Publiziert am: 13.08.2021

«Das Vertrauen der Jungen gewinnen»

PROPARIS – sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler präsidiert für die nächsten vier Jahre proparis – die wichtigste Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge des Schweizer Gewerbes.

Schweizerische Gewerbezeitung: Herr Bigler, die Stiftungsversammlung hat Sie mit Applaus zum Präsidenten von proparis gewählt. Ist das eine schwierige Aufgabe, die Sie da übernehmen? Oder eher ein Selbstläufer?

Hans-Ulrich Bigler: Ein Selbstläufer ist es sicher nicht. Immerhin trägt der Stiftungsratspräsident von proparis Verantwortung für die wichtigste Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge im Schweizer Gewerbe. Es wäre komplett falsch, das auf die leichte Schulter zu nehmen.

Sie kennen proparis quasi aus dem Effeff. Sie präsidierten die Stiftung bereits von 2013 bis 2017. Dann wechselte das Präsidium turnusgemäss zu den Arbeitnehmern, und Sie waren der Vizepräsident. Da gibt’s nicht mehr viel Neues, oder?

Wie Sie wissen, tut sich die Politik mit Reformen in der Altersvorsorge überaus schwer. Das fordert alle, auch uns bei proparis. Es herrscht ein eigentlicher Reformstau, und die damit verbundenen Herausforderungen und Probleme werden stetig noch grösser: Bei der AHV und in der 2. Säule ist die Finanzierung langfristig nicht gesichert. Einerseits steigt die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz nach wie vor weiter an. Das ist ja eigentlich erfreulich. Bloss müssen halt die zusätzlichen Rentnerjahre finanziert sein, zum Beispiel durch hohe Zinsen und Anlageerträge. Und hier sieht’s ziemlich düster aus. Die Zinsversprechen der Vorsorgewerke an die Versicherten sind angesichts der weltweit anhaltend tiefen Zinsen auf Anlagegeldern noch immer deutlich zu hoch. Dies führt unter anderem in der 2. Säule zu einer unerwünschten Umverteilung von den aktiven Versicherten zu den Rentnerinnen und Rentner. Auch bei proparis. Und die Zinsen dürften noch einige Zeit tief bleiben. Die Negativzinsen der Schweizer Banken werden uns wohl noch eine Weile begleiten.

Bezahlt proparis Minuszinsen?

Bis Ende 2020 konnten wir das vermeiden. Aber seit 2021 werden uns auf dem Delta der ausgehandelten Freigrenzen tatsächlich Minuszinsen verrechnet. Zudem sind die Zinsen, die uns die Versicherungsgesellschaften für die im Versicherungsteil angelegten Gelder offerieren, in den letzten Jahren markant gesunken. Heute liegen sie in wesentlichen Teilen unter einem Prozent. Das ist ein grosses Problem, vor allem wenn Sie wie proparis einen Grossteil der ­anvertrauten Gelder so versichert haben. Deshalb haben wir als teilautonome Sammelstiftung in den letzten Jahren den Anteil der in eigener Verantwortung getätigten Selbstanlagen deutlich erhöht. Und der Trend dürfte auch in den nächsten Jahren noch weiter in diese Richtung gehen. Dadurch, dass wir das Cashmanagement nun selber in der Hand haben, akzentuiert sich für uns die Zinsthematik zusätzlich.

Die an der Stiftungsversammlung präsentierten Zahlen zeigen das Bild einer überaus gesunden Sammelstiftung. Auch den angeschlossenen Vorsorgewerken geht es gut. Täuscht dieses Bild?

Nein, das Bild täuscht nicht. proparis steht heute sehr gut da: gut finanziert, mit guten Reserven und gutem Deckungsgrad. Und auch die Versichertenstruktur mit einem hohen Anteil von aktiven Versicherten ist vergleichsweise günstig. Von daher passt der bekannte Slogan nach wie vor bestens: proparis – sicher wie die Schweiz. Aus Sicht des neugewählten Präsidenten sind das natürlich sehr gute Voraussetzungen. Die ­grosse Herausforderung ist es, diese Position weiter zu stärken, trotz des erwähnten schwierigen Umfelds.

Was macht proparis besser als andere?

Ich vergleiche nicht mit anderen. Für proparis sehe ich aber vier wesentliche Stärken, welche die Sammelstiftung auszeichnen. Erstens die ­gute Verankerung und die breite Abstützung innerhalb des Schweizer Gewerbes; das garantiert grosse Stabilität. Zweitens die schlanke und zielorientierte Organisation; das ermöglicht Effizienz und gibt den Versicherten die Gewissheit, dass das Geld auch tatsächlich zu ihrem maximalen Nutzen eingesetzt werden kann. Drittens die Zusammenarbeit und Absicherung mit grossen Schweizer Privatversicherern; das schafft hohe Sicherheit. Und viertens die gute und enge Zusammenarbeit der Sozialpartner im Rahmen der Parität; das ergibt umsichtige und ausgewogene Lösungen, die alle mittragen.

Was die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern betrifft: Merken die über die Vorsorgewerke angeschlossenen Versicherten eigentlich, ob der Stiftungsratspräsident ein Vertreter der Arbeitgeberseite oder der Arbeitnehmerseite ist? Was ändert sich für die Versicherten, wenn Sie jetzt den Gewerkschafter Aldo Ferrari ablösen?

Für die Versicherten ändert sich gar nichts. Der Wechsel im Präsidium soll so erfolgen, dass dies ausserhalb des Stiftungsrats eigentlich gar nicht von Bedeutung sein soll. Das ist bei proparis nicht anders als bei anderen Organisationen mit paritätischen Organen. Die gute und enge Zusammenarbeit, die ich gelobt habe, funktioniert so, dass wir innerhalb des Stiftungsrates sehr offen und direkt diskutieren. Aufgabe von paritätischen Gremien ist die Erarbeitung von guten und tragfähigen Kompromisslösungen. Wobei beide Teile des Begriffsgefüges wichtig sind: Es braucht den Kompromiss, den alle mittragen können. Aber es ist ebenso wichtig, dass dieser Kompromiss auch einen echten Beitrag leisten kann zur Problemlösung. Ein Kompromiss ist nur gut, wenn er zur Lösung des Problems führt.

Und wie schaffen Sie das?

Je besser eine Diskussion abgestützt ist auf Zahlen, Daten und Fakten, desto besser dürfte die Kompromisslösung dann geeignet sein, die sich stellenden Fragen und Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Ich darf an dieser Stelle dem proparis-Stiftungsrat und insbesondere auch meinem Vorgänger im Amt, Aldo Ferrari, mit Überzeugung ein Kränzchen winden. Die Qualität der Diskussionen, die wir führen, erachte ich als bemerkenswert gut. Und Zahlen, Daten und Fakten spielen dabei selbstverständlich die zentrale Rolle. Das hat mein Vorgänger im Amt so gemacht, und das werde ich nicht anders machen. Erlauben Sie, dass ich mich hier bei den Mitgliedern unseres Stiftungsrates bedanke für diese gute Qualität, mit der wir diskutieren.

Sie haben eingangs die schwie­rigen Rahmenbedingungen erwähnt rund um den Reformstau in der Politik. Was müsste Ihrer Meinung nach jetzt geschehen?

Wir müssen dafür sorgen, dass sich auch die Jungen, die heute oder erst in ein paar Jahren ins Berufsleben einsteigen, betreffend ihrer beruflichen Vorsorge gut und sicher fühlen können. Da stehen wir vor grossen Aufgaben. Sie betreffen das ­ganze System der beruflichen Vorsorge in der Schweiz. Es geht um Vertrauen, das wir bei den Jungen gewinnen müssen. Mit Taten, nicht mit Worten. Wenn wir das nicht schaffen, sehe ich schwarz für unsere künftige Altersvorsorge.

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