Publiziert am: 23.04.2021

Besser oder bloss teurer?

CO2-GESETZ – «Das Gesetz bringt die Schweiz einen grossen Schritt weiter», sagt GLP-Nationalrat Jürg Grossen. «Wir verteuern damit nur den Werk­platz Schweiz und fördern die Abwan­derung energieintensiver Unter­neh­mer», hält SVP-Nationalrat Christian Imark dagegen.

Schweizerische Gewerbezeitung: Die Gegner bezeichnen das neue CO2-Gesetz als «teuer, nutzlos und ungerecht»: Was halten Sie als Befürworter dagegen?

Jürg Grossen: Teuer ist es, weiterhin Öl zu verbrennen, dafür Milliarden ins Ausland zu schicken und dann die Schäden des Klimawandels bezahlen zu müssen. Ungerecht wäre es, diese Kosten voll und ganz auf die kommenden Generationen zu verschieben. Das CO2-Gesetz ist ein gutschweizerischer und fein ausgehandelter Kompromiss, der unser Land einen wichtigen Schritt vorwärts bringt. Es entstehen viele zukunftsträchtige Arbeitsplätze, und das Geld bleibt in der Schweiz.

Die Befürworter sagen, die Schweiz solle besser in inländische Arbeitsplätze investieren als Geld in politisch instabile Weltregionen zu exportieren. Wie beurteilen Sie dieses Argument?

Christian Imark: Strategisch ist es wichtig, dass die Energieversorgung der Schweiz diversifiziert ist. Anderenfalls haben wir grosse Klumpenrisiken bei der Versorgung und ­negative Auswirkungen auf die Preise. Das kann eines Tages zum bösen Erwachen führen. Mit einer unnötigen Verteuerung des Werkplatzes Schweiz befeuern wir ausserdem die Abwanderung energieintensiver Produktion in Billiglohnländer. Mit dieser Politik investieren wir nicht nur in ebenso unstabile Länder, wir befeuern auch noch die deutlich schmutzigere Herstellung gleicher Produkte im Ausland und lassen uns diese – mit einer grünen Weste – um die halbe Welt in die Schweiz karren. Ebenfalls muss in Betracht gezogen werden, welch gewaltige und irreparable Schäden die Herstellung von als «nachhaltig» geltenden Produkte im Ausland verursachen. Im grossen Stil Solarzellen und Batterien zu importieren ist alles andere als umweltfreundlich!

Ein wichtiger Streitpunkt sind die Kosten, die das neue CO2-Gesetz verursacht: Laut Umweltminis­terin Simonetta Sommaruga maximal 100 Franken für eine vierköpfige Familie. Haushalte, die wenig CO2 ausstossen, könnten sogar sparen. Auf wie viel schätzen Sie das maximale Sparpotenzial privater Haushalte?

Jürg Grossen: Wer mit Holz oder ­einer Wärmepumpe heizt, elektrisch oder mit einem verbrauchsarmen Fahrzeug fährt und nicht mehrmals jährlich in die Ferien fliegt, kann mehrere hundert bis sogar tausend Franken pro Jahr sparen. Wer das Gegenteil macht, muss mit höheren Kosten rechnen. Studien belegen, dass insgesamt eine klare Mehrheit der Haushalte davon profitiert.

Für Sie ist klar: Viele Haushalte werden nicht profitieren, sondern im Gegenteil massiv mehr Geld ausgeben müssen. Wie teuer wird ein Ja zum Gesetz für einen Einzelhaushalt?

Christian Imark: Die finanzielle Belastung bleibt individuell, je nach Verbrauch. Bei der 100-Franken-Rechnung von Frau Sommaruga sind viele Annahmen falsch. Die Verteuerung auf Heizöl beträgt nicht 20, sondern 30 Rappen und die Verteuerung auf Benzin 12 Rappen pro Liter. Dazu kommt, dass viele Familien eine grössere Wohnfläche, mehr Fahrkilometer und einen höheren Verbrauch pro Kilometer haben, als Sommaruga vorrechnet. Für eine vierköpfige Familie kostet ein Ferientrip nach Gran Canaria oder in die Türkei in Zukunft 240 Franken mehr, ein Flug in die USA oder auf die Malediven gar 360 Franken. Ausserdem ist es völlig unklar, ob die Corona-gebeutelte Luftfahrt für die CO2-Rückverteilung tatsächlich zum grossen Zahlonkel werden wird. Sommarugas Rechnung ist ein Beschiss an der Bevölkerung.

Treibstoffe, Heizöl und Gas teurer, dazu eine Flugticketabgabe: Sie nehmen in Kauf, dass der Mittelstand und das Gewerbe gerupft werden. Wie können Sie das den Betroffenen erklären?

Jürg Grossen: Als Familienvater und Gewerbler ist es mir wichtig, dass diese Kreise nicht finanziell leiden müssen. Deshalb sind die Massnahmen im CO2-Gesetz so ausgestaltet, dass der Grossteil der Abgaben wieder an Bevölkerung und Gewerbe zurückfliessen, wie das heute mit der Brennstoffabgabe auch der Fall ist. Zudem werden gezielt finanzielle Mittel eingesetzt, um die Hausbesitzer und Unternehmen beim Umstieg auf erneuerbare Heizungen und Elektromobilität zu unterstützen. Damit können der Mittelstand und das Gewerbe zusätzlich profitieren.

Das Gewerbe hat Ja gesagt zur Energiestrategie 2050. Ist es da nicht folgerichtig, jetzt auch das CO2-Gesetz zu befürworten?

Christian Imark: Nein, die Energiestrategie – so viel ist klar – hat neue Probleme verursacht, die bis heute ungelöst sind und für welche wir erneut tief in die Tasche greifen ­müssen. Zum Ausstieg aus der Kernenergie gibt es noch immer keine günstige Alternative, die nicht massive zusätzliche CO2-Ausstösse verursacht. Diese «Strategie» ist für die Klimapolitik ein Bärendienst.

Mehr Bürokratie, mehr Verbote, mehr Vorschriften und neue Steuern und Abgaben: Ist es wirk-lich das, wofür Sie als Präsident der Grünliberalen einstehen?

Jürg Grossen: Die Grünliberalen stehen für eine lebenswerte Zukunft für die kommenden Generationen ein, welchen wir weder Umweltschäden noch Schuldenberge hinterlassen wollen. Die Flugticketabgabe wie auch die höheren Abgaben auf Öl und Benzin haben einen lenkenden Charakter, wobei das meiste Geld wieder an die Bevölkerung zurückfliesst. Auf Steuern und Verbote wurde im Gesetz bewusst zugunsten von Anreizen verzichtet. Eine durchaus grünliberal geprägte Vorlage.

Wird das CO2-Gesetz abgelehnt, verliert die Schweiz wertvolleZeit im Wettlauf gegen die Klimaerwärmung. Nimmt die SVP das einfach so in Kauf?

Christian Imark: Das ist nicht wahr. Durch unseren (noch) vorbildlichen Strommix ist unser Land beim CO2-Ausstoss im internationalen Vergleich absolute Spitze. Ausserdem reduziert die Schweiz den Pro-Kopf-Ausstoss Jahr für Jahr um 2,5 Prozent, ohne massive Umverteilung und Bürokratie. Ein Nein zum CO2-Gesetz gibt uns die Möglichkeit, sinnvolle politische Massnahmen zu ergreifen, die weniger mit der Milliardenkelle angerichtet werden, aber – im Gegensatz zu diesem Sozialismusgesetz – wirkungsvoll sind.

Was bedeutet es, wenn die Vorlage abgelehnt wird?

Jürg Grossen: Dann wird die Schweiz in Rückstand geraten und statt Vorreiterin beim Klimaschutz zur Nachzüglerin. Dies hätte eine negative Wirkung auf unser Gewerbe und die Exportfähigkeit für unsere innovativen Schweizer Technologien.

Angenommen, die Vorlage kommt durch: Welches wären die Folgen?

Christian Imark: Wir verteuern den Werkplatz Schweiz, wir verteuern das Leben für unsere Familien und Haushalte und lösen eine unnötige sowie ineffiziente Milliarden-Umverteilung und Bürokratie aus. Wir ­befeuern die Abwanderung energieintensiver Unternehmen in Billiglohnländer, was dem Klima nachweislich schadet. Wir verordnen ­unnötige Investitionskosten für die Allgemeinheit und schaffen zusätzliche ineffiziente Staatsprofiteure und Verwaltungseinheiten. Wir öffnen Tür und Tor für noch extremere Forderungen, die bereits formuliert wurden: Verbot von Verbrennungsmotoren, Steuern auf Fleischkonsum, Homeoffice für immer, Bio-Pflicht, radikale Drosselung des Konsums und, und, und ...

Interview: Gerhard Enggist

DIE ARGUMENTE PRO UND CONTRA CO2-GESETZ

Argumente für

das CO2-Gesetz

www.co2-gesetz-jetzt.ch

Argumente gegen

das CO2-Gesetz

www.teuer-nutzlos-ungerecht.ch

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