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VISUELLE ZEITZEUGEN – Im Jahr 2020 feiert Memoriav, die Kompetenzstelle für das audiovisuelle Erbe der Schweiz, das 25-jährige Bestehen. Cécile Vilas, Direktorin von Memoriav, über das wichtige Engagement für das kollektive Gedächtnis der Schweiz sowie über die zentrale Zusammenarbeit mit den Kantonen und die Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für das audiovisuelle Kulturgut.
Schweizerische Gewerbezeitung: Memoriav feiert dieses Jahr seinen 25. Geburtstag. Wie ist aus dem anfänglichen «Versuchsprojekt» innerhalb der letzten 20 Jahre eine etablierte Organisation geworden?
Cécile Vilas: Memoriav war kein «Versuchsprojekt», sondern von Anfang an eine dringend nötige Massnahme und Institution. Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre wurde man sich auch in der Schweiz bewusst, dass unser Land aufgrund der materiellen Fragilität der Datenträger das audiovisuelle Gedächtnis – Fotos, Filme, Video- und Tondokumente – verlieren würde. Die Materialien drohten zu zerfallen – unwiederbringlich und in Kürze. Da es politisch (und finanziell) nicht realistisch war, eine zentrale audiovisuelle Mediathek – also eine Art audiovisuelle Bibliothek in grösserem Rahmen – zu schaffen, entschloss man sich, Memoriav als Netzwerk, in Form eines Vereins, zu gründen. So können alle an der Erhaltung von audiovisuellem Kulturgut beteiligten Institutionen und Partner ihr Wissen zusammentragen und teilen – eine audiovisuelle Schwarmintelligenz.
Das audiovisuelle Kulturgut der Schweiz ist reichhaltig und umfasst vielfältige Dokumente. Was muss man sich darunter vorstellen?
Dazu gehören Fotos, Filme, Ton- und Videodokumente, in analoger und zunehmend auch in digitaler Form.
Was sind die wichtigsten audiovisuellen Zeitzeugen?
Ganz speziell erwähnen möchte ich die Schweizer Filmwochenschau, welche von 1940–1975 in den Kinos vor dem Film zu sehen war. Sie ist ein wichtiges Zeitdokument ĂĽber das politische, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Leben der Schweiz. Im Rahmen eines grösseren ZugangsÂprojekts, bei dem Memoriav mit dem Schweizer Bundesarchiv und der CinĂ©mathèque suisse zusammengearbeitet hat, ist die Schweizer Filmwochenschau nun dreisprachig ĂĽber www.memobase.ch zugänglich.
Als Memoriav gegründet wurde, standen die analogen audiovisuellen Träger noch im Zentrum. Was bedeutet die Digitalisierung für Memoriav?
Die Digitalisierung ist ein ganz grosses Thema. Sie ermöglicht den (verbesserten) Zugang zu audiovisuellen Dokumenten, ist aber auch in der digitalen Langzeiterhaltung eine zentrale Fragestellung. Viele audiovisuelle Dokumente sind nun auch digital entstanden. Zusammen mit Partnern will sich Memoriav auch vermehrt mit neuen Problematiken auseinandersetzen: Wie werden Games oder Apps erhalten, die ja weitgehend auch audiovisuell sind. Digitale Dokumente sind aber auch sehr gefährdet. Auch hier besteht eine grosse Verlustgefahr, wenn die Fragen der digitalen Langzeitarchivierung nicht korrekt beantwortet werden.
Der Verein vernetzt inzwischen alle Kantone und deren wichtigsten Gedächtnisinstitutionen, die audiovisuelle Bestände betreuen, mit den nationalen Institutionen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kantonen und welche Bedeutung hat sie?
Diese Zusammenarbeit mit und in den Kantonen ist für uns absolut zentral. Wir vermitteln den Gedächtnis-Institutionen in den Kantonen erhaltungstechnisches Know-how, aber auch subsidiär Fördermittel bei Erhaltungsprojekten. Die Memoriav-Unterstützung hat Signalwirkung und hilft den Institutionen, auch öffentliche Gelder auf lokaler oder kantonaler Ebene zu finden. Aktuell führen wir mit den Kantonen Aargau und Wallis ein Pilotprojekt zu audiovisuellen Inventaren durch. Anschliessend sollen noch weitere Kantone gewonnen werden, damit eine «audiovisuelle Kartographie» der gesamten Schweiz entstehen kann.
Wie ist das Verständnis in der Politik für die Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes?
Memoriav arbeitet intensiv an der Sensibilisierung, um ein breites Publikum, wie auch die Politik, auf den Wert und die Anliegen des audiovisuellen Kulturguts aufmerksam zu machen. Audiovisuelles ist das Kulturgut unserer Zeit und es braucht die Unterstützung der Politik, damit die Institutionen genügend Mittel erhalten. Erhaltungsstrategien können nur durch einen politischen Willen erstellt werden.
Memobase ist das Kernprodukt von Memoriav. Mit dem Onlineportal verbessert Memoriav den Zugang zum audiovisuellen Kulturgut. Was bedeutet dies konkret?
Audiovisuelles Kulturgut ist aus verschiedenen GrĂĽnden nicht immer einfach zugänglich. Memobase ermöglicht es, beschreibende Daten («Metadaten»), aber auch die eigentlichen Dokumente wie Filme, Fotos, Videos oder Tondokumente finden und anschauen zu können. Bisher sind auf memobase.ch 400 000 Dokumente verzeichnet, 130 000 können auf Memobase sogar angeschaut werden. Wir erarbeiten zurzeit zusammen mit der Universitätsbibliothek ÂBasel die neue Memobase 2020. ÂSie wird sehr attraktiv und soll Âzum zentralen Portal des audiovisuellen Kulturguts der Schweiz werden.
Was wĂĽnschen Sie sich fĂĽr die Zukunft von Memoriav?
Ich wĂĽnsche mir, dass Memoriav als Kompetenzstelle zusammen mit Âseinen Mitgliedern und Partnern die Arbeit erfolgreich fortfĂĽhren kann, die 1995 bei der GrĂĽndung von Memoriav weitsichtig skizziert wurde: die Erhaltung unterstĂĽtzen, sensibilisieren und Erhaltungsstrategien fĂĽr die Schweiz umsetzen. Und dadurch einen wichtigen Beitrag zu leisten, damit das audiovisuelle Gedächtnis der Schweiz erhalten bleibt. Interview:
Corinne Remund
FAKTEN UND ZAHLEN
Seit seiner Gründung im Jahre 1995 hat Memoriav über 350 Erhaltungsprojekte unterstützt und begleitet. Mehr als eine Million audiovisuelle Dokumente konnten gerettet und erhalten werden – sie sind online oder bei den Partnerinstitutionen öffentlich zugänglich.
• Memoriav bietet mit Memobase ein eigenes Online-Rechercheportal, auf dem das audiovisuelle Kulturerbe zugänglich gemacht wird. Memobase ermöglicht den Zugang zu über 400 000 audiovisuellen Dokumenten aus rund 60 Gedächtnisinstitutionen der ganzen Schweiz.
• Der Verein zählt über 220 Mitglieder aus allen Landesteilen der Schweiz sowie dem Fürstentum Liechtenstein und Deutschland.
• Sieben Vorstandsmitglieder sind für die strategische Leitung des Vereins verantwortlich. Operativ geleitet wird der Verein von einer Direktorin und der Geschäftsstelle.
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