Publiziert am: 19.06.2020

Beratung in der Echokammer

CO2-GESETZ– Der Nationalrat hat das CO2-Gesetz fertig beraten; damit ist es bereit für die Differenzbereinigung und für die Inkraftsetzung, womöglich schon im Jahr 2021. Der sgv hatte Korrekturen verlangt. Sie sind nicht erfolgt.

In seinem Eintretensvotum als Kommissionssprecher im Nationalrat brachte es der Solothurner CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt auf den Punkt: «Unter dem Eindruck der Klimaproteste hat der Ständerat bei seiner Beratung dann Nägel mit Köpfen gemacht. Er hat verschiedene Instrumente verschärft und neue eingeführt. So hat der Ständerat beispielsweise im Gebäudebereich verbindliche Ziele definiert, er hat die Klimaverträglichkeitsprüfung eingeführt und als markantestes Element die Flugticketabgabe eingeführt.»

Neue Ausgangslage – keine Reaktion

Das war im Wahlkampfjahr 2019. Seither hat die Corona-Krise die weltweite Wirtschaft abgewürgt. Für die Schweiz wird die schwerste Rezession seit 1975 erwartet. Hat der Nationalrat die neue Ausgangslage in seine Erwägungen einbezogen? Offenbar nicht. Denn er hat nicht nur die Klimastreik-Vorlage des Ständerates angenommen – er verschärfte sie auch noch.

«Keine Frage: Es braucht ein CO2-Gesetz», sagt der Tessiner CVP-Nationalrat Fabio Regazzi, der von der Gewerbekammer für das Präsidium des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv nominiert worden ist. «Doch was wir im Moment auf dem Tisch haben, ist nicht zumutbar. Es ist ein teures und völlig unverhältnismässiges Paket. Die 50 Prozent Emissionsreduktionen hätten wir auch weniger interventionistisch erreichen können.»

«Diese Krise wird länger dauern»

Regazzi verhehlt seine Enttäuschung denn auch nicht und erinnert daran: «Was die Leute vergessen: Diese Krise wird länger dauern, als man glaubt. Die Rezession für das Jahr 2020 ist nur das bestmögliche Szenario. Die Industrie, der Tourismus und die Logistik – die Nettozahler dieses Gesetzes – bleiben mindestens bis zum Jahr 2023 in der Krise.»

Teures Gesetz – wenig wirtschaftsfreundlich

Regazzi bezieht sich dabei auf sehr konservativ gerechnete Werte. Das Gesetz in der Version des Nationalrates würde pro Kopf und Jahr durchschnittlich mindestens 1500 Franken kosten. Die Steuer auf CO2 soll auf ein Maximum von 210 Franken pro Tonne erhöht werden; der Benzinpreis kann bis zu 20 Rappen pro Liter steigen und Gebäude würden einer Sanierungspflicht unterzogen.

Doch diese Kosten fallen nicht im Durchschnitt und pro Kopf an, sondern branchenspezifisch. Die vom CVP-Nationalrat und Unternehmer Regazzi genannten Branchen müssen mit fünfstelligen Zusatzkosten pro Betrieb rechnen. Solche Kostenblöcke der Wirtschaft gerade in einer schweren Rezession aufzubürden, ist zumindest pro­blematisch.

Falsche Realitätsferne

«Es ist mehr als problematisch», diagnostiziert Regazzi, «es ist falsch. Vor allem, wenn man überlegt, dass wir in der ursprünglichen Vorlage des Bundesrates einen Mix von Ambition und Verhältnismässigkeit hatten. Schon jener Vorschlag war sehr ambitioniert, aber machbar. Was wir heute haben, ist nicht machbar, weil es eine Träumerei ist. Es hat null Bezug zur Realität der Wirtschaft und Bevölkerung in der Schweiz.»

Viel bleibt nicht mehr zu ändern, denn zwischen dem klimastreikenden Ständerat und dem in einer Echokammer beratenden Nationalrat verbleiben nur noch kleine Differenzen. Korrekturen können nur noch punktuell erfolgen.

«Viel teurer, als man glaubt»

Erst wenn die Differenzen bereinigt sind, lässt sich genau sagen, wie teuer das Gesetz tatsächlich sein wird. Gewerbekammer-Mitglied und sgv-Präsident in spe Regazzi kontert aber jetzt schon: «Ich kann sagen, es wird sehr teuer werden. Viel teurer, als man glaubt.»

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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