeverband. Stein des Anstosses war der Zuschlag von 70 Franken in der AHV. An vorderster Front bekämpfte der Arbeitgeberverband mit Vehemenz diese Vorlage. FDP und SVP versprachen, dass ein «Plan B» nach der Ablehnung der Reform ein Spaziergang werden würde, eine ziemlich einfach zu lösende Sache. Das Volk lehnte die Altersvorsorge 2020 ab. Diesen Entscheid habe ich sehr bedauert, weil ich überzeugt war, dass eine Neuauflage komplex und langwierig werden würde. Ich habe mich getäuscht. Und ich habe recht behalten.

Ich wurde getäuscht, weil die AHV eine erste Runde in Stände- und Nationalrat hinter sich hat, und die Schlussabstimmung dazu in der Dezembersession dieses Jahres wahrscheinlich ist. Die Bürgerlichen haben sich zusammengerauft. Alle mussten Kompromisse eingehen. Aber der Wille ist vorhanden, hier eine sozial ausgewogene Vorlage zu bringen, die Chancen hat, ein Referendum von Links zu überstehen.

Ich habe recht behalten, weil beim BVG die Sozialpartner sich zwei Jahre Zeit liessen, um eine Alternative vorzuschlagen, die aber das wiederholt, was das Volk abgelehnt hat. Insbesondere der Arbeitgeberverband verteidigt jetzt als letzter Mohikaner der Schweizer Wirtschaft etwas, was er höchstselbst bei der Altersvorsorge 2020 noch vehement bekämpft hat, und was ausser ihm selbst nur noch die Linken wollen.

Der Gewerbeverband hat verdankenswerterweisehier Gegensteuer gegeben und den sogenannten «Sozialpartnerkompromiss», der keiner ist, abgelehnt. So weit so gut. In den nationalrätlichen Kommissionsberatungen war der bürgerliche Schulterschluss dann aber offenbar etwas wacklig. In einer ersten Beratung setzten sie sich nicht durch. In einer zweiten Beratung knapp, aber die Kommission beschloss noch eine dritte Beratung, sodass die Vorlage erst im Dezember in den Nationalrat kommen wird. Hier sind also die Bürgerlichen noch nicht so weit, dass sie geschlossen eine Lösung mittragen und auch gegen den Widerstand von Links verteidigen. Das ist bedauerlich. Denn nur wenn die Bürgerlichen geschlossen sind, hat auch diese Vorlage in einem Referendum eine Chance.

Der Arbeitgeberverband istmomentan klar noch bei den Linken. Der Gewerbeverband unterstützt klar die bürgerliche Lösung. Mein Wunsch an die Leserinnen und Leser dieser Zeitung: Kontaktieren Sie die Parteienvertreter/-innen in der zuständigen Kommission des Nationalrats. Machen Sie ihnen klar, dass Sie die gute Position des Gewerbeverbands unterstützen. Und tragen wir alle dafür Sorge, dass spätestens auch in der zweiten Säule die Reihen der Bürgerlichen so geschlossen sind wie bei der AHV-Reform.

Die Altersvorsorge wird zum Test, ob die bürgerlichen Parteien in der Lage sind, sich auf Kompromisse zu einigen und eine gemeinsame Linie zu finden, die sie dann auch in einem Abstimmungskampf engagiert vertreten. Persönlich werde ich mich sehr stark dafür engagieren, dass meine Partei die Linie behält. Und wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass am Ende auch der Arbeitgeberverband einsieht, wohin er bei den Abstimmungen zur Altersvorsorge gehört. Es würde einerseits von der Lernfähigkeit des Verbands, andererseits auch von Respekt gegenüber Volksentscheiden zeugen. Meine Partei hat akzeptiert, dass das Volk die Altersvorsorge 2020 abgelehnt hat. Dem Arbeitgeberverband müsste das Umsetzen des Volkswillens eigentlich wesentlich leichter fallen als mir. Wir werden sehen.

* Der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister ist Präsident Die Mitte Schweiz.

www.die-mitte.ch

www.gpfister.ch

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