Publiziert am: 21.11.2014

Aus den Augen, aus dem Sinn?

NUKLEARE ENTSORGUNG – Radioaktive Abfälle von Kernkraftwerken, aus Medizin, Forschung und Industrie müssen zwischengelagert und anschliessend definitiv entsorgt werden. Doch wo und wie geschieht dies in der Schweiz genau?

Radioaktive Abfälle entstehen vielerorts: Vorab in den Kernkraftwerken, der Medizin, Industrie und Forschung. Wichtige Aufgaben der Entsorgung wurden in der Vergangenheit bereits gelöst. Die Verarbeitung in eine endlagergerechte Form und ihre Zwischenlagerung sind heute betriebliche Routine. Der Begriff des «Kernbrennstoffkreislaufs» beschreibt diesen Prozess genauer: Alles beginnt mit der Gewinnung von Uran. Uran ist nämlich dasjenige chemische Element, in welchem eine grosse Menge an Energie steckt. Es wird in den Kernkraftwerken dazu verwendet, um Strom zu produzieren. Einzelne Uranoxid-Tabletten, auch Pellets genannt, werden zu Brennelementen zusammengefasst. Diese liefern Energie für einige Jahre. Anschliessend werden sie durch neue ersetzt. Doch wohin gelangen die ausgedienten Brennelemente anschliessend?

Abklingphase und Zwischenlager

Die während des Reaktorbetriebs entstehenden Produkte sind hochradioaktiv, zerfallen und erzeugen dabei viel Wärme. Deshalb lässt man die ausgedienten Brennelemente nach dem Entladen aus dem Reaktor für mindestens ein Jahr in Abklingbecken abkühlen. Diese befinden sich meistens neben den Reaktoren in den Reaktorgebäuden und sind mit Wasser gefüllt. Dieses sorgt dafür, dass die Wärme aus den Brennelementen abgeführt und die Strahlung abgeschirmt wird. Anschliessend werden die radioaktiven Abfälle vom Kernkraftwerk zur Konditionierung – um in eine endlagerfähige Form überführt zu werden – direkt ins Zwischenlager (Zwilag) transportiert. Man unterscheidet dabei hochradioaktive sowie schwach- und mittel­radioaktive Abfälle. Das Schweizer Zwilag befindet sich in Würenlingen, in unmittelbarer Nachbarschaft des Paul Scherrer Instituts (PSI).

Geologische Tiefenlager

Gemäss dem Kernenergiegesetz müssen in der Schweiz alle radioaktiven Stoffe unterirdisch langzeitgelagert und damit aus dem Lebensraum von Mensch, Tier und Pflanzen entfernt werden. Wenn die radioaktiven Abfälle also rund 40 Jahre in den Zwischenlagern waren, werden sie in geologischen Tiefenlagern entsorgt.

Für die Entsorgung in der Schweiz werden zur Zeit zwei geologische Tiefenlager geplant: Eines für die hochradioaktiven Materialien und ein zweites für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle. Dafür verantwortlich zeichnet sich die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra. Anfang 2014 beschäftigten sich die Behörden mit der Frage, wo sich die Areale für die Oberflächenanlagen genau befinden werden. Zur Diskussion standen die Standortgebiete in Südranden, Zürich Nordost, Jura Ost, Jura-Südfuss, Nördlich Lägern und Wellenberg. Die Nagra beteiligt sich auch als Partnerin am Felslabor Mont Terri, einem Forschungslabor im Kanton Jura, welches vom Bundesamt für Landestopografie swiss­topo betrieben wird. Dort werden die relevanten Eigenschaften von Opalinuston erkundet. Dies ist eine Ton-Gesteinsart, die sich besonders eignet für Tiefenlager. Die Gesamtlänge der Stollen und Nischen in Mont Terri beträgt rund 600 Meter. «Wir müssen zwingend Lösungen für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen finden, denn sie sind heute schon ganz real vorhanden», sagt Markus Fritschi, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Nagra.

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Das Zwilag

Jahrelange Zwischenlagerung im aargauischen WĂĽrenlingen

Zwischenlager sind nötig, weil die ausgedienten Brennelemente und die hochradioaktiven Abfälle wegen ihrer Wärmeabgabe vor der endgültigen Lagerung einige Jahrzehnte zwischengelagert werden müssen. Im Zwilag werden die ausgedienten Brennelemente und die hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederverarbeitung in dickwandigen, dicht verschlossenen und gegen äussere Einwirkungen geschützten Transport- und Lagerbehältern gelagert. Dazu werden die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung sowie die Betriebsabfälle aus den Kernkraftwerken im Zwilag in Fässern einzementiert oder als Glasschmelze vergossen. Hierfür betreibt das Zwilag einen Plasmaofen, in welchem die Abfälle erhitzt, aufgeschmolzen und mit Glas vermischt werden. Zwar reduziert sich das Volumen der radioaktiven Abfälle dabei massiv, doch muss in den Lagerhallen des Zwilag doch genügend Platz vorhanden sein, denn das Gesamtvolumen aller verpackten Abfälle entspricht in etwa dem Volumen der Zürcher Bahnhofshalle.

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