Publiziert am: 21.10.2016

«Dank Vielfalt stabil und robust»

HANSPETER HESS – «Das Inland-Kreditgeschäft ist das ‹Schmiermittel› der Wirtschaft», sagt der 
Direktor des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken. Regulierungen aber verteuern das Angebot.

Schweizerische Gewerbezeitung: Wie steht es derzeit um den 
Bankenplatz Schweiz?

n Hanspeter Hess: Der Bankenplatz Schweiz ist insgesamt und im internationalen Vergleich sehr stabil. In den vergangenen Jahren haben wir einige Umwälzungen erlebt, wobei aber in erster Linie das auslandorientierte Geschäft der Banken im Fokus stand. Das Inlandgeschäft – das heisst die Versorgung der Schweizer KMU und der inländischen Bevölkerung mit Bankdienstleistungen – war und ist eine stabile Säule des Finanzplatzes.

Welche Rolle spielen die Kantonalbanken darin?

nDie Kantonalbanken sind die grösste inländische Bankengruppe. Ihr Kerngeschäft ist das Zinsdifferenzgeschäft, also das Vermitteln zwischen «Sparen» und «Finanzieren», mit einer regionalen Ausrichtung. In dieser Funktion leisten die Kantonalbanken einen wesentlichen Beitrag zum 
effizienten Funktionieren der Schweizer Wirtschaft und erzielen eine hohe indirekte Wertschöpfung. Das inländische Kreditgeschäft ist quasi das «Schmiermittel» der Wirtschaft: Es begünstigt Investitionen, Innovationen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Schweiz. Entsprechend hat ein im Kreditgeschäft erwirtschafteter Franken einen volkswirtschaftlich höheren Nutzen als ein Franken aus dem grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft.

Was sind die grössten Chancen und Herausforderungen für den Finanzplatz?

nDie grösste Chance für den Finanzplatz ist seine Vielfalt. Rund 270 Banken verschiedenster Grössen und mit unterschiedlichen Geschäfts- und Eigentümermodellen bilden die hiesige Bankenlandschaft. Diese Vielfalt schafft einen funktionierenden Wettbewerb, eine effiziente Grundversorgung und ausgeprägte Kundennähe. Zudem sorgt sie für grosse Stabilität und macht das Finanzsystem ausserordentlich robust gegen Krisen.

«Die grösste chance für den finanzplatz ist seine vielfalt.»

Herausfordernd sind derzeit sicherlich die wirtschaftlichen Unsicherheiten. Einerseits führt das Negativzins-umfeld zu einer Margenerosion im Kerngeschäft der Retailbanken. Andererseits ist der Erfolg der Kantonalbanken auch eng mit dem Geschäftsgang des lokalen Gewerbes verknüpft. Investieren die Firmen beispielsweise aufgrund der derzeitigen Frankenstärke oder ungelöster Fragen in den bilateralen Beziehungen zur EU nur zurückhaltend, wirkt sich dies auch auf das Geschäft der Banken aus. Daneben bereitet die hohe Regulierungsdichte den Banken zunehmend Kopfschmerzen. Ohne Finanzregulierung geht es selbstverständlich nicht. In den letzten Jahren haben sich aber das Tempo und die Kadenz, in welcher neue Regulierungen erlassen wurden, massiv erhöht. Zudem sind noch weitere in der Pipeline. Dies führt zu einer Überregulierung, welche ohne Zusatznutzen 
Ressourcen bindet und für alle Anspruchsgruppen Kosten verursacht.

Aus KMU-Kreisen hört man immer wieder, es sei schwieriger geworden, an Kredite zu kommen und die Bankdienstleistungen würden stetig teurer. Was stimmt an diesen Aussagen?

nDas Total der nicht hypothekarisch gedeckten Ausleihungen hat gemäss SNB-Statistik in den letzten zwei Jahren tatsächlich etwas abgenommen. Bei den Kantonalbanken war der Rückgang im Vergleich zum Gesamtmarkt aber weniger ausgeprägt. Aus unserer Sicht ist die Abschwächung in erster Linie auf eine gesunkene Nachfrage nach Finanzierungen zurückzuführen: Inländische Unternehmen investieren aufgrund von wirtschaftlichen Unsicherheiten nur noch zurückhaltend oder verzichten auf fremdfinanzierte Anschaffungen. Eine angebotsinduzierte Kreditklemme gibt es nicht und hat es – vor allem auch dank der inlandorientierten Banken – selbst in der Finanzkrise nie gegeben.

Dagegen sind die Finanzinstitute seit der Krise laufend mit neuen Regulierungen und Vorgaben konfrontiert. Die damit verbundenen massiv höheren Aufwände müssen zunehmend an die Kunden weiterverrechnet werden. Dies verteuert das Angebot.

