Publiziert am: 15.12.2017

Das «Korsett» wird immer enger

VIEHHÄNDLER-VERBAND – Reglementierungen und Kontrollen prägen immer mehr das Berufsbild des Viehhändlers. Der Verband setzt sich daher für einen massiven Bürokratieabbau ein. Er beschäftigt sich mit der Zukunft, die Richtung Digitalisierung tendiert.

Während der Viehhandel früher lokal und regional verankert war, hat er sich mittlerweile auf die gesamte Schweiz ausgebreitet. Dazu Peter Bosshard, Geschäftsführer des Schweizerischen Viehhändler Verbandes SVV: «Früher haben viele Bauern den Viehhandel noch nebenbei betrieben, während jetzt zahlreiche Firmen dies als Haupttätigkeit ausführen.» Es hat ein Strukturwandel stattgefunden. «Die Betriebe sind zurückgegangen und auch das Handelsvolumen ist rückläufig», stellt Bosshard fest. Er führt dies unter anderem auf eine schwierige Nachfolgeregelung zurück: «Es ist für uns eine grosse Herausforderung, Nachwuchs zu rekrutieren, da der Viehhandel sehr kapitalintensiv ist und wir immer wieder mit Hindernissen wie neuen Regulierungen und Vorschriften kämpfen müssen.»

Die viehwirtschaftlichen Märkte präsentieren sich zurzeit unterschiedlich: Während Rinder und Kälber ein gutes Image haben und dementsprechend ihre Marktsituation erfreulich ist, herrscht bei den Schweinen eine Überproduktion und eine angespannte Marktlage. Bei den Schafen liegt gemäss Bosshard der Selbstversorgungsgrad unter 50 Prozent. Zuoberst auf der Fleisch-Menükarte von Frau und Herr Schweizer steht das Schweinefleisch. «Allerdings ist der Fleischverzehr auch dieses Jahr rückläufig», weiss Bosshard. Die jungen Landwirte wollen eine transparente Vermarktung der Produkte. Dabei greifen sie auf die Tierverkehrsdatenbanken zurück, um zu sehen, wie die Handelswege sind. Für den SVV ist dies eine Zeiterscheinung, «deren Signale ernst genommen werden müssen», betont Bosshard.

Antibiotika-Einsatz in Relation zum Tierwohl

Der Antibiotika-Einsatz ist in der Nutztierproduktion und Humanmedizin ein vieldiskutiertes Thema, mit dem sich der Verband auseinandersetzt und in das er auch mitbestimmend involviert ist. Als Projektleiter der Schweine Plus-Gesundheitsprogramme setzt sich Bosshard dafür ein, dass «der Antibiotikaeinsatz in Relation zum Tierwohl und zur Leistung der Tiere erfolgt». Die Schweizer Landwirtschaft habe zwischen 2008 und 2016 den Einsatz von Antibiotika um über 45 Prozent gesenkt. Der Handel kann dabei eine entscheidende Rolle spielen, indem direkte Vermarktungswege angestrebt werden. «So haben die Tiere weniger Stress und die Durchmischung mit anderen Tieren kann möglichst gering gehalten werden. Damit wird das Risiko einer Infektion gesenkt», erklärt Bosshard. Er hält aber fest: «Eine Antibiotika-Reduktion muss immer in Kombination mit der Entwicklung der Leistungs- und Gesundheitsdaten beurteilt werden. Dabei gilt: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig.»

