Publiziert am: 01.05.2020

Chancen mutig nutzen

WERNLI AG – Das KMU hat sich dank Innovation und Nachhaltigkeit erfolg­reich in einer Nische im Sektor der Medizinprodukte positioniert. Das Unternehmen in Rothrist agiert selbst in der Krise weitsichtig und investiert mit der Herstellung von Schutzmasken in einen neuen Geschäftsbereich.

Zur Unterstützung einer effizienten Wundheilung sind sie unerlässlich: die elastischen Verbandstoffe, Binden und medizinischen Textilien der Wernli AG im aargauischen Rothrist. Die letzte Schweizer Herstellerin von Verbandstoffen hat sich seit ihrer Gründung 1932 dank zahlreicher Innovationen erfolgreich behauptet und weiterentwickelt. So präsentierte die Firma 1979 an einer Messe in Zürich als weltweit erste Herstellerin farbige Verbandstoffe. Aktuell reagiert das Unternehmen auf die Corona-Krise und produziert neu Schutzmasken (siehe Nebenartikel). Auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und so ein verlässlicher und kontanter Partner sein – so lautet die Firmenphilosophie, die sich in der über 100-jährigen Geschichte des KMU bis jetzt immer bewährt hat. «Wir sind nicht auf kurzfristige Gewinne aus, sondern auf eine langjährige und für beide Seiten erfolgreiche Partnerschaft», sagt CEO Felix Schönle, der die Firma 2009 erworben hat.

«Der starke Franken macht uns zu schaffen.»

Die Kernkompetenzen liegen in Produktion und Vertrieb von elastischen Verbandstoffen für den medizinischen Bereich. Zusätzlich ist das KMU eine der wenigen Herstellerinnen von Verbandklammern in Europa. Seit ein paar Jahren produziert das Unternehmen zudem technische Bänder für viele mögliche Einsatzorte. Sie werden unter anderem für Taschen, Rucksäcke oder in der Bekleidungsindustrie verwendet. «Einen grossen Teil unseres Absatzes machen die beschichteten Verbandstoffe – selbstklebend oder adhäsiv – aus», so Schönle, und er doppelt nach: «Wir haben sehr viele Produkte, die im Bereich Lymphologie oder in der Kompressionstherapie eingesetzt werden. Hier verfügen wir über grosse und lange Erfahrung.» Der moderne Maschinenpark besteht aus Bandwebmaschinen sowie automatisierten Ausrüst- und Beschichtungsanlagen. Diese wurden teilweise speziell für das KMU hergestellt und sind äusserst effizient. «Pro Jahr produzieren wir zwischen 45 und 55 Millionen Meter Verbandstoffe.»

Die Wernli AG exportiert rund 85 Prozent ins Ausland. «Mittlerweile haben wir in rund 40 Ländern Kunden», sagt Schönle. Dem CEO bedeutet aber der Wirtschaftsstandort Schweiz viel: «Wir haben ein stabiles politisches System, und wir haben in der Schweiz Mitarbeitende, die sehr effizient und zuverlässig arbeiten.» Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren verschlechtert. «Das ist bedauerlich. Ich befürchte, dass vermehrt Produktionsbetriebe, welche im Export tätig sind, Probleme bekommen», führt Schönle aus. Sein Unternehmen ist von der europäischen Regulierung für Medizinprodukte direkt betroffen. Die europäische «Medical Device Regulation» soll am 26. Mai 2020 in Kraft treten. Bislang erlangten die Produkte der Schweizer Hersteller automatisch den EU-Pass, wenn diese in der Schweiz eine Zulassung erhielten. Ohne Rahmenabkommen mit der EU droht die Schliessung des privilegierten Zugangs. «Das bilaterale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätserklärungen (MRA) wird nicht nachgeführt werden. Somit sind Produkte von Schweizer Herstellern nicht mehr gleichwertig mit den europäischen Produkten. Wir benötigen für unsere Produkte einen Importeur und einen EU-Repräsentanten und können ab diesem Zeitpunkt unsere vielen Kunden in der EU nicht mehr direkt, sondern nur noch über diesen Importeur beliefern. Damit bestellen die Kunden auch nicht mehr bei uns, sondern beim Importeur. Das macht alles spürbar komplizierter, und es kostet auch deutlich mehr», erklärt Schönle. Er hat bereits Vorsorge getroffen und im November die Verlagerung eines grossen Teils seiner Produktion nach Ungarn angekündigt. Dadurch gehen in Rothrist Stellen verloren.

Qualität bei Medizinprodukten muss stimmen

Die Qualitätsansprüche des Unternehmens sind gross: «Wir machen keine Kompromisse und nehmen auch Kundenreklamationen sehr ernst. Wir haben zwar keine Hochrisikoprodukte, aber wir sind uns sehr wohl bewusst, dass wir Medizinprodukte herstellen und die konstante Qualität von sehr grosser Bedeutung ist.» Ebenso wird Nachhaltigkeit und Umweltschutz vorbildlich im Betrieb gelebt. Das KMU hat als Grossverbraucher von Energie innert zweier Jahre alle wirtschaftlichen Massnahmen umgesetzt. «Dadurch haben wir den Energieverbrauch um rund zwanzig Prozent gesenkt. Zudem versuchen wir den Verbrauch von Ressourcen so stark wie möglich zu reduzieren. Wo dies nicht möglich ist, rezyklieren wir sehr viel.»

Eine grosse Herausforderung für die Herstellerin von medizinischen Textilien ist der hohe Exportanteil. «Der starke Franken macht uns zu schaffen. Zwar ist es uns in den letzten Jahren gelungen, unsere Abhängigkeit vom Euro praktisch zu eliminieren, doch haben wir im Moment Probleme, den tiefen Wechselkurs GBP/CHF zu stemmen.» Das Zukunftspotenzial der Branche erachtet Schönle aber als gut. Als vorausschauender und erfahrener Unternehmer hat er noch einige Pläne und Ideen in der Schublade. «Die Vergangenheit hat mir aber auch gezeigt, dass lange nicht alles planbar ist. Entscheidend ist, dass wir mögliche Chancen mutig ergreifen und damit hoffentlich mehrheitlich auch Erfolg haben.»Corinne Remund

www.weroswiss.com

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