Publiziert am: 15.06.2018

Das Ende der Sonntagsreden

LOHNKONTROLLEN – Viele Politiker – auch vermeintlich Bürgerliche – singen im Wahlkampf gerne das 
Hohelied der KMU. Sobald sie aber liefern müssten, entscheiden sie sich dennoch für statt gegen neue 
Gesetze. So geschehen im Ständerat: Er sagt nun Ja zu Lohngleichheitsanalysen – und zu mehr Bürokratie.

Nachdem der Ständerat in der Frühjahrssession die Revision des Gleich­stellungs­gesetzes mit der Begründung, alternative Modelle der Selbstdeklaration auf ihre Realisierbarkeit zu überprüfen, an die vorberatende Kommission zurückgewiesen hatte, beschloss er in der Sommersession, die restriktive Vorlage des Bundesrates weitgehend zu übernehmen (vgl. sgz vom 1. Juni).

Der Bundesrat fordert in seinem Antrag, dass Unternehmen mit 50 oder mehr Angestellten alle vier Jahre eine Analyse auf Lohngleichheit im Unternehmen durchführen, diese von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen und über das Resultat informieren müssen. Damit soll der verfassungsmässige Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit durchgesetzt werden.

Auf zwölf Jahre befristet

Der Beschluss des Ständerates geht etwas weniger weit als jener des Bundesrates. Er sieht vor, dass sowohl private wie auch öffentliche Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden eine Lohngleichheitskontrolle durchführen und diese überprüfen lassen müssen. Spätestens neun Jahre nach Inkrafttreten soll das Gesetz evaluiert werden. Zudem soll es auf zwölf Jahre befristet werden.

Arbeitgeber des öffentlichen Sektors sollen verpflichtet werden, die 
Ergebnisse und Einzelheiten der Lohngleichheitsanalysen zu veröffentlichen. Diese Variante obsiegte mit 27 zu 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Vertreterinnen und Vertreter von SP, CVP, Grünen und BDP verhalfen dieser neuen Arbeitsmarktregulierung zum Durchbruch, während die Standesvertreter aus der FDP (deutsche Schweiz) und der SVP sie ablehnte. Die FDP-Vertreter der lateinischen Schweiz enthielten sich der Stimme oder stimmten im Falle von Raphaël Comte (FDP, NE) zu.

Ein Minderheitsantrag aus der FDP wollte Unternehmen mit 
mehr als 100 Mit­arbeitenden lediglich dazu verpflichten, in einer Selbstdeklaration zu bestätigen, dass sie die Lohngleichheit ein­halten. Die Analysemethode sollen sie frei wählen können. Er wurde abgelehnt.

 

Neue Analyse-
industrie entsteht

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv stellt einmal mehr ernüchtert fest, dass das Hohelied auf die KMU und auf eine tiefe administrative Belastung zwar im Wahlkampf und in den Sonntagsreden gesungen wird, im konkreten politischen Alltag aber keine Rolle spielt. Laufend werden den Unternehmen neue Verpflich­tungen auferlegt. Mit dem Entscheid des Ständerates wird eine neue Analyse­industrie geschaffen. Die Kosten werden einmal mehr auf die betroffenen Unternehmen überwälzt.

«Die KMU werden die neue analyse-
industrie bezahlen müssen – wer sonst?»

Der sgv steht selbstverständlich hinter dem verfassungsmässigen Auftrag der Gleichbehandlung. Der nicht erklärbare Lohnunterschied ist auch kontinuierlich am Sinken, wie der Bundesrat selbst feststellt. Zudem kann bereits heute auf Lohn­dis­kriminierung geklagt werden, weshalb es keine neuen Kontrollregulierungen braucht. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat. Er wird die Gelegenheit haben, diesen Entscheid wieder umzustossen.

Dieter Kläy, 
Ressortleiter sgv

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