Strenge Tiertransport-Kontrollen

Ein äusserst sensibles Thema ist der Tiertransport. Der Verband wendet in enger Zusammenarbeit mit der ASTAG viel Zeit und Energie auf, um die «Spielregeln» der Tiertransporte so offen wie möglich zu gestalten. Es ist aber unverkennbar, dass das «Korsett» der Reglementierungen immer enger wird. «Die gesetzlichen Bestimmungen für die Tiertransporte in der Schweiz erfüllen einen extrem hohen Standard. Wir haben mit Abstand die tiefsten Sterberaten während dem Transport und die Fahrzeuge sind bezüglich Tierwohl optimal ausgestattet», sagt Bosshard, und er ergänzt: «Im Vergleich zur EU fahren wir nur kurze Distanzen und die Kontrollen sind sehr streng.» Im Auftrag von Bund und Kantonen müssen Viehhändler und Tiertransporteure obligatorisch aus- und weitergebildet werden. «Das sind pro Jahr rund 1500 Leute. Wir haben hier eine Null-Toleranz. Tierschützer sowie die Bevölkerung haben bei dieser Thematik den Fokus auf uns gerichtet», betont Bosshard. Auf politischer Ebene fordert der Verband weniger Reglementierungen und Regulierungen. «Auch wenn wir immer vom Bürokratieabbau sprechen, so ist dies leider nicht der Fall. Die zunehmenden Kontrollen der Vollzugsorgane stellen für uns ein immer grösseres Problem dar», sagt Bosshard. Und er doppelt nach: «Wir wollen verhältnismässige und risikobasierende Kontrollen nach Augenmass. Nur so bleiben wir glaubwürdig.» Ebenso setzt sich der Verband dafür ein, dass der Wettbewerb bestehen bleibt, sowie für eine Zusammenarbeit mit der ganzen Wertschöpfungskette von der Produktion über Handel und Verwertung bis hin zum Abnehmer. Die Digitalisierung macht auch vor dem Viehhandel keinen Halt und ist eine grosse Herausforderung. Sie ist Segen und Fluch zugleich. «Gerade in unserem traditionellen Beruf müssen wir offen für Neues sein, beispielsweise, wenn es um den papierlosen Tierverkehr (eBegleitdokument) geht», sagt Bosshard.

Digitalisierung als grosse
Herausforderung

Die Digitalisierung dürfe aber auf der anderen Seite den Wettbewerb nicht ausschalten. «Wir müssen aufpassen, dass der Handel nicht durch elektronische Hilfsmittel wie beispielsweise eine App, mit der Tiere direkt zum Verkauf angemeldet werden können, ausgeschaltet wird», warnt Bosshard.

Auf die Zukunft angesprochen, ist für Bosshard klar, dass der freie Viehhandel unverzichtbar ist. «Er ist ein wichtiger Baustein in der Wertschöpfungskette Fleisch und ein Garant für den freien Wettbewerb.»

Corinne Remund

DER SVV KURZ ERKlÄRT

100-Jahr-Jubiläum

Der Schweizerische Viehhändler Verband SVV wurde am 13. Mai 1917 in Olten gegründet. Damals wollte man sich gemeinsam gegen die übermächtige Staatsgewalt respektive gegen die staatlichen Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit zur Wehr setzen. Ein weiterer Hauptgrund für den Zusammenschluss war indessen, dass der Bundesrat den Handel zwischen Händlern – den sogenannten Kettenhandel – untersagte und zugleich die Konzessionierung des Viehhandels verfügte. Der Verband setzt sich auf politischer Ebene für marktkonforme Spielregeln ein und gestaltet Branchenlösungen mit.

Zu den diversen Dienstleistungen zugunsten der Branche gehören eine fundierte Aus- und Weiterbildung sowie ISO-Zertifizierungen, Versicherungen, Rechtsberatungen sowie das Warten und Betreuen von EDV-Systemen etc. Der Verband pflegt auch den Austausch mit anderen Verbänden und Organisationen und ist national und international bestens vernetzt. Schweizweit umfasst der Verband rund 740 Mitglieder und deckt so einen Organisationsgrad von 70 Prozent ab. Bei den Mitgliedern handelt es sich um Viehhändler oder Viehhandelsfirmen. In der Branche arbeiten zwischen 4000 und 5000 Leute. Sie generiert jährlich einen Umsatz von zwei Milliarden Franken.CR

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