Publiziert am: 04.02.2022

VORSTANDSMITGLIEDER IM FOKUS

Autobahnvignette, made in Germany – ein Skandal

Gemäss einem kürzlich im «Blick» publizierten Artikel wurde die Schweizer Autobahnvignette 2022 in Deutschland hergestellt. Der Zoll und die Schweizer Firma, die den Auftrag eigentlich gewonnen hatte, haben Stillschweigen vereinbart. Ein veritabler Skandal! Was gibt es da zu verbergen?

Immer wieder werden unsere Bürgerinnen und Bürger darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es sei, möglichst Schweizer Produzenten zu berücksichtigen und regional zu konsumieren. So ruft der Schweizerische Gewerbeverband sgv mit seiner Kampagne «Shopp Schwiiz» vom Juli 2021 dazu auf, vorzugsweise in der Schweiz einzukaufen und damit Solidarität mit unseren einheimischen Produzenten zu zeigen, unsere Unternehmen zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Gut so!

Und was macht die öffentliche Hand und deren Verwaltung? Genau das Gegenteil ... Sie vergibt indirekt prestigeträchtige Aufträge ins Ausland, auch weil sie nicht genau hinschaut und sich nicht kümmert. Und dann kommt man noch mit Stillschweigen! Nicht zum ersten Mal. Für gros­sen Ärger sorgten damals auch die neuen Bundeshausfenster: Der Auftrag ging wohl an eine Schweizer Firma, produziert wurden die Fenster jedoch in Tschechien. Nicht einmal das altehrwürdige Bundeshaus blieb von fragwürdigen Vergaben verschont. Offensichtlich übergeht die öffentliche Hand in der Schweiz erstaunlicherweise unsere Unternehmen, die eigentlich ihre Arbeitgeber sind. Da machen es unsere Nachbarländer – und Konkurrenten – besser, die sich zuerst um ihre einheimischen Produzenten kümmern, gerade in der heutigen sehr fragilen Zeit.

Diese Geschichte wiederholt sich leider, dieses Mal bei unserer Autobahnvignette. Wieder das gleiche unrühmliche Vorgehen wie bei den Bundeshausfenstern: Ein Prestige-Auftrag, Vergabe an eine Schweizer Firma – diese lässt die Vignette aber in Deutschland drucken. Der Auftrag läuft dann auch noch bis 2029, obwohl bereits bekannt ist, dass die E-Vignette voraussichtlich ab 2023 zum Einsatz kommen soll. Über 10 Millionen Franken kostet der ganze «Spass». Und vor allem wir einheimische Autofahrer bezahlen diese Vignetten, und unser Geld fliesst ins Ausland ab. Und, nota bene, was passiert mit den wohl übrig bleibenden Vignetten bis 2029? Werden sie dann vernichtet und damit wieder Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt? Und der brave Steuerzahler wird ins Bockshorn gejagt und einheimische Unternehmen im Regen stehen gelassen!

Ich höre es schon läuten, das Argument des unterschiedlichen Preises. Damit ist aber jetzt Schluss! Mit grossem Engagement haben sich meine Ratskolleginnen und -kollegen und der sgv mit mir bei der Beratung des Gesetzes für das öffentliche Beschaffungswesen im Parlament für gleich lange Spiesse der inländischen Anbieter gegenüber den ausländischen eingesetzt. Wegen der permanenten Euroschwäche gab es eine schier unüberwindbare Schranke bezüglich des Preisunterschiedes, der immer wieder ins Feld geführt wird. Diese Diskriminierung unserer Schweizer Unternehmen wurde beseitigt mit der Aufnahme der Preisniveauklausel als Zuschlagskriterium. Das heisst nun, bei der Vergabe müssen die Preisunterschiede zwischen den Ländern berücksichtigt werden. Das gilt jetzt ohne Zweifel auch für die öffentliche Hand bzw. die Verwaltung! Die Frage muss gestellt werden: Wieso hält sie sich nicht daran?

Die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion, und diese gilt es wahrzunehmen. Sie hat der Schweizer Bevölkerung – ihrem Arbeitgeber und Steuerzahler – primär dienlich zu sein, ob es ihr passt oder nicht. Wen wundert es andernfalls, wenn der brave Bürger oder die brave Bürgerin sich denkt, was «die da oben» können, kann ich doch auch und wieder ennet der Grenze einkauft. Verlierer sind dabei unser Gewerbe, unsere KMU! So geht es nicht! Bei Aufträgen der öffentlichen Hand müssen die einheimischen Anbieter berücksichtigt werden, da zählen weder Ausreden noch Stillschweigen – ohne Wenn und Aber!

*Sylvia Flückiger ist Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv und ehemalige Aargauer SVP-Nationalrätin. Sie wohnt in Schöftland.

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