Publiziert am: 10.04.2015

Angst ist ein schlechter Ratgeber

NAHRUNGSMITTELVERSORGUNG – Ein direkter Gegenvorschlag des Bundesrates zur Ernährungsinitiative des Schweizerischen ­Bauernverbandes ist überflüssig. Es besteht kein Handlungsbedarf, und schwammige Begriffe gehören nicht in die Verfassung.

In Wirtschaftskreisen herrscht praktisch Einigkeit: Die Ernährungsinitiative des Schweizerischen Bauernverbandes ist abzulehnen. Aber an der Urne dürfte dieses auf den ersten Blick sympathisch anmutende Anliegen nicht chancenlos sein. Daher stellt der Bundesrat die naheliegende Frage, ob der Ernährungsinitiative ein direkter Gegenvorschlag auf Verfassungsstufe entgegengestellt werden soll. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat sich in seiner Vernehmlassungsantwort dagegen ausgesprochen.

Kein Handlungsbedarf

Angst ist ein schlechter Ratgeber: Nur weil man befürchtet, eine unliebsame Volksinitiative könnte angenommen werden, sollte man ihr nicht mit einem Gegenvorschlag entgegenkommen, wenn kein Handlungsbedarf besteht. In der Tat ist der heutige Agrarartikel 104 der Bundesverfassung eine ausreichende und gute Basis für eine auf die Zukunft ausgerichtete Agrarpolitik. Weitere Bestimmungen zur Landwirtschaft und Agrarpolitik auf ­Verfassungsstufe könnten die Begehrlichkeiten nach noch mehr staatlichem Interventionismus und zusätzlicher Unterstützung erhöhen. Auch der Gegenvorschlag sendet ein politisches Signal in die falsche Richtung aus. Wir sollten uns davor hüten, schwammige Begriffe wie «Ernährungssicherheit» in der Verfassung festzuschreiben.

«SCHWAMMIGE BEGRIFFE GEHÖREN NICHT 
IN DIE VERFASSUNG.»

Nicht noch mehr Regulierung

Es gibt genügend gute Argumente, sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag abzulehnen. Es kommt ein neues dazu: Die Initiative hätte per Saldo ein Mehr an Regulierung zur Folge, genau das Gegenteil von dem, was die Schweiz nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015 jetzt braucht. Die teilweise berechtigten Anliegen, so der bessere Schutz des Kulturlandes, lassen sich effizienter und vor allem schneller auf Gesetzes-, Verordnungs- oder teilweise sogar Vollzugsebene realisieren. Wenn mit dem verdichteten Bauen endlich vorwärts gemacht würde, könnte damit automatisch auch die Überbauung von Grünflächen und damit von Landwirtschaftsland eingedämmt werden. Mit dem revidierten Raumplanungsgesetz sind die Grundlagen dazu vorhanden.

Das «kleinere Übel»

Zugegeben: Der Gegenvorschlag des Bundesrates ist ausgewogener und weniger einschneidend als die Initiative. So ist positiv zu vermerken, dass er im Kontext zur Ernährungssicherheit auch den Zugang zu den internationalen Märkten als wichtigen Pfeiler für die Lebensmittelversorgung der Schweiz erwähnt. Mit der Inlandproduktion allein lässt sich nämlich die von den Initianten angestrebte Ernährungssicherheit gar nicht erreichen. Dazu kommt, dass die Produktionsfaktoren wie Futtermittel, Dünger, Maschinen und Energie nicht berücksichtig werden – übrigens auch vom Gegenvorschlag nicht. Wie mit einem solchen «Konzept» die Ernährungssicherheit sichergestellt werden kann, bleibt schleierhaft.

«ES DROHEN NEUE 
ABGABEN ODER SOGAR VERBOTE.»

Der Bundesrat will zudem Rahmenbedingungen schaffen, die einen ressourcenschonenden Konsum von Lebensmitteln unterstützen. Diese Bestimmung ist für den sgv inakzeptabel, denn sie wäre ein Freipass für die Bevormundung der Konsumentinnen und Konsumenten. Alles, was nicht, wie auch immer definiert, «ressourcenschonend» wäre, könnte mit Abgaben belastet oder sogar verboten werden. Und wenn schon, warum nur für die Lebensmittel und nicht auch für die Non-Food-Produkte vom Holz bis zu den Kleidern den «ressourcenschonenden Konsum» verordnen? Da gibt es nur eine Antwort: Nein und nochmals nein!

Ruedi Horber, Ressortleiter sgv

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