Publiziert am: 19.11.2021

Berufe noch interaktiver vergleichen

ANFORDERUNGSPROFILE – Die cleveren Orientierungshilfen im Berufswahlprozess und die Funktionalität der Website werdenzurzeit erweitert. Neu werden die körperlichen und persönlichen Anforderungen ebenfalls als Profil dargestellt. Für Jugendliche wird damit die Suche nach dem passenden Beruf auf der interaktiven Website noch spannender und einfacher.

Der Berufswahlprozess ist für viele Jugendliche – und ihre Eltern – unbestritten eine grosse Herausforderung. Hier unterstützen Berufsverbände mit cleveren Orientierungshilfen respektive den Anforderungsprofilen die jungen Menschen aktiv bei der Berufswahl. Dazu Christine Davatz, Vizedirektorin des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv sowie Bildungsverantwortliche: «Anforderungsprofile sind ein wichtiges Instrument, um herauszufinden, wo die eigenen Fähigkeiten und Inte­ressen liegen.» Dies bestätigt auch Walter Goetze, Projektleiter Schulische Anforderungsprofile für die berufliche Grundbildung: «Schulische Anforderungen sind wichtig beim Berufswahlprozess.»

Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Alex interessiert sich für den Beruf «Gebäudetechnikplaner Heizung EFZ». Im Standortgespräch mit der Klassenlehrerin möchten er und auch seine Eltern wissen, ob die schulischen Anforderungen erfüllt sind. Dabei wird die Frage gestellt, was denn ein Gebäudetechnikplaner macht und weshalb die schulischen Anforderungen so hoch sind.

«Anforderungs-profile sind ein wichtiges Instrument, um herauszufinden, wo die eigenen Fähigkeiten und Interessen liegen.»

Hier liefern die Anforderungsprofile wichtige Informationen – einerseits zu den vier Schulfächern Mathematik, Schulsprache, Naturwissenschaften und Fremdsprache. Anderseits wird in Form von Arbeitsbeschreibungen dargestellt, welche Tätigkeiten in diesem Beruf verrichtet werden. «Zusätzlich hat es neu je nach Beruf auch noch Beschreibungen zu körperlichen und psychosozialen Anforderungen. Dies hilft den Jugendlichen, aber auch den Lehrpersonen, anhand von konkreten Situationen den betrieblichen Ausbildungsalltag kennenzulernen und mit den eigenen Interessen und Fähigkeiten zu vergleichen», konkretisiert Goetze.

Frauenberuf oder Männerberuf?

Die Orientierungshilfen im Berufswahlprozess werden aber auch gendergerecht formuliert: Fast dreimal so viele Frauen wählen beispielsweise den Beruf des Optikers respektive der Optikerin EFZ. Dies, obwohl der Beruf sehr hohe Ansprüche in Mathematik und Naturwissenschaften setzt. «Dies zeigt, dass es eben nicht einfach typische Frauenberufe oder Männerberufe gibt, sondern, dass das ganze Umfeld in einem Beruf für die Jugendlichen stimmen muss», sagt Davatz und sie doppelt nach: «Die Anforderungsprofile ermöglichen einen realen Einblick in den entsprechenden Beruf und dank der Beschreibung der persönlichen und körperlichen Anforderungen ist die Beurteilung, ob der Beruf passt oder nicht, etwas einfacher.» Neu können die Arbeitsbeschreibungen auch aus der Sicht von Frauen oder von Männern heruntergeladen werden.

Anforderungsprofile in drei Landessprachen

Die Anforderungsprofile stehen in drei Landessprachen – Deutsch, Französisch und Italienisch – zur Verfügung. «Bemerkenswert ist, dass 20 Prozent aller Aufrufe in italienischer Sprache erfolgen», stellt Goetze fest. «Wir hoffen, dass die Anforderungsprofile auf der neu gestalteten Website mithelfen, gerade in der Westschweiz die Berufslehren noch attraktiver zu machen.» Schulabgängerinnen und -abgänger der obligatorischen Schulzeit wählen dort häufiger den gymnasialen Weg als in der Deutschschweiz.

Aufruf an die Berufsverbände

Allerdings fehlen bei verschiedenen Berufen die für die Jugendlichen wichtigen Arbeitsbeschreibungen zum Ausbildungsalltag. «Das ist sehr schade, denn gerade diese können aufzeigen, welche Anforderungen nicht nur in der Schule, sondern insbesondere im persönlichen und körperlichen Bereich gestellt werden», bedauert Davatz. Und weiter meint die engagierte Bildungsfachfrau: «Dabei geht es nicht nur darum, den Beruf umfassend darzustellen, sondern auch zu verhindern, dass Fehl­entscheide beim Einstieg in die Arbeitswelt getroffen werden und zu erreichen, dass es weniger Lehrabbrüche gibt!»

