Publiziert am: 15.05.2020

«Der Beruf bleibt attraktiv»

URS WERNLI – Die Corona-Pandemie für die Verbannung des Autos aus den Städten politisch zu instrumentalisieren, sei inakzeptabel, findet der Zentralpräsident des Garagistenverbands Auto Gewerbe Verband Schweiz.

Schweizerische Gewerbezeitung: Wie sind die Schweizer Garagisten von der Corona-Krise bisher betroffen?

Urs Wernli: Wegen der Schliessung der Verkaufsräume bis zum 11. Mai leiden viele unserer Mitglieder unter einem markanten Umsatzeinbruch beim Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen. Indem die Werkstätten während des Lockdowns offen blieben, wird der Einnahmenausfall etwas gemindert.

Entsprechend wichtig für die Branche war die Öffnung der Schauräume diese Woche: Wie haben sich die Garagisten auf diesen grossen Tag vorbereitet?

Die Garagen haben die vom AGVS zur Verfügung gestellten Schutzkonzepte – mit allen nötigen Hygiene- und Abstandsvorgaben – in ihren Werkstätten, Showräumen und Waschanlagen sehr gut umgesetzt und sind bereit, kaufinteressierte Kunden ohne Gesundheitsrisiko zu bedienen. Zudem haben sie gemeinsam mit ihren Importeuren innovative Aktionen und Massnahmen entwickelt, um den Verkauf zu beleben.

Für die Wiedereröffnung waren Schutzkonzepte im Sales- und After-Sales-Bereich, aber auch für den Betrieb von Waschanlagen gefordert. Was bedeutet deren Umsetzung für die Kosten der Arbeit in den Garagen?

Die Umsetzung der Schutzmassnahmen ist organisatorisch, personell und finanziell ein Mehraufwand. So mussten beispielsweise transparente Trennwände, Hygienemasken, Desinfektionsmittel und verschiedenes Schutzmaterial gekauft werden. Mehrkosten fallen auch durch das Desinfizieren von Fahrzeugen, Schlüsseln und Einrichtungen an. Diese Kosten müssen nun zusätzlich erwirtschaftet werden.

Das Autogewerbe musste im April einen historischen Markteinbruch vermelden, und seit Jahresbeginn wurden gut ein Drittel weniger Autos verkauft als im Vorjahr. Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass das bisher Verpasste im Jahr 2020 noch nachgeholt werden kann?

Den Verlust wieder aufzuholen, ist leider nicht möglich. In den nächsten Wochen dürfte der Kauf eines neuen Autos nicht zuoberst auf der Anschaffungsliste stehen. Letztes Jahr wurden 311 000 Neuwagen verkauft. Für dieses Jahr erwartet auto-schweiz ein Verkaufsvolumen von rund 240 000 Autos. Ich gehe davon aus, dass das Gebrauchtwagengeschäft schneller anlaufen wird.

Was bedeutet dieser massive RĂĽckgang fĂĽr die Zukunft der Branche?

Die Krise hat die Autobranche stark getroffen. In welchem Ausmass, wird sich erst in einigen Monaten zeigen und ist von vielen Faktoren abhängig. Starken Einfluss auf den Geschäftsverlauf haben nebst dem Neuwagenhandel das Werkstattgeschäft und der Occasionshandel. Werden die Serviceleistungen stark nachgefragt und zieht der Occasionshandel rasch an, werden weniger Betriebe in Not geraten. Die Hilfeleistungen des Bundes mit Kurzarbeit und Notkrediten wirken sich positiv aus. Kaufanreize für neue Autos seitens des Staates und/oder der Hersteller würden das Neuwagengeschäft stärken.

François Launaz, Präsident des Autoimporteurverbands auto-schweiz, hat die staatliche Förderung umweltfreundlicher Modelle als gangbaren Weg bezeichnet, um die Branche aus der Krise hinauszuführen. Wie stehen Sie Ideen für eine Kaufprämie gegenüber?

Kaufanreize für Elektrofahrzeuge oder Autos mit geringem CO2-Ausstoss würden sicher helfen, Kauf­interessierte in die Showräume zurückzuführen. Und das würde dazu beitragen, die CO2-Ziele zu erreichen.

Vertreter jener Kreise, die dem Auto tendenziell eher nicht zugetan sind, erhoffen sich, dass die Elektromobilität durch die Krise einen Aufschwung erlebt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Der Aufschwung alternativ angetriebener Fahrzeuge – allen voran der Elektroautos – war schon vor der Krise deutlich wahrnehmbar und wird weiter zunehmen. Das hat nichts mit der Krise zu tun, sondern mit der Modelloffensive bei den Herstellern und dem tendenziell ökologischen Verhalten.

Autofreunde wiederum sagen, dass der Nutzen des motorisierten Individualverkehrs während der Corona-Pandemie eher gestiegen sei. Wie beurteilen Sie diese Aussage?

Wegen des Ansteckungsrisikos im öffentlichen Verkehr sind im Verhältnis mehr Personen im Auto unterwegs. Das freut mich natürlich. Zu bedenken ist bei der Entwicklung, dass viele bisherige Autopendler künftig im Homeoffice arbeiten könnten. In der Folge wären weniger Autos unterwegs und die Servicearbeiten in den Garagen rückläufig. Unbestritten ist, dass das Auto an Beliebtheit gegenüber dem öffentlichen Verkehr zugelegt hat.

Gleichwohl wollen rot-grün regierte Städte wie Zürich, Basel oder Bern die Chance packen und das Auto noch rigider als schon bisher aus den Städten verbannen. Was wären die Folgen davon?

Die Corona-Pandemie für solche Vorstösse politisch zu instrumentalisieren, ist sehr fragwürdig. Solchen links-grünen, ideologischen Forderungen trete ich energisch entgegen. Die Autos aus den Städten zu verbannen, ist der falsche Weg. Die Bürgerinnen und Bürger wollen mit dem Auto in der Stadt leben und einkaufen gehen.

Wenig funktioniert im Alltag ohne das Auto oder den Lastwagen. Vieles geht ohne Auto gar nicht. Denken wir an die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder die Service- und Notfalldienste. Sollten die Städte nur den Langsamverkehr zulassen, hätte dies für die Auto- und Transportbranche natürlich sehr negative Auswirkungen. Ich bin überzeugt, dass es beide Verkehrsträger für eine effiziente Verkehrsinfrastruktur braucht.

Was kann der technologische Fortschritt in der Automobilindustrie kĂĽnftig zugunsten einer intakten Umwelt leisten?

In den letzten dreissig Jahren hat der Individualverkehr um einen Drittel zugenommen. Gleichzeitig wurden dabei die Autos und Nutzfahrzeuge zunehmend sicherer, sauberer, bequemer und effizienter. Diese technische Entwicklung hin zu immer umweltschonenderen Fahrzeugen wird von den Herstellern intensiv weitergeführt. Die Kunden können aus einer breiten Palette von energieeffizienten Antriebstechnologien auswählen. Die Automobilindustrie ist seit langem – und heute noch mehr – treibende Kraft für den schonenden Umgang mit der Umwelt.

Die Automobilwirtschaft erzielt 95 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr und beschäftigt 226 000 Menschen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass sie alle auch künftig ihr Auskommen finden?

Der moderne Mensch lässt sich in seiner Mobilität nicht – oder nur in einer Notlage – einschränken. Dies erleben wir während des Lockdowns der letzten Wochen. Der motorisierte Individualverkehr wird, das zeigen auch die Prognosen des Bundes, weiter wachsen. Das Wachstumspotenzial ist für die Autobranche gegeben. Indem das Auto und der Lastwagen mit immer effizienteren Antriebstechnologien ausgerüstet werden, nimmt die Akzeptanz weiter zu. Fahrzeughersteller, Zulieferer und Dienstleister rund um die individuelle Mobilität werden von dieser Entwicklung profitieren. Garagisten werden zum Mobilitätsdienstleister. Sie bringen die Fahrzeuge auf die Strassen, warten und reparieren sie und nehmen sie auch wieder zurück, um sie weiterzuverkaufen oder zu entsorgen. Es wird deshalb auch nach der Corona-Krise für viele ein Auskommen aus diesen anforderungsreichen Arbeiten geben.

Wie unterstützt der von Ihnen präsidierte Auto Gewerbe Verband Schweiz die Garagisten während der Krise?

Wir haben gleich zu Beginn des Lockdowns eine Taskforce gebildet. Danach sind wir mehrfach mit Forderungen an den Bundesrat gelangt. Beispielsweise nach Offenhalten der Garagen, nach Öffnung der Waschanlagen, nach schneller Öffnung des physischen Verkaufs oder nach Entschädigung von Selbstständigerwerbenden bei der Kurzarbeit. Laufend wurden beim Bund, den Partnerorganisationen, unseren Sektionen und Mitgliedern Informationen beschafft und ausgewertet. Zu relevanten Themen und Massnahmen haben wir tagesaktuell auf unserer Website, in Fachmedien und – wo sinnvoll – auch in der Öffentlichkeit berichtet.

Was soll die Politik heute tun, damit der Restart gelingt und die Autobranche nach der Krise wieder in die Gänge kommt?

Die Politik soll nun dafür sorgen, dass die Sicherheit und Zuversicht in die Bevölkerung und Wirtschaft zurückkommt. Vor allem sollen die Unternehmen nun nicht immer wieder mit neuen Auflagen konfrontiert werden. Zudem muss die Wirtschaft durch steuerliche Erleichterungen und weniger Regulierung entlastet werden. Der Bund und die Kantone sollen mit finanziellen oder steuerlichen Massnahmen das Neuwagengeschäft fördern. Insbesondere soll der Bund den Kauf von E-Autos oder Autos mit niedrigem CO2-Ausstoss subventionieren. Ich erwarte zudem Unterstützung an die Verbände bei der Nachwuchsförderung und die Förderung der Lehrbetriebe.

Interview:

Gerhard Enggist

www.agvs.ch

www.autoberufe.ch

www.autoenergiecheck.ch

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