Publiziert am: 02.06.2017

Das Gute an schlechter Kritik

SOZIALE ZURÜCKWEISUNG – Wer einen sozialen Ausschluss erlebt, benötigt nur ein Minimum an Aufmerksamkeit, um sich besser zu fühlen. Sogar eine negative Reaktion ist besser als gar keine.

Abgelehnt und zurückgewiesen wird niemand gerne. Gerade bei einer ausgeschriebenen Arbeitsstelle ist es klar, dass am Ende nur eine Person den Zuschlag erhält. Eine Absage dagegen kommt einem sozialen Ausschluss gleich, der oft negative Gefühle auslöst. Aus der Forschung ist bekannt, dass Menschen schon auf kleinste Anzeichen von sozialer Ausgrenzung sehr sensibel reagieren. Dadurch werden nämlich fundamentale Bedürfnisse gefährdet, zum Beispiel Kontrolle, Selbstwertgefühl und Zugehörigkeit. Auch die eigene Wahrnehmung, eine Bedeutung für andere zu haben, wird bedroht.

Psychologen der Universität Basel und der Purdue University (USA) haben nun untersucht, welche Faktoren zu einer Verbesserung von negativen Gefühlen nach einer sozialen Ausgrenzung führen.

Aufmerksamkeit hilft

Die Forscher analysierten das Ver-halten von Personen, die zunächst ausgeschlossen und anschliessend wieder integriert wurden. Einerseits mittels virtuellem Ballspiel, bei dem die Teilnehmenden absichtlich nicht angespielt wurden, und andererseits durch eine fiktive Wohnungssuche, in der eine Absage durch das Übermitteln von netten, neutralen und unfreundlichen Nachrichten überbracht wurde.

In allen Untersuchungen zeigte sich, dass bereits kleinste Zeichen von Aufmerksamkeit die schlechten Gefühle einer Ausgrenzung lindern konnten. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Art der Anerkennung positiv oder negativ ausgefallen ist, Hauptsache ein Zeichen der Aufmerksamkeit erreichte die Personen. Genau gleich schnell und mit derselben Sensibilität wie sich Menschen ausgeschlossen und isoliert vorkommen, wirken sich also auch die positiven Zeichen der Wiedereingliederung und der Aufmerksamkeit auf das persönliche Befinden aus.

Ein «Nein» ist besser als keine Antwort

Der Aufmerksamkeit kommt auch eine grosse Bedeutung in den Auswahlprozessen zu. «Um diese so angenehm wie möglich zu gestalten, sollten Personalverantwortliche, Universitäten oder Vermieter wissen, dass sie abgelehnten Kandidaten ein Mindestmass an Aufmerksamkeit, etwa mit einem Brief oder einer Mail, entgegenbringen sollten», sagt Selma Rudert, Studienautorin von der Universität Basel.

Wird ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz zu recht kritisiert, ist er längerfristig immer noch zufriedener als wenn keine Rückmeldung kommt. Ein «Nein» ist also besser als gar keine Antwort. Es ist die generelle Kritik, die von den betroffenen Menschen wahrgenommen wird. Beratungsinstitutionen, die sich mit Mobbing am Arbeitsplatz oder Schulen auseinandersetzen, sollten deshalb verstärkt der Frage nachgehen, ob eine Person ignoriert wird. Soziale Zurückweisung kann ebenso schlimme psychische Auswirkungen haben wie Aggression oder Mobbing.

uhl

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