Publiziert am: 12.08.2022

Das müssen KMU beachten

Aktienrecht – 2023 tritt das revidierte Aktienrecht in Kraft. Dieses eröffnet allen Aktiengesellschaften neue Möglichkeiten, schafft aber auch Anpassungsbedarf. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick.

Am 1. Januar 2023 werden wesentlich revidierte Bestimmungen des Aktienrechts in Kraft treten. Diese eröffnen allen Aktiengesellschaften in der Schweiz (per Anfang 2022 immerhin 229 736 Gesellschaften) neue Möglichkeiten, schaffen aber bei einigen auch Anpassungsbedarf. In beiderlei Hinsicht können Überarbeitungen der Statuten notwendig werden. Zahlreiche Möglichkeiten können aber auch ohne Anpassung der Statuten genutzt werden.

Der vorliegende Beitrag hebt ausgewählte Neuerungen – das revidierte Aktienrecht umfasst noch einige mehr – hervor, die für private KMU von Bedeutung sein dürften. Weil die Bestimmungen des Aktienrechts zum Teil auch für die GmbH gelten, können die revidierten Bestimmungen des Aktienrechts auch für diese Gesellschaften bedeutsam sein.

Zeit bis Ende 2024

Die Gesellschaften haben lediglich zwei Jahre Zeit, also bis Ende 2024, um ihre Statuten (und Reglemente) in Einklang mit den neuen Vorschriften zu bringen. Danach, also ab 2025, verlieren Bestimmungen in Statuten (und Reglementen), die den neuen Vorschriften widersprechen, ihre Geltung.

Die Überlegung, ob Anpassungsbedarf besteht, dürfte sich angesichts der nachfolgend aufgezeig-ten Möglichkeiten für jedes KMU lohnen.

Aktienkapital: neu auch in Fremdwährungen zulässig

Neu ist es zulässig, das Aktienkapital in einer Fremdwährung (entweder USD, EUR, GBP oder JPY) zu führen. Gerade für Gesellschaften, für deren Geschäftstätigkeit eine ausländische Währung wesentlich ist, kann dies eine interessante Möglichkeit sein. Zu beachten ist, dass ein rückwirkender Wechsel der Währung wohl nicht möglich ist.

Der verlangte Mindestnennwert einer Aktie beträgt nicht mehr 1 Rappen, sondern muss lediglich grösser als 0 sein.

Sodann wird das Institut des Genehmigten Aktienkapitals durch das Kapitalband ersetzt. Dieses wird durch die GV beschlossen und räumt dem VR die Flexibilität ein, das Aktienkapital innerhalb einer bestimmten Bandbreite (±50%) zu erhöhen und zu reduzieren. Gesellschaften, die ein genehmigtes Aktienkapital haben und dies erneuern wollen, sodass es für weitere zwei Jahre Gültigkeit hat, können beziehungsweise müssen dies noch im Jahr 2022 tun. Ab dem 1. Januar 2023 kann nur noch das Kapitalband beschlossen werden.

Aktionärsrechteund Dividende

Aktionäre, die (alleine oder zusammen) über fünf Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen, dürfen die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen für die GV verlangen oder einen Antrag zu einem Traktandum stellen. Bei zahlreichen Gesellschaften dürfte dieser Wert zurzeit statutarisch bei zehn Prozent festgelegt sein und wäre daher zu reduzieren. Alternativ kann eine solche Bestimmung auch gelöscht werden, da die neue gesetzliche Schwelle ohnehin zwingend Geltung haben wird.

In nicht börsenkotierten Gesellschaften können Aktionäre, die über mindestens zehn Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen, jederzeit (und nicht wie bisher nur an der GV) vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen.

Das revidierte Recht erklärt Zwischendividenden explizit für zulässig. Somit können unter bestimmten Bedingungen Gewinne des noch laufenden Geschäftsjahres ausgeschüttet werden.

Geschäftsbericht und GV

GVs können rein in elektronischer Textform, beispielsweise per E-Mail, einberufen werden. Die Statuten müssen diese Art der Kommuni-kation mit den Aktionären jedoch vorsehen. Es besteht keine Pflicht mehr, die Aktionäre schriftlich darüber zu informieren, dass der Geschäftsbericht zur Einsicht aufliegt.

Ebenfalls zulässig ist, dass der Jahresbericht den Aktionären rein elektronisch zugestellt wird.

Explizit für zulässig erklärt wird, die GV im Ausland abzuhalten, sofern die Statuten dies vorsehen. Zumindest für die üblichen, nicht beurkundungspflichtigen Beschlüsse, dürfte dies eine willkommene Flexibilisierung darstellen.

Im Übrigen kennt das revidierte Recht vier Formen der GV: (1) klassisch persönlich, (2) virtuell, also rein elektronisch ohne physischen Tagungsort, zum Beispiel via Videokonferenz, (3) hybrid, das heisst, einige Aktionäre sind physisch, andere elektronisch anwesend; und (4) – unter bestimmten Bedingungen – in Schriftform auf dem Zirkularweg (auf Papier oder in elektronischer Form).

Gerade bei Gesellschaften mit wenigen Aktionären kann das Problem der Pattsituation bei Entscheidungen der GV auftauchen. Für diesen Fall können die Statuten vorsehen, dass der oder die Vorsitzende den Stichentscheid hat.

Verwaltungsrat: Arbeitsweisevereinfacht und modernisiert

Der Pflichtenkatalog des VR wurde leicht überarbeitet. Das Gesetz verdeutlicht neu, dass der Verwaltungsrat nötigenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung einreichen oder bei Überschuldung das Gericht benachrichtigen muss, soweit nicht rechtsgenügliche Rangrücktritte eingeholt werden können.

Überdies muss er die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft überwachen und bei drohender Zahlungsunfähigkeit mit gebotener Eile Massnahmen ergreifen. Beide vorgenannten Pflichten können eine Haftung des VR begründen.

Dafür wird die Arbeitsweise des VR vereinfacht und modernisiert. Neu ist es zulässig, dass der VR Beschlüsse auf dem elektronischen Zirkularweg fasst, soweit kein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Das bedeutet, dass ohne Weiteres ein Beschluss via E-Mail ohne Unterschrift der VR-Mitglieder gefasst werden kann.

Roman Aus der Au*

Dr. iur. Roman Aus der Au ist Rechtsanwalt, M. A. HSG in Law and Economics und als Associate bei Kellerhals Carrard Zürich KlG spezialisiert auf das Aktienrecht.

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