Publiziert am: 10.07.2015

Der doppelte Nutzen der Medikamente

Tribüne

Es ist irgendwie fast schizophren: In der medialen und politischen Diskussion werden Medikamente meist unter dem Preis- und Kostenaspekt diskutiert. Natürlich wird man auf die Frage, ob die Medikamente in der Schweiz zu viel kosten, immer eine positive Antwort erhalten. Interessanter ist allerdings, dass die Schweizer Bevölkerung sehr wohl vom doppelten Nutzen der Medikamente in der Schweiz weiss und im Übrigen auch die Kostenfrage richtig einzuschätzen weiss. Gemäss gfs.bern sehen nur gerade drei Prozent der Schweizer Stimmberechtigten Medikamente als hauptverantwortlich für Kosten- und Prämiensteigerungen im Gesundheitswesen. Und über 70 Prozent anerkennen, dass moderne, innovative Medikamente durch raschere Genesung und kürzere Spitalaufenthalte sogar einen Beitrag zur Kostensenkung leisten können.

Der Nutzen von Medikamenten zeigt sich zum einen in ihrer Bedeutung zur hohen Qualität des Gesundheitswesens. Wenn heute viel weniger Leute an Herzversagen sterben als früher, drei von fünf Krebspatienten fünf Jahre nach der Diagnose noch leben und in der Schweiz kaum jemand mehr an AIDS stirbt, hat das vor allem mit den Erfolgen von Pharmaforschung zu tun. Jüngstes Beispiel für einen enormen Durchbruch in der Medizin sind die neuen Präparate gegen das Hepatitis-C-Virus (HCV), das eine hohe Rate der Chronifizierung und Folgeschäden wie Leberzirrhosen und Leberzellkarzinome mit oft tödlichem Ausgang mit sich bringt. Die bisherige Standardtherapie erreichte eine Heilungsrate von rund 40 bis 50 Prozent, das nur unter erheblichen Nebenwirkungen und viele Patienten sprachen nicht auf die Behandlung an. Mit den neuen Medikamenten können über 90 Prozent der Patienten geheilt werden – dies bei einer Behandlung von nur acht bis zwölf Wochen. Natürlich sind der Preis und die Kosten der Behandlung ein Thema, obwohl auf den einzelnen Patienten bezogen die rasche Heilung viel billiger ist als die Kosten der Krankheit.

Die medizinischen Fortschritte haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Lebenserwartung im letzten Jahrhundert markant erhöht hat. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts betrug die Lebenserwartung im Schnitt weniger als 50 Jahre. Mittlerweile ist sie bei Frauen auf 84,8 Jahre, bei Männern auf 80,5 Jahre angewachsen. Dabei werden Herr und Frau Schweizer nicht nur immer älter, sondern bleiben auch länger gesund. Diese Entwicklung ist nicht nur aus individueller, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht zu begrüssen. Denn um das demographische Problem – die Kosten der Altersversorgung – anzugehen müssen wir die aktiven Lebensjahre verlängern, und das geht nur bei guter Gesundheit.

Angesichts der Diskussionen über die immer teureren neuen Medikamente mag es erstaunen, dass der Anteil der Medikamente an den Gesundheitskosten in den letzten 50 Jahren massiv geschrumpft ist, von 25 Prozent im Jahre 1960 auf heute unter zehn Prozent. Von 68 Milliarden Franken Gesundheitskosten in der Schweiz fallen ganze 6,2 Milliarden für Medikamente an. Mit anderen Worten: ein enorm hoher Nutzen im Gesundheitswesen zu vertretbaren Kosten.

Die Schweiz hat aber einen doppelten Nutzen von Medikamenten. Für jeden Franken, der bei uns für Medikamente ausgegeben wird, «verdient» die Schweizer Volkswirtschaft sieben Franken, denn die direkte und indirekte Wertschöpfung der Pharmaindustrie beläuft sich auf 43 Milliarden Franken, Tendenz deutlich steigend. Besonders erfreulich ist, dass die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb um Pharmainvestitionen trotz Frankenschock nach wie vor mithalten kann, wie eine jüngste Meldung aus dem Kanton Solothurn zeigte. In Luterbach will die US-Biotech-Firma Biogen ab Ende Jahr rund eine Milliarde Franken investieren, um eine hochmoderne Produktionsanlage zu bauen, die ab 2019 bis zu 400 neue Arbeitsplätze schaffen wird. Zu diesen Standortbedingungen gilt es allerdings Sorge zu tragen, beispielsweise durch den Erhalt der bilateralen Verträge mit der EU, aber auch die Unternehmenssteuerreform!

*Thomas B. Cueni ist Generalsekretär / Geschäftsführer von Interpharma, des Verbands der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz.

Die Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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