Publiziert am: 03.09.2021

«Bildung ist das A und O»

urs wernli – Der abtretende Zentralpräsident des Auto Gewerbe Verbands Schweiz über den Wandel der Garagisten von ­Verkäufern und Reparateuren zu Mobilitätsdienstleistern – und den Beitrag der Branche zum Klima- und Umweltschutz.

Schweizerische Gewerbezeitung: Nach 18 Jahren übergeben Sie das Zepter im AGVS am 8. September in neue Hände. Welches waren Ihre grössten politischen Erfolge in dieser langen Zeit als Zentralpräsident?

Urs Wernli: Erfolge gab es immer dann, wenn sich Wirtschaft und ­Gewerbe gemeinsam mit den bürgerlichen Kräften engagierten. In unserer Strategie ist festgehalten, dass wir ein starkes politisches Netzwerk pflegen, um die Interessen und Anliegen unserer Mitglieder wirkungsvoll zu vertreten. Ein aktuelles Beispiel auf nationaler Ebene ist die Ablehnung des CO2-Gesetzes im Juni dieses Jahres. Ich denke aber auch an das Ja zum Nationalstrassen- und Agglomerations­verkehrsfonds NAF 2017 und zur 2. Gotthardröhre 2016 oder das Nein zur Verteuerung der Autobahnvignette im Jahr 2013.

Welche wichtigen Meilensteine werden darüber hinaus in Erinnerung bleiben?

In erster Linie, dass es uns im Verband gelungen ist, die Schweizer Garagisten auf ihrem Weg zum Mobilitätsdienstleister zu begleiten und zu unterstützen. Das ist aber kein einzelner Meilenstein, sondern vielmehr das Resultat einer kontinuierlichen Entwicklung. Auf dieses Konto eingezahlt haben sicher die Weiterentwicklung der beruflichen Grundbildung, wo 2007 der Automobil-Mechatroniker den Automechaniker ablöste, die Entwicklung des «Tags der Schweizer Garagisten» zur grössten Fachtagung der ganzen Schweizer Autobranche ­sowie die Verstärkung und Professionalisierung unserer Kommuni­kation mit den Mitgliedern. Mit dem Branchen- und Fachmagazin «AUTOINSIDE» und unseren Websites erreichen wir jeden Monat fast 140 000 Printleser und Online­nutzer. Gerade im Corona-Lockdown 2020 hat sich gezeigt, dass unsere Mitglieder sich auf diese ­Informationskanäle verlassen können. Ein Highlight war sicher auch die Planung und der Umzug in die Mobilcity in Bern, das Kompetenzzentrum der Auto- und Transportbranche.

Sie haben sich stets mit viel Herzblut für die Aus- und Weiterbildung engagiert. Welches sind hier Ihre Erfolge?

Die Bildung ist das A und O für unsere Branche. Die hohe Qualität unserer beruflichen Grundbildungen zeigt sich in regelmässigen Spitzenklassierungen unserer Automobil-Mechatroniker an internationalen Berufsmeisterschaften. Die Dynamik in unserer Branche führt dazu, dass wir unsere Aus- und Weiterbildungen stetig weiterentwickeln. Mit Lehrbeginn 2022 werden wir die neuen Grundbildungen Detailhandelsfachmann/-frau EFZ Automobil Sales, Detailhandelsfachmann/-frau EFZ Automobil After-Sales sowie Detailhandelsassistent/-in EBA Automobil After-Sales anbieten. Auch in der höheren ­Berufsbildung sind wir gut aufgestellt und bieten motivierten und engagierten Berufsleuten spannende Perspektiven.

Wie geht die Branche mit dem Technologiewandel um, wie die Garagisten mit den neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung?

Das Autogewerbe sieht sich mit einem enormen Wandel konfrontiert. Die technologische Entwicklung ist rasant und mit steigenden Anforderungen an unsere Mitglieder verbunden. Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich unsere Mitglieder auf die Digitalisierung einlassen und digitale Tools nutzen. Sie fragen nach den Herausforderungen der Digitalisierung. Viele erfolgreiche Garagisten sehen die Digitalisierung vor allem als Chance.

Garagisten werden verstärkt zu Mobilitätsdienstleistern. Wie spüren das Ihre Kunden?

Früher war der Garagist ein Verkäufer und Reparateur. Mit neuen Technologien und neuen Mobilitätsformen hat sich dieses Berufsbild stark gewandelt. Wenn Sie beispielsweise ein Elektrofahrzeug verkaufen, dann müssen Sie den Kunden auch bezüglich Ladeinfrastruktur beraten können. Dazu kommen neue Nutzungsmodelle wie Car Sharing oder Auto-Abos. Auch hier wollen wir die erste Anlaufstelle für die Automobilistinnen und Automobilisten in der Schweiz bleiben – indem wir ihre Mobilitätsbedürfnisse analysieren und mit ihnen die passende Technologie und die passende Form ihrer individuellen Mobilität definieren.

Welchen Beitrag leistet die Branche heute zum Klima- und Umweltschutz?

Das ist ein wichtiges Thema auch für unsere Branche. In den letzten 20 Jahren sanken die CO2-Emissionen von Neuwagen in der Schweiz um fast 40 Prozent – und gleichzeitig wurden die Fahrzeuge immer sicherer, komfortabler und auch leistungsstärker. Das ist eine enorme technologische Leistung. Unser Gewerbe leistet seinen Beitrag, indem es dafür sorgt, dass die Fahrzeuge möglichst effizient unterwegs sind. So haben wir 2013 in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Energie den ­AutoEnergieCheck (AEC) lanciert. Mit dieser Dienstleistung der Schweizer Garagisten werden die Fahrzeuge in der Werkstatt überprüft und auf möglichst optimale Energieeffizienz eingestellt. Hier geht es um eigentlich simple, aber wirkungsvolle Massnahmen: den optimalen Reifendruck, energieeffiziente Reifen, das Vermeiden von unnötigem Ballast, um einige Beispiele zu nennen. Vor wenigen Wochen wurde der 100 000. AEC durchgeführt. Insgesamt konnten mit dieser Dienstleistung mehr als 120 000 Tonnen CO2 eingespart werden. Und gleichzeitig sparen die Automobilistinnen und Automobi­listen Geld, weil sie weniger Treibstoff brauchen.

Wo sehen sie Ihre Branche in zehn Jahren? Glauben Sie an die ­Voraussagen, dass wir bald alle in E-Fahrzeugen unterwegs sein werden?

Die Elektromobilität ist sicher ein wichtiger Hebel, um die CO2-Emissionen im Strassenverkehr weiter zu senken. Die Frage ist, ob das reicht. Ein Auto ist in der Schweiz durchschnittlich neun Jahre alt. Das heisst, dass die Verbrenner, die ­heute auf die Strasse kommen, im Jahr 2030 immer noch unterwegs sein werden. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres waren 9,8 Prozent der neu in Verkehr ­gesetzten Autos reine Elektrofahrzeuge. Das heisst im Umkehrschluss, dass neun von zehn ­verkauften Neuwagen über einen Verbrennungsmotor verfügen. Mit anderen Worten: Es wird einige Zeit dauern, bis die Mehrzahl der Autos auf Schweizer Strassen batterieelektrisch unterwegs sind. Beim AGVS setzen wir uns für Technologieoffenheit ein: E-Mobilität ja, aber nicht nur. Auch Wasserstoff, biogene oder synthetische Treibstoffe können und sollen ihren Beitrag leisten. Und im Nutzfahrzeugbereich wird der Verbrennungsmotor, mit Diesel, vermehrt auch mit LNG oder CNG, weiter unverzichtbar bleiben.Interview: Gerhard Enggist

www.agvs-upsa.ch

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