Publiziert am: 22.03.2019

Der Bundesrat stellt sich taub

ÄRGERNIS MEDIENSTEUER – Die Wogen gehen hoch, seit die Unternehmen die ersten Rechnungen für die neue Mediensteuer erhalten haben. Es ist Zeit, dass die Politik hier eingreift.

Seit Wochen steht die neue Mediensteuer für Unternehmen in der ­Kritik. Tausende von Firmen haben von der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV eine Rechnung für die Mediensteuer erhalten – und sollen nun bis zu 35 590 Franken bezahlen.

Am 1. Januar 2019 ist der Systemwechsel erfolgt. Mussten bisher bloss die Empfangsgeräte deklariert werden, ist neu eine Mediensteuer fällig, die auf dem Jahresumsatz fusst. Mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen mit Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte in der Schweiz müssen ab einem Umsatz von 500 000 Franken zahlen. Unternehmen, die weniger als eine halbe Million Umsatz haben oder der Mehrwertsteuer nicht unterliegen, zahlen keine Mediensteuer.

Die Steuerlast explodiert

In vielen Fällen hat die Mediensteuer für Unternehmen besonders stossende Konsequenzen. Zum einen sind das Fälle von Doppelbesteuerung im Rahmen von Holdings oder auch vorübergehenden Unternehmenszusammenschlüssen wie etwa Arbeitsgemeinschaften, die der Mehrwertsteuerpflicht unter­liegen. Mit dem Systemwechsel zur Radio- und Fernsehsteuer werden solche Unternehmensgebilde nun neu doppelt besteuert, da dieselben Umsätze als Massstab für die Mediensteuer gelten. Zum andern gibt es unzählige Unternehmen mit sehr hohen Umsätzen, die aber rein steuerlich bedingt sind. So etwa bei den Akteuren der Mineralölbranche. Hier besteht der Umsatz zu einem grossen Teil aus Steuern. Bei Benzin und Diesel ist das die Mineralölsteuer (mehr als die Hälfte des Umsatzes sind Steuern) und beim Heizöl die CO2-Abgabe. Diese durch Steuern an den Staat aufgeblähten Umsatzzahlen lassen wiederum die Mediensteuer explodieren – ein völlig inakzeptabler Vorgang!

Hinter dem Gesetz versteckt

Die Thurgauer Unternehmerin und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr hat diese Entwicklung zum Anlass genommen, im Rahmen der Fragestunde den Bundesrat zu einer Erklärung zu bewegen. Wie er sich zu dieser Doppelbesteuerung stelle, fragte die Unternehmerin, und ob er gewillt sei, Lösungsansätze aufzuzeigen, wie diese doppelte Belastung unterbunden werden könne.

«Sehr HOHE UMSÄTZE SIND OFT REIN STEUERLICH BEDINGT.»

Die Antwort des Bundesrates fällt ebenso monoton wie ernüchternd aus – die Regierung versteckt sich hinter dem Buchstaben des Gesetzes: «Gemäss dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen ist die Abgabepflicht für die Unternehmensabgabe für Radio und Fern­sehen an den Eintrag im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen geknüpft. Eine Befreiung von der ­Abgabe sieht das Gesetz nur für kleine Unternehmen vor. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass zum einen der Kreis der potenziell abgabepflichtigen Unternehmen identisch ist mit den steuerpflichtigen Personen bei der Mehrwertsteuer und zum andern die Unternehmen keinen zusätzlichen administrativen Aufwand haben. Wer also im Mehrwertsteuerregister eingetragen ist und einen Jahresumsatz von mindestens 500 000 Franken deklariert, ist abgabepflichtig. Somit erhalten auch Tochter­gesellschaften sowie einfache Gesellschaften wie beispielsweise Arbeitsgemeinschaften von der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Anwendung des Gesetzes eine Rechnung, wenn ihr jährlicher Umsatz die genannte Schwelle überschreitet.»

Keinerlei politische Wertung

Offensichtlich ist der Bundesrat nicht gewillt, eine politische Wertung der Folgen dieser Mediensteuer vorzunehmen, geschweige denn Lösungsansätze aufzuzeigen, wie die Ungerechtigkeiten der Doppelbesteuerung eliminiert werden könnten. Für den Schweizerischen Gewerbeverband sgv heisst das: Dranbleiben! Weitere Vorstösse sind notwendig, um den Bundesrat zu einem klaren Positionsbezug zu bewegen. Ziel ist die Abschaffung dieser ­Mediensteuer für Unternehmen. Die Motion «Taten statt Worte» von SVP-Nationalrat Gregor Rutz muss angenommen werden.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

CVP-FRAKTIONSMOTION

«Falsch und unfair»

Auch der CVP – sie hatte das neue Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) bisher durch alle ­Böden verteidigt – dämmert nun die Erkenntnis, das rund um die neue Mediensteuer dringender Korrekturbedarf herrscht. In einer Fraktionsmotion fordert die CVP den Bundesrat auf, die «Doppelabgabe» für Unternehmen zu korrigieren. Die Fraktion erachte diese «Doppelbesteuerung» (sic!) als «eine falsche und unfaire Mehrbelastung dieser Unternehmen, die behoben werden muss». En

KMU WERDEN BESTRAFTVertrauen geht verloren

«Man muss sich (nicht) wundern»

Zum Ärgernis «Mediensteuer» schreibt ein Leser der «Schweizerischen Gewerbezeitung» Folgendes:

«Eigentlich sollte ich mich als über 80-jähriger Unternehmer nicht mehr über politische Fehlentscheidungen ärgern. Aber was da betreffs Mediensteuer ‹verbrochen› wurde, geht doch etwas zu weit. Dem abstimmenden Bürger wurde mit einem Satz empfohlen, einer neuen Gebührenordnung zuzustimmen. Hinter einem Ja oder Nein existiert eine ganze Bibliothek, die von Juristen geschaffen wurde und in der das Wort ‹Steuer› mit ‹Gebühr› ausgewechselt wurde. Die Abstimmung zu Gunsten dieser neuen «Gebührenordnung» wurde dann vom Volk nur ganz knapp angenommen. Dies auch darum, weil künftig jede Privatperson weniger ‹Gebühren› bezahlen muss als bis anhin. Das Resultat ist bekannt – nur mit dem Unterschied, dass nun alle Betriebe mit einer neuen Steuer konfrontiert werden, und zwar im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer-Abrechnung.

Vertrauen geht verloren

Bei unserem letzten Generationenwechsel, von der 2. zur 3. Generation, entschlossen wir uns, aus einem Betrieb mehrere Einzelbetriebe (juristische Aufteilung in Aktiengesellschaften) zu schaffen. Für diese juristische Aufsplittung zum Erhalt eines seit über 80 Jahren erfolgreichen KMU-Betriebes werden wir jetzt bestraft, indem wir heute 16-mal mehr ‹Steuern› bezahlen müssen als in der Vergangenheit.

Es stellt sich ernsthaft die Frage, wie solche Fehlentscheidungen von unserem Parlament getroffen werden können. Man muss sich auch nicht wundern, wenn durch solche Vorfälle jegliches Vertrauen verloren geht.»

Walter Wülser, Zofingen AG

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