Publiziert am: 05.04.2019

Der Bund subventioniert Lobbying

AUSSERPARLAMENTARISCHE KOMMISSIONEN – Ernährung, Film, Design, Arbeit, Weltraum und Statistik. Das sind nur einige der ausserparlamentarischen Kommissionen der Schweiz. Doch: Was machen die eigentlich?

Die Schweiz unterhält 118 ausserparlamentarische Kommissionen. Etwa 1500 Kommissionsmitglieder treffen sich in diesen Gremien, inklusive 12 Mitglieder der eidgenössischen Räte und um die 100 Vertreterinnen und Vertreter der Bundesverwaltung. Die Mitgliedschaft zur Kommission und die Teilnahme an ihren Sitzungen werden vom Bund bezahlt. Die ausserparlamentarischen Verwaltungskommissionen ergänzen die Arbeit der Bundesverwaltung, heisst es.

Angeblich wird diese Expertise aus der sogenannten Zivilgesellschaft benötigt, um die Arbeit des Parlaments und der Bundesverwaltung praxisnah zu machen. Schon hier müsste man aufschrecken. Schliesslich ist ein Milizparlament ja in der Praxis verwurzelt. Eine schlanke Verwaltung wäre auch praxisnah – eine aufgeblasene ist es sicher nicht…

Experten? Wohl eher Lobbyisten

Unterzieht man die etwa 1500 Kommissionsmitglieder einer kritischen Überprüfung, fällt auf: In der Überzahl sind weder Experten noch Leute aus der Praxis. Sondern Verbandsfunktionäre und Lobbyisten. Das ganz grosse Problem dabei ist: Der Bund finanziert damit Lobbyarbeit. Die Sitzungen in diesen Gremien werden nämlich vom Bund bezahlt. Oftmals wird sogar eine Jahrespauschale für die Mitgliedschaft in den Kommissionen entrichtet. Dabei unterscheiden sich die Beträge je nach Departement und Rolle der Kommission. Dennoch: Der Bund bezahlt. Und die Kommissionsmitglieder tragen ihre Lobbyanliegen direkt in die Bundesverwaltung.

Kosten- und Qualitätscheck

sgv-Direktor und FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler reichte deswegen bereits im Jahr 2016 eine Motion ein. Die Anzahl der ausserparlamenta­rischen Kommissionen hätte um einen Drittel reduziert werden sollen. Nachdem der Nationalrat die Motion annahm, lehnte sie der Ständerat jedoch ab. Seitdem reichen Parlamentarier der Gewerbekammer Interpellationen ein, die die Kosten- und Qualitätschecks für die Kommissionen verlangen.

Es stellte sich schnell heraus, dass viele ausserparlamentarische Kommissionen Interna diskutieren und Medienmitteilungen publizieren. Aber nur wenige bereiten Geschäfte so vor, dass die Verwaltung oder der Bundesrat gestützt auf ihre «Expertise» handeln kann. Mit anderen Worten: Die ausserparlamentarischen Kommissionen generieren kaum Mehrwert.

Der Druck des sgv wirkt

Der Druck des sgv hat nun zu konkreten Ergebnissen geführt. Der Bundesrat hat entschieden, 13 von 118 ausserparlamentarischen Kommissionen aufzuheben. Zwei Gremien werden jedoch auch neu geschaffen. Das wäre zum einen die Eidgenössische Kommission für Fragen zu Sucht und Prävention nichtübertragbarer Krankheiten. Sie ersetzt die Kommission für Alkoholfragen, die Kommission für Suchtfragen und die Kommission für Tabakprävention.

Eine neue Prüfungskommission ersetzt zudem drei bisherige Prüfungskommissionen im Lebensmittelbereich. Aufgehoben werden die Kommission für internationale Lebensmittelsicherheit, die Aufsichts­kommission über die fliegerische Vorschulung und die Berufsmaturitätskommission. Auch die Kommission für Ursprungs­bezeichnungen und geografische Angaben soll es künftig nicht mehr geben.

Das ist aber erst eine Reduktion von etwa zehn Prozent. Es gilt deshalb weiterhin, jede ausserparlamentarische Kommission mit der Grundsatzfrage zu konfrontieren: Braucht es sie noch?

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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