Corinne Remund

www.anforderungsprofile.ch

HINTERGRUND

Erweiterung der Anforderungsprofile

Das Projekt «schulische Anforderungsprofile für die berufliche Grundbildung» wurde im Jahre 2011 vom sgv und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK lanciert. Es wurde vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) kofinanziert. Die Profile bezogen sich zunächst auf schulische Anforderungen und orientierten sich an den von der EDK entwickelten und im Sommer 2011 freigegebenen nationalen Bildungsstandards. Sie wurden in Zusammenarbeit mit den Organisationen der Arbeitswelt OdA sowie mit Berufsexpertinnen und -experten aus der Praxis und der Schule entwickelt. Ein grosses Augenmerk wurde bei der Entwicklung der Profile auf die Qualität der Daten gelegt. Die Berufsexpertinnen und -experten durchliefen bei der Einstufung der Anforderungen zunächst einen Kalibrierungsprozess, in welchem sie ihren Beruf systematisch mit ausgewählten anderen Berufen verglichen und somit eine präzisere Einstufung vornehmen konnten.

Die Profile wurden ergänzt durch exemplarische Anwendungssituationen aus dem Berufsalltag. Sie zeigen, wie die bedeutsamen schulischen Anforderungen im Ausbildungsalltag zum Tragen kommen. Weiter wurden körperliche und persönliche Anforderungen aufgelistet. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen dem Lernen in der Volksschule und im Lehrbetrieb hergestellt, der die Berufswählenden motivieren soll, sich gezielt auf die Berufsausbildung vorzubereiten. Ein besonderes Feature ist die Möglichkeit, mehrere Anforderungsprofile miteinander zu vergleichen. Die Anforderungsprofile sind seit Frühling 2015 online. Seither erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit. Aktuell wird jährlich rund 750 000 Mal eines der Berufsprofile aufgerufen. Die Anforderungsprofile und die Funktionalität der Web­site werden gegenwärtig erweitert. Die körperlichen und persönlichen Anforderungen werden ebenfalls als Profil dargestellt. Die Website wird dadurch interaktiver und unterstützt die Suche nach passenden Berufen besser.CR

NACHGEFRAGT MIT WALTER Goetze

«Anforderungsprofile haben sich etabliert»

Schweizerische Gewerbezeitung: Die Anforderungsprofile sind seit 2015 online. Wie beliebt sind sie mittlerweile?

Walter Goetze: Wir haben auf unserer Website 150000 bis 200000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr. Seit einem halben Jahr können wir die Aufrufe der Berufe jährlich zählen. Dies sind 750000 bis 800000 Klicks quer durch alle Berufe – dies hat mich sehr überrascht. Es zeigt, die Anforderungsprofile werden rege genutzt und haben sich etabliert. Bedauerlich ist, dass auch Berufe, die noch kein Profil haben, bis zu 3000 Mal aufgerufen werden. Hier mein Appell an die zuständigen Organisationen der Arbeitswelt OdA: Macht vorwärts und kreiert das entsprechende Profil! Interessierte Verbände können sich direkt bei sgv-Vizedirektorin Christine Davatz c.davatz@sgv-usam.ch melden.

Die Website wurde kĂĽrzlich aufgepeppt respektive interaktiver gestaltet. Welchen Vorteil hat dies fĂĽr die BenĂĽtzerinnen und BenĂĽtzer?

Wir haben neu mit der Universität Basel und dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung gendergerechte Profile erarbeitet. Ebenso geben die Profile neu Auskunft über körperliche und psychosoziale Anforderungen. Zurzeit sind wir hier noch im Aufbau – bereits 40 von 300 Profilen sind so erweitert worden. Der grösste Vorteil ist die interaktive Suche, die es erlaubt, quer durch alle Berufe Profile von ähnlichen und artverwandten Berufen abzurufen, nebeneinander zu stellen und zu vergleichen. Ebenso besteht die Möglichkeit, ein ganz individuelles Profil zu erstellen. Dies ist aber noch im Aufbau.

Neu werden körperliche und persönliche Anforderungen als Profil dargestellt. Wie sind sie entstanden?

Wir haben diese aus den schulischen Anforderungen mithilfe von zusätzlichen Stichworten der OdA zu körperlichen und psychosozialen Anforderungen kreiert.

Interview: CR

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