Publiziert am: 06.07.2018

Der Kampf hat sich gelohnt

FINANZPLATZ – Nach einem langen Leidensweg sind die beiden Gesetze zur Neuregulierung des Finanzplatzes Schweiz am Ende doch pragmatisch ausgefallen – auch wenn sie Regulierungskosten von 100 Millionen Franken pro Jahr verursachen.

Es kommt nicht oft vor, dass der sgv ein neues Gesetz begrüsst. Diese Zurückhaltung trifft auch für das Finanzdienstleistungsgesetz Fidleg und das Finanzinstitutsgesetz zu. Doch trotz aller Skepsis kann der sgv zufrieden sein. Beide Gesetze tragen seine Handschrift.

Pure Planwirtschaft

In den letzten acht Jahren waren die Gesetzesprojekte aus dem Finanz­departement oft von Gigantismus geprägt. Es sollte sage und schreibe der gesamte Finanzplatz neu ausgerichtet werden. Man stelle sich das einmal vor: Ein paar Staatsangestellte in Bern schickten sich an, eine ganze Branche zu planen – und zu bestimmen, welche Firmen bestehen und welche liquidiert werden müssen.

Das Kernstück dieser Übung in zentraler Planwirtschaft waren das Finanz­dienst­leistungsgesetz (Fidleg) und das Finanzinfrastrukturgesetz (Finig). Ursprünglich enthielten die beiden Gesetze alle möglichen Regelungen, die gegen die Wirt­schaftsfreiheit sowohl der Konsumentinnen und Konsumenten als auch gegen jene der Finanzdienstleister verstossen. Einerseits sollte es einigen Kunden verboten werden, spezifische Finanzprodukte zu kaufen; andererseits führte man eine Pflicht zum Vertragsabschluss ein. Auf der einen Seite sollte die Beweislastumkehr eingeführt werden; auf der anderen wollte man ganze Typen von Dienstleistungen untersagen, zum Beispiel die unabhängige Vermögensverwaltung.

KMU setzten sich zur Wehr

Betroffen waren insbesondere die KMU. Als Nachfrager und Anbieter von Finanzdienstleistungen hätten sie die jährlich 500 Millionen Franken an Regulierungskosten tragen müssen. Zusammen mit seinen Mitgliedsverbänden setzte sich der Schweizerische Gewerbeverband sgv zur Wehr. Er erarbeitete alternative, verhältnismässigere Gesetzestexte. Diese wurden praktisch alle übernommen.

«FIDLEG und FINIG präsentieren sich nun sinnvoll, praxistauglich und ausgewogen.» Daniela Schneeberger, Zentralpräsidentin TREUHAND|SUISSE

Der Ständerat nahm sich das Finig vor. Hier arbeitete er die Vorschläge des sgv ein, um der unabhängigen Vermögensverwaltung eine solide Basis zu geben. Er entschied auch, die Finanzplanung unreguliert zu belassen. Der Nationalrat korrigierte dann das Fidleg und strich die meisten problematischen Vorhaben weg. Vertragszwang und Beweislastumkehr sind gefallen; Kunden dürfen weiterhin alle Arten von Finanzprodukten nachfragen.

Resultat: gut

Was ist aus dem Gigantismus des Finanzdepartementes geworden? Das neue Paket trägt zwar noch den alten Namen, der Inhalt aber ist ein anderer: Fidleg und Finig sind weitgehend pragmatische Gesetze. Sie stiften vor allem den KMU einen Nutzen. Der Wermutstropfen dabei sind – wie immer – die Regulierungskosten. Die beiden Gesetze verursachen jährlich um die 100 Millionen Franken an Regu­lie­rungs­kosten. Das ist zwar sehr viel Geld; aber immerhin «nur» ein Fünftel im Vergleich zum ursprünglichen Paket.

Ein Sieg des Pragmatismus

Die Lehre aus der Geschichte: Es lohnt sich, für die Sache der KMU zu kämpfen. Und wenn es zum Schulterschluss der KMU und Politik kommt, gewinnt – zumindest im vorliegenden Fall – der Pragmatismus.

Stimmen der Mitkämpfer

Dass sich der Einsatz des sgv und seiner betroffenen Alliierten gelohnt hat, zeigen auch Statements der Mitkämpfer auf dem langen Weg zu einer pragmatischen Regulierung im Finanzplatz. «Das Parlament hat viel Augenmass bewiesen und die Proportionalität gewahrt», sagt Adrian Steiner, Leiter Public Affairs beim Verband Schweizerischer Kantonalbanken VSKB. «Die Verhaltensregeln im Fidleg sind nun auch für eine kleine, regional tätige Retailbank mit vernünftigem Aufwand umsetzbar. Dies im Interesse einer vielfältigen und attraktiven Anlageberatung nahe beim Kunden.»

Die Schweiz hat mit Fidleg/Finig eine wichtige Voraussetzung zur Erlangung des Marktzugangs in die EU geschaffen», stellt Simon Binder, Public Policy Manager bei der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögens­verwaltungs­banken (VAV), fest. «Jetzt ist die EU am Zug und muss endlich beweisen, dass sie ein verlässlicher Partner ist, indem sie den exportorientierten Banken, darunter viele KMU, den Marktzugang gewährt.»

Grégoire Bordier, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers, kommentiert: «Dem Parlament ist es gelungen, die Interessen der exportorientierten Banken abzudecken, ohne die Interessen des Binnenmarktes aus den Augen zu verlieren.» Und schliesslich sagt Markus Hess, Geschäftsführer des Verbandes Konsumfinanzierung Schweiz: «Die Fintech-Regulierung im Anhang zum Finig wurde durch eine Änderung des Konsumkreditgesetzes ergänzt. Die vom Gesetzgeber dort so bezeichneten Schwarmkreditvermittler von Konsumkrediten müssen neu auch eine Kreditfähigkeitsprüfung durchführen und die von ihnen koordiniert vermittelten Kredite bei der Informationsstelle für Konsumkredite (IKO) melden. Damit wurde richtigerweise ein Level Playing Field für alle Konsumkreditanbieter hergestellt.»

Henrique Schneider, stv. Direktor sgv

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