Publiziert am: 22.05.2015

Der Bedarf erscheint schier endlos

SCHWEIZ–INDIEN – Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann führte kürzlich eine Schweizer Mission nach Indien. Der ­Schweizerische Gewerbeverband sgv war mit von der Partie. Doch wie attraktiv ist eigentlich der bengalische Tiger?

Mit der Unterzeichnung des Freundschafts- und Niederlassungsvertrags zwischen der Schweiz und Indien im Jahr 1948 wurde bereits kurz nach der indischen Unabhängigkeit eine solide Grundlage für gute Wirtschaftsbeziehungen gelegt. Indien geniesst in der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik eine hohe Priorität; so hat der Bundesrat 2006 eine spezifische Aus­senwirtschaftsstrategie für Indien verabschiedet. Für einen regelmässigen Austausch in Wirtschaftsfragen sorgt die Gemischte Wirtschaftskommission, welche bereits 1959 ins Leben gerufen wurde. Switzerland Global Enterprise ist in Indien (Mumbai) in Form eines Swiss Business Hub präsent. Mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern, steigenden Einkommen und einem enormen Nachholbedarf etwa im Infrastrukturbereich besitzt der indische Markt für die Schweizer Wirtschaft trotz Schwierigkeiten ein riesiges Potential.

Keine Illusionen...

Aus diesem erhöhten Bedarf folgt aber nicht automatisch ein leichter Marktzugang. Indien ist ein extrem durchregulierter Markt. Trotz guter Partnerschaften vor Ort ist es immer noch schwer, den zum Teil widersprüchlichen Regularien im Subkontinent zu entgehen. Der Vollzugsföderalismus ist für viele Unternehmen ein Problem. Die Schweiz bemüht sich zwar, doch ein Freihandelsabkommen ist nicht in Sicht.

Trotzdem ist die Schweiz Nettoexporteur nach Indien, das den 22. Rang der Schweizer Exportstatistik und den 16. beim Import belegt. Das jährliche Handelsvolumen mit Indien, welches knapp ein Prozent des gesamten schweizerischen Warenhandels ausmacht, hat zwischen dem Jahr 2000 und 2011 von 1,26 Milliarden um beinahe das dreieinhalbfache auf 4,29 Milliarden Schweizer Franken zugenommen. Dabei stiegen die jährlichen Schweizer Exporte von 0,66 Milliarden um das viereinhalbfache auf knapp drei Milliarden Franken, während sich die Importe von 0,6 Milliarden auf 1,3 Milliarden Franken in etwa verdoppelt haben.

Die Schweiz exportiert hauptsächlich Edelmetalle, Bijouterie, Maschinen, Pharmaprodukte und chemische Produkte nach Indien. Im Gegenzug importiert sie hauptsächlich chemische Produkte, Textilien, Edelmetalle und Landwirtschaftsprodukte. Aber auch hier ist eine gewisse Vorsicht geboten: In den Jahren 2013 und 2014 gingen die Exporte zurück. Der Grund ist nicht einseitig in der Frankenstärke zu finden, sondern vor allem in er Schwäche der indischen Rupie und in den politischen Ungewissheiten.

…aber doch Chancen

Bei so grossen Schwierigkeiten: Bestehen überhaupt Chancen in Indien? Ja! Für Schweizer Qualitätsprodukte stehen die Chancen sogar sehr gut. Biotech und Medtech sind eigentliche Boombranchen. Aber auch die Metall-, Elektro- und Maschinenbranche sind attraktiv. Denn Indien versucht, die Wertschöpfungsleiter zu erklimmen und innovativere Produkte zu erstellen. Dafür braucht es Investitionen, Komponenten und Wissen aus dem Ausland.

«FÜR SCHWEIZER QUALITÄTSPRODUKTE STEHEN DIE CHANCEN IN INDIEN SEHR GUT.»

Auch Bau, Raumplanung und Umwelttechnik sind wichtige Bereiche. Mit dem Aufstreben einer neuen Mittelschicht steigen planerische Komplexität, aber auch die Erwartungen an Komfort, Energieeffizienz und Umweltschutz. Auch hier tun sich Chancen auf. Indien will in den nächsten Jahren 100 «Smart Cities» in die Höhe ziehen und den Bau günstiger Wohnungen landesweit forcieren. Ohne Investitionen aus dem Ausland ist das nicht zu schaffen, weshalb die neue Regierung die einschlägigen Bestimmungen jüngst in wesentlichen Teilen geändert und die Hürden für ausländische Direktinvestitionen im Baugewerbe deutlich gesenkt hat.

Und so stimmt es auch für Indien: Der Aufstieg des Mittelstandes und die zunehmende Urbanisierung sind Chancen gerade für Schweizer KMU-Qualität.

Henrique Schneider,

Ressortleiter sgv

WIRTSCHAFTSMISSION

Freihandel und
Berufsbildung

Die Schweizer Wirtschaftsmission unter der Leitung von Bundesrat ­Johann Schneider-Ammann besuchte in Indien Industrie- und Cleantechprojekte. Der Schweizer Wirtschaftsminister sprach dabei mit den indischen Ministern für Wirtschaft, Bildung und Innovation. Im Mittelpunkt der Reise standen Freihandel und Berufsbildung.Sc

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