Publiziert am: 05.03.2021

Der Streber-Komplex

REGULIERUNG – Wo immer es einen internationalen Standard gibt, will die Schweiz vorbildlich sein und ihn strenger umsetzen als die restliche Welt. Beim Geldwäschereigesetz hat das Parlament für einmal Nein gesagt.

Vor einigen Jahren zwang man die Inhaberaktiengesellschaften, sich umfassende Register zu geben. Und nur vier Jahre später – nach unzähligen bürokratischen Anpassungen und mehreren tausend Franken Kosten pro Firma – schuf man diese Gesellschaftsform ab. Der angegebene Grund lautete: «Internationale Standards». Der Punkt ist aber: Es gibt keine Standards, welche die Inhaberaktie abschaffen wollen.

Was es aber sehr wohl gibt: Einheiten in der Bundesverwaltung, die versuchen, alles zu übernehmen und zu verschärfen, was international auch nur diskutiert wird. Warum sie so etwas machen, ist unklar. Ob sie verstehen, dass sie damit Schweizer Unternehmen schädigen? Das ist vermutlich so, aber es scheint sie nicht zu interessieren. Sie bezahlen den Schaden ja nicht.

Es waren die über 40 000 Familien-KMU, die dafür blechen mussten, dass die Bundesverwaltung ihre internationalen Träume verwirklichen wollte.

Der nächste Streich

Ein ähnliches Trauerspiel leistete sich der Bund mit dem Geldwäschereigesetz. Statt nur jene Anpassungen zu machen, die notwendig sind, wurde weit übers Ziel geschossen. Die Beamten wollