Publiziert am: 11.12.2020

Die Meinung

Bundesrat und BAG verweigern Gespräch

Vor einer Woche präsentierte der Bundesrat neue Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie. Beim Durchsehen der Entscheide entsteht mitunter der Eindruck, der Detailhandel und die Gastronomie seien der Ursprung allen Übels. Beide Branchen werden laufend massiv eingeschränkt, ohne dass bis heute der Nachweis der Ansteckungen in diesem Umfeld erbracht worden wäre. Besonders übel: Weder Bundesrat noch BAG scheinen an einem Dialog mit der Wirtschaft und den Sozialpartnern interessiert zu sein. Im Gegenteil, momentan glänzen sie mit Gesprächsverweigerung.

Bisher galt im KMU-Detailhandel die Regel, dass pro 4 m2 Ladenfläche eine Kundin im Geschäft zugelassen ist. Neu gilt für Geschäfte, die mehr als 30 m2 Gesamtfläche haben, die Regel, dass pro 10 m2 ein Kunde zugelassen wird. Tönt kompliziert, ist es aber nicht. Konkret bedeutet das, dass dem KMU-Detailhandel die Geschäftsfrequenz um mehr als die Hälfte reduziert wurde. Und um es deutlich auszudrücken: Jeder Tankstellenshop hat mehr Ladenfläche. Was droht, sind Kundenverluste, weil niemand draussen in eisiger Kälte warten mag, bis ihm Einlass gewährt werden kann.

Ein Migros-Sprecher fand, das sei für die Grossverteiler gar kein Problem. Wie auch? In den angenehm geheizten Grosseinkaufszentren? Dem Vernehmen nach waren es einmal mehr die Grossverteiler, die – nachdem sie wie Migros und Coop schon im ersten Lockdown als Krisengewinnler agiert hatten – beim BAG vorstellig wurden und den Antrag auf Erhöhung der Flächen stellten. Einmal mehr eine eklatante Wettbewerbsverzerrung, initiiert von den Grossverteilern auf dem Buckel der KMU.

Für diese Prozesse gibt es eine klare Gesetzesgrundlage. Nur scheint das weder Bundesrat noch BAG zu interessieren. Im Covid-19-Gesetz steht klipp und klar: Der Bundesrat bezieht die Dachverbände der Sozialpartner bei der Erarbeitung von Massnahmen ein, die ihre Zuständigkeit betreffen. Zwar hat der Bundesrat im Sommer den Covid-Krisenstab erweitert und die Sozialpartner ebenfalls zur Teilnahme eingeladen. Dies aufgrund der Intervention durch den sgv, nachdem die Wirtschaft in der Phase des ersten Lockdowns nur einseitig und vor allem ungenügend mit dem Blickwinkel der Grossbetriebe vertreten war. So weit, so gut. Allerdings: Diese Task Force kam gerade zu zwei Sitzungen zusammen, das letzte Mal am 23. Oktober…!

Der sgv reagiert auf dem politischen Parkett. Präsident NR Fabio Regazzi erkundigt sich in der Fragestunde vom nächsten Montag, ob der Bundesrat bereit sei, die erweiterte Taskforce von Bundesrat/BAG zielgerichtet einzusetzen und die Stimme der Sozialpartner anzuhören, oder ob er sie weiterhin als Feigenblatt missbrauchen wolle. Laut und deutlich hält Regazzi fest, dass es stossend sei, wenn die Stimme der Sozialpartner ungehört bleibe in Entscheiden, die weitreichende Folgen für die Wirtschaft habe.

In einer Krisensituation täten Bundesrat und BAG gut daran, die wichtigsten Stakeholder in die Entscheidfindung einzubinden. Statt Journalisten mit Indiskretionen zu beliefern, würde dies einen regelmässigen und strukturierten Dialog und Meinungsaustausch bedingen. Zudem sei die Frage gestellt: Ist sich das BAG der enormen Belastung innerhalb der Wirtschaft eigentlich bewusst? Weiss man, was es heisst, wenn Tausende von Unternehmerinnen und Unternehmern massive Existenzängste haben und kaum wissen, wie es morgen mit ihrem Lebenswerk weitergeht? Höchste Zeit, diese Themen mit den Sozialpartnern zu diskutieren.

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