Welche Regulierungen haben den grössten Einfluss auf Kreditverknappung und Kostenerhöhungen?

nAuf der Kostenseite manifestiert sich die zunehmende Regulierung vor allem beim Personalaufwand. Beispielsweise binden überbordende Dokumentations- und Meldepflichten der Finma immer mehr personelle Ressourcen. Daneben müssen die 
Legal- und Compliance-Abteilungen laufend ausgebaut werden. In kleineren Instituten macht das «Rechtspersonal» heute nicht selten bis zu 10 Prozent der Personalkosten aus. Allein 2015 nahmen gemäss einer Einschätzung der Boston Consulting Group die Compliance-Kosten nochmals um 10 Prozent zu.

«ÜBERREGULIERUNG BINDET RESSOURCEN UND TREIBT DIE KOSTEN IN DIE HÖHE.»

Eine Verknappung des Kreditangebots gibt es aus unserer Sicht – wie erwähnt – nicht. Die strengeren Eigenmittelanforderungen können grundsätzlich einen Einfluss auf die Fähigkeit respektive die Bereitschaft zur Kreditvergabe haben. Für die Kantonalbanken kommt dies aber gegenwärtig nicht zum Tragen, da sie überaus gut kapitalisiert sind und die Mindestvorgaben deutlich übererfüllen.

Haben sich die seit 2008 eingeführten Regulierungen bewährt? Sind die Banken heute sicherer als vor acht Jahren?

nInsbesondere die international ausgerichteten Banken halten heute sicherlich mehr Eigenmittel als vor einigen Jahren. Von daher kann man durchaus von einer höheren Sicherheit ausgehen. Aus unserer Sicht problematisch ist jedoch, dass bei vielen Finanzmarktregulierungen kaum gesamtwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen einfliessen. Zudem fehlt oft eine sinnvolle Differenzierung zwischen verschiedenen Bankentypen und Risikoprofilen. Es ist nicht sachgerecht, dass eine kleine, regional tätige Retailbank die gleichen regulatorischen Anforderungen erfüllen muss wie ein international agierender, komplexer Bankkonzern.

Wie wichtig ist die internationale Ausrichtung fĂĽr die Schweizer (Kantonal-)Banken?

nDie Kantonalbanken sind zu 90 Prozent im Inland tätig. Sie sind lokal verankert und regional ausgerichtet. Das Auslandgeschäft nimmt für sie daher lediglich eine marginale Rolle ein. Für den gesamten Finanzplatz ist das grenzüberschreitende Geschäft selbstverständlich nach wie vor sehr wichtig. Die Lösung von damit zusammenhängend Markzutrittsproblemen – beispielsweise mit der EU – sollte aber immer eine Kosten-Nutzen-Betrachtung für alle Akteure beinhalten. Teure Zugeständnisse zur Sicherstellung des Marktzutritts, welche zulasten der Inlandbanken gehen, sind nicht akzeptabel.

«GLEICHE REGULIERUNGEN FÜR REGIONALBANKEN UND INTERNATIONALE KONZERNE – DAS IST NICHT SACHGERECHT.»

Ist ein Finanzdienstleistungs-
abkommen mit der EU eine gute Idee?

nWir sind skeptisch. Daher begrüs-sen wir auch, dass ein FDLA im derzeitigen politischen Umfeld für die nächsten Jahre kein Thema mehr sein dürfte. Der potentielle Nutzen eines solchen Abkommens wäre sehr begrenzt und würde nur einseitig anfallen. So profitieren in erster Linie die Banken mit aktiver Geschäftstätigkeit in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung und im Asset Management. Dem gegenüber stehen erhebliche negative Auswirkungen für den gesamten Finanzplatz. Die notwendige Übernahme des EU-Rechts hätte einen weitreichenden Umbau des nationalen Finanzmarktrechts, einen massiven Bürokratieschub und hohe Kosten für alle 
Akteure zur Folge.

Was wĂĽnschen sich Kantonalbanken von der Politik?

n Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Schweizer Bankenplatzes ist – wie erwähnt – seine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Finanzinstituten. Damit diese erhalten bleibt, braucht es eine verhältnismässige und differenzierte Finanzmarktregulierung. Die unterschiedlichen Banken dürfen nicht alle über einen Leisten geschlagen werden. Daneben muss die Politik generell die Überregulierungstendenzen eindämmen. Für einen starken Wirtschaftsstandort Schweiz brauchen wir attraktive Rahmenbedingungen. Dies bedeutet: Kein Regulieren auf Vorrat, keine ineffizienten Regelwerke und keine unnötige Bürokratie!

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Hanspeter Hess ist Direktor des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken mit Sitz in Basel. In dieser Funktion vertritt der 53-jährige Ökonom die Interessen aller 24 Kantonalbanken gegenüber Politik, Branchenverbänden und Öffentlichkeit.

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