Publiziert am: 04.07.2014

Den Verstand nicht ausschalten

MEDIKAMENTENPREISE – Der Geschäftsführer der Generika-Hersteller zu den Diskussionen über die Kosten der Medikamente in der Schweiz.

Im deutschen Sprachgebrauch gibt es eine Fülle von Redewendungen rund um das Thema Gesundheit. Wie steht es um deren Gültigkeit angesichts der zum Teil giftig geführten Debatten zu den Medikamentenpreisen? Peter Huber, Geschäftsführer Intergenerika, macht sich Gedanken zu einigen Volksweisheiten.

«PREIS-DUMPING HAT IRGENDWANN EINE GRENZE.»

«Die Gesundheit ist 
das Wichtigste»

Diese Einschätzung geht uns in Gesprächen mit Freunden und Bekannten ganz selbstverständlich über die Lippen. Dass dem so ist, bekommen die zu spüren, welche nicht oder nicht mehr gesund sind. Doch, Gesundheit hat ihren Preis – und dieser steigt angesichts steigender Gesundheitskosten weiter an. Gegensteuern scheint unvermeidbar. Aber muss es gerade bei den Generika sein, die jetzt schon eine Milliarde Franken pro Jahr an Einsparungen und die nur einige wenige Prozente zu den Kosten beitragen? Und wo hört das gesunde Mass auf? Denn wer bezahlt den Preis für übertriebene Einschnitte in das Gesundheitssystem nach dem Billigstprinzip? Gemäss einer aktuellen Studie und Erfahrungen aus Deutschland tun wir das alle zusammen: Beim einem Systemwechsel auf Billigstmedikamente stehen kurzfristigen Kosteneinsparungen langfristige Nachteile für alle Beteiligten gegenüber – Versicherer, Ärzte, Apotheke, Hersteller und vor allem Patienten.

Preis-Dumping hat irgendwann eine Grenze. Sind sich Preisüberwacher und alle die, welche permanent die zu hohen Medikamentenkosten anprangern, wirklich der Konsequenzen bewusst? Welche Szenarien sind zu erwarten, wenn wir die Sache mal bis zum Ende durchdenken? Unternehmen haben irgendwann keine Anreize mehr, in die Entwicklung und Innovationen zu investieren. Arbeitsplätze und damit Wertschöpfung werden ins Ausland verlagert. Nicht zu sprechen von den Auswirkungen für die Patienten.

«DIE FREIHEIT ZU 
WÄHLEN IST NICHT 
EIN LUXUS.»

«Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit»

So verschieden wir Menschen sind, so unterschiedlich sind auch Krankheitsbilder und -verläufe – und damit verbunden die Therapieformen. Deshalb muss bei der Auswahl des am besten geeigneten Medikamentes Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten genommen werden. So entsteht Vertrauen zwischen Ärzten und Apothekern und den Patienten und nicht zuletzt auch zum Medikament. Und nur wenn der Patient seine Krankheit und seine Behandlung versteht, geht er richtig damit um. Die Behandlung endet eben nicht mit der Abgabe der Arzneimittelschachtel, sondern erst wenn die Tablette auch richtig eingenommen wird und die gewünschte Wirkung entfalten kann.

Verordnete Therapieumstellungen – das zeigen beispielsweise Erfahrungen aus Holland – können zu Verunsicherung von Patienten, Fehlmedikationen, Einnahmefehlern und Therapieabbrüchen führen. Die Freiheit zu wählen ist nicht ein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für eine richtig durchgeführte Therapie und die Heilung.

Das unterstützt auch die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, was eine Ende 2013 durchgeführte repräsentative Befragung von 1000 Schweizerinnen und Schweizern beweist. Demnach pochen drei Viertel der Schweizer Bevölkerung auf die Wahlfreiheit bei Medikamenten und lehnen das Billigstprinzip ab. Das gilt generell, wir wollen nicht amtlich verordnet einen Dacia fahren (obwohl der auch gut läuft) oder täglich an der Imbissecke eine Bratwurst essen (obwohl die auch satt macht). Schweizer Bürger sind mündig und wollen ihre Wahlfreiheit nicht aufgeben.

«Gesundheit ist 
der grösste Reichtum»

Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Während in den USA um eine Einführung einer Krankenversicherung gerungen wird und in vielen Teilen Europas die Qualität der Gesundheitsversorgung erodiert, sägen wir in der Schweiz zum Teil am eigenen Ast. Es ist allgemein anerkannt, dass unsere Gesundheit das Wichtigste im Leben sei. Deshalb wollen wir eine qualitativ hochwertige Versorgung für alle und überall; die Zweiklassenmedizin ist verpönt, oder kurz gesagt: Das Beste für alle und überall, aber bitte subito! Bei einer solchen Erwartungshaltung können relativ hohe Kosten nicht überraschen, oder?

«WENN ES UM DIE GESUNDHEIT GEHT, IST GEIZ NICHT GEIL.»

Dürfen die Krankenversicherungsprämien wirklich nicht so hoch sein wie die Ausgaben für das Auto? Also bitte nicht über das Ziel hinausschiessen. Wenn es um die Gesundheit geht, ist Geiz nicht geil. Unsere Medikamente haben ihren Preis, aber ein gutes Preis/Leistungs-Verhältnis. Zudem nehmen die Medikamentenkosten nur einen sehr kleinen und rückläufigen Anteil an den gesamten Gesundheitskosten der Schweiz ein. Unabhängig von Partikularinteressen sollten wir es am Schluss nicht am gesunden Menschenverstand mangeln lassen. Die Forderung nach massvollen Einsparungen hat ihre Berechtigung. Wenn man konsequent Originalpräparate durch Generika ersetzte, würden zusätzlich weit über 150 Millionen pro Jahr zugunsten der sozialen Krankenversicherung eingespart, und das nota bene ohne Planwirtschaft und Billigstprinzip.

«Gesundheit schätzt man erst, wenn man sie verloren hat»

Dasselbe würde wohl auch beim Gesundheitssystem zutreffen. In der Schweiz haben wir viele Errungenschaften, um die uns die Welt beneidet. Neben der direkten Demokratie ragen das auf drei Säulen basierende Vorsorgesystem und natürlich unser erstklassig funktionierendes Gesundheitssystem heraus. Damit das so bleibt und damit die Kosten nicht weiter ausufern, müssen auch die Patientinnen und Patienten mehr Kostenbewusstsein entwickeln und z. B. bei der Pharmakotherapie nach kostengünstigen Alternativmedikamenten fragen.

«PATIENTEN MÜSSEN MEHR KOSTENBEWUSSTSEIN ENTWICKELN.»

Damit helfen sie den Kassen dabei, Kosten zu reduzieren. Aktuell führen die Generika zu Einsparungen von rund einer Milliarde Franken pro Jahr. Weitere rund 200 Millioen wären zu holen, wenn die patentfrei gewordenen Originalprodukte konsequent durch Generika ersetzt würden. Zur besseren Motivation für solche Einsparungen dient das System des differenzierten Selbstbehalts. Es zwingt die Patienten in moderater Weise, die wirtschaftliche Mitverantwortung wahrzunehmen, ohne dass die Wahlfreiheit verloren geht oder eine Zweiklassenmedizin entsteht. Dieses ausgewogene Modell hat sich bewährt und sollte nicht zugunsten eines Billigstprinzips preisgegeben werden. Dafür setzen wir uns bei Intergenerika ein.

Peter Huber,

Geschäftsführer Intergenerika

Im deutschen Sprachgebrauch gibt es eine Fülle von Redewendungen rund um das Thema Gesundheit. Wie steht es um deren Gültigkeit angesichts der zum Teil giftig geführten Debatten zu den Medikamentenpreisen? Peter Huber, Geschäftsführer Intergenerika, macht sich Gedanken zu einigen Volksweisheiten.

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