Publiziert am: 07.02.2020

Der Anfang vom Ende

BVG-REFORM – Nach Experten, Medien und wichtigen Mitgliedern des Arbeitgeberverbands gehen nun auch bürgerliche Parteien auf Distanz zum sogenannten «Sozialpartner­kompro­miss». Derweil geht die Suche nach tragbaren Lösungen weiter.

Seit der Arbeitgeberverband Travail Suisse und der Gewerkschaftsbund Anfang Juli vergangenen Jahres ihren Vorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) präsentiert haben, hagelt es Kritik von fast allen Seiten.

Der sogenannte «Sozialpartnerkompromiss», de facto das vom Arbeitgeberverband unterstützte Gewerkschaftsmodell, sieht unter anderem einen Rentenzuschlag von 200 Franken vor. «Der Vorschlag sorgt für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ist damit auch KMU-tauglich», behaupteten die Urheber der Idee, zudem sei das Modell «einfach, schnell und kostengünstig umsetzbar».

Mit der Brechstange

«Einfach, schnell und kostengünstig»: Offenbar liess sich Bundesrat Alain Berset von solchen Schalmeien einlullen, nachdem Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt sich bei der Präsentation des vermeintlichen «Kompromisses» zur Aussage verstiegen hatte: «Wir haben Bundesrat Berset gebeten, die Lösung genauso zu übernehmen.» Anders ist nicht zu erklären, weshalb der Sozialminister das Gewerkschaftsmodell tel quel übernommen hat – trotz der unüberhörbaren Warnung, dass damit der Volkswille krass missachtet wird. Ganz offensichtlich braucht der Freiburger nach acht Jahren im Bundesrat endlich einen politischen Erfolg und sucht diesen heute mit der Brechstange zu erreichen.

Lektion nicht gelernt

Zur Erinnerung: 2017 hatten die Stimmberechtigten die «Altersvorsorge 2020» bachab geschickt. Dies insbesondere deshalb, weil sie einen Rentenzuschlag von 70 Franken nach dem Giesskannenprinzip vorgesehen hatte. In der BVG-Reform, die Berset Ende 2019 nach dem Copy-and-Paste-Prinzip in die Vernehmlassung geschickt hat, macht er denselben Fehler gleich noch einmal – und legt noch einen drauf: Nun sollen ganze 200 Franken als Kompensation für die Senkung des Umwandlungssatzes bezahlt werden; auch diesmal vor allem auf Kosten der jungen Generation.

Günstigeres sgv-Modell

Das konnte nicht gut gehen. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv war an den Gesprächen beteiligt, hat diesen Lösungsvorschlag aber nie akzeptiert. Stattdessen stellte er umgehend ein eigenes Modell vor; ohne eine Vermischung der 1. und der 2. Säule und ohne Leistungsausbau. Das sgv-Modell ist nicht nur klar günstiger als das Gewerkschaftsmodell, es respektiert auch den Volkswillen. «Es verzichtet konsequent auf jegliche Rentenzuschläge», sagte sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler bei der Präsentation.

«Medizin ist schlimmer als die Krankheit»

Schlechte Noten erhielt das Gewerkschaftsmodell auch von Seiten der Experten und zahlreicher Medien, allen voran die NZZ. Während der Arbeitgeberverband «sein» Modell weiter schönredet, kritisieren indessen selbst seine eigenen Mitglieder den Vorschlag scharf. Nach einer Allianz aus Baumeistern, Detailhändlern und Banken lässt neu auch der Versicherungsverband SVV kein gutes Haar daran: «Die vorgesehene Medizin ist schlimmer als die Krankheit», frotzelt SVV-Präsident Rolf Dörig. Insbesondere der Rentenzuschlag sei ein Fremdkörper in der 2. Säule: «Er erhöht die Bürokratie und senkt die Löhne.»

Ausweg nahe ASIP-Modell?

Auch in den bürgerlichen Parteien herrscht weitgehend Einigkeit, dass mit dem «Kompromiss» kein Staat zu machen ist. Nach der SVP – sie lehnte das Gewerkschaftsmodell von Anfang an ab – sind auch aus der FDP und der CVP kritische Töne zu vernehmen. Sie stützen die Vermutung, dass der «Kompromiss» politisch bald erledigt sein dürfte.

Was tun also? Nebst dem sgv und der «Allianz» hat auch der Pensionskassenverband ASIP einen Vorschlag eingereicht. «Gefragt ist ein Alternativmodell, das vom bürgerlichen Lager und von der Wirtschaft unterstützt wird», sagt sgv-Direktor Bigler. «Falls die ASIP beim Umwandlungssatz auf 6,0 Prozent einschwenken würde, so könnte dies Alain Berset einen Weg aus der selbst gewählten Misere aufzeigen – ohne Umver­teilung, versteht sich!»

Gerhard Enggist

www.sgv-usam.ch

vgl. auch Seite 6

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