Publiziert am: 11.12.2020

Den Zuschlägen die Tür zuschlagen

BVG-REFORM – Rentenzuschläge sind das Kernelement der bundesrätlichen Vorschläge zur Reform der beruflichen Vorsorge. Sie weisen gravierende Mängel auf und sind klar abzulehnen.

Eine Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes auf 6,0 Prozent führt im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu Renten­einbussen von rund 12 Prozent. Diese Einbussen sollen ausgeglichen werden. Dazu will der Bundesrat einerseits den Koordinationsabzug halbieren, und andererseits die Altersgutschriften (Sparbeitragssätze) anpassen. Und er will vor allem Rentenzuschläge einführen, die über ein zusätzliches halbes Lohnprozent zu finanzieren wären.

«JUNGPARTEIEN VON LINKS BIS RECHTS SETZEN SICH ZUR WEHR. DAS IST KEIN ZUFALL!»

Die Rentenzuschläge sollen für die ersten fünf Jahrgänge monatlich 200 Franken betragen, für die nächsten fünf Jahrgänge 150 Franken, dann 100 Franken für weitere fünf Jahrgänge. Wer danach in Pension geht, kriegt «bloss» noch einen Rentenzuschlag, der je nach finanziellen Möglichkeiten zwischen fünfzig und hundert Franken liegen dürfte.

Von Anfang an stark umstritten

Die Rentenzuschläge waren von Beginn an heftig umstritten. Dass der Bundesrat an ihnen festhält, ist unverständlich, werden sie doch «von einem grossen Teil der Vernehmlassungsteilnehmer» abgelehnt. Für diese klare Ablehnung gibt es eine Vielzahl gewichtiger Gründe:

Umverteilung nimmt zu statt ab: Der heutige BVG-Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent führt dazu, dass jährlich rund sieben Milliarden Franken von den Aktiven zu den Rentnern umverteilt werden. Mit der Senkung auf 6,0 Prozent wird diese Umverteilung verringert. Dafür führen die Rentenzuschläge gemäss Botschaft zu einer neuen Umverteilung im Umfang von 24 bis 32 Milliarden Franken (bezogen auf die gesamte Übergangsgeneration). Damit wird das Hauptziel der Reform, der Abbau der systemfremden Umverteilung, krass verfehlt. Statt den Patienten zu heilen, will man ihn nun offenbar vollends vergiften.

Höhere Lohnprozente sind Gift für die Wirtschaft: Ohne Zusatzkosten lässt sich das BVG nicht reformieren. Eine Reform mit Rentenzuschlägen verursacht aber jährliche Mehrkosten von über drei Milliarden Franken. Das ist viel zu teuer, Corona-Pandemie hin oder her. Das zusätzliche halbe Lohnprozent, das zur Finanzierung der Rentenzuschläge eingefordert werden müsste, würde dem Werkplatz Schweiz massiv schaden. Es ist unverständlich, dass sich der Schweizerische Arbeitgeberverband, der sich in der Vor-Vogt-Ära noch mit Händen und Füssen gegen jegliche Erhöhung der Lohnabzüge ein­gesetzt hat, nun plötzlich zum Wasserträger der Gewerkschaften gewandelt hat und sich für Rentenzuschläge, für Lohnprozenterhö­hungen und für einen Ausbau des Sozialstaats einsetzt.

Systemfremd und unvereinbar mit unserem 3-Säulen-Prinzip: Im Gegensatz zur AHV, die eine gezielte Umverteilung anvisiert, ist die zweite Säule so konzipiert, dass jeder Versicherte für sich selbst spart. Von diesem elementaren Grundsatz würde mit der Einführung von zeitlich unlimitierten Rentenzuschlägen abgewichen. Die freiheitlich konzipierte zweite Säule verkäme zu einer Art Mini-AHV und zu einem neuen Umverteilungsapparat mit all seinen negativen Auswirkungen.

Missachtung des Volkswillens: Gemäss Nachwahlbefragungen ist die Altersvorsorge 2020 primär wegen dem AHV-Rentenzuschlag von 70 Franken gescheitert. Wie kann man angesichts dieser klaren Willensäusserung des Souveräns nur auf die Idee kommen, jetzt plötzlich Rentenzuschläge von 200 Franken propagieren zu wollen?

Giesskannenzahlungen: Eine Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes wirkt sich nur auf die Renten im Bereich der obligatorischen Versicherung aus. Alle anderen Renten werden bereits heute grossmehrheitlich mit tieferen Umwandlungssätzen berechnet. Konsequenterweise haben sich die Abfederungsmassnahmen schwergewichtig auf das BVG-Obligatorium zu beschränken. Das tun die Rentenzuschläge aber nicht. Ein kurz vor der Pensionierung stehender Einkommensmillionär müsste nur noch für kurze Zeit höhere Lohnabzüge verkraften. Er bekäme dann aber sein Leben lang eine Zusatzrente von monatlich 200 Franken. Und das, obwohl er nicht darauf angewiesen ist und von der Senkung des BVG-Mindestumwandlungs­satzes auch nicht betroffen ist. Mehr Giesskanne ist kaum mehr möglich.

Generationensolidarität wird überstrapaziert: Die Jungen haben bereits heute erhebliche Opfer zur Finanzierung unserer Altersvorsorge zu erbringen. Mit den Rentenzuschlägen würde die Last, die sie zu tragen haben, abermals schwerer. Die Jungen müssten ihr ganzes Erwerbsleben lang ein zusätzliches halbes Lohnprozent abliefern. Im Rentenalter würden sie dann aber bloss noch mit Rentenzuschlägen abgespeist, die einen Bruchteil jener der Startphase betragen. Mit dieser zusätzlichen massiven Umverteilung von Jung zu Alt würde das Fuder entschieden überladen. Kein Wunder, dass sich alle Jungparteien – von links bis rechts – dezidiert gegen diese BVG-Reform zur Wehr setzen.

Nun liegt der Ball beim Parlament

Rentenzuschläge sind des Teufels! Kein Wunder, dass sie in der Vernehmlassung auf breiten Widerstand gestossen sind. Nachdem sich der Bundesrat uneinsichtig gezeigt hat, liegt es nun am Parlament, die Rentenzuschläge schicklich zu beerdigen. Vorschläge für eine bessere, günstigere und verträglichere BVG-Reform, die eine umfassende Abfederung der Renteneinbussen sicherstellen, liegen auf dem Tisch.

Kurt Gfeller,

Vizedirektor sgv

Vgl. auch Seite 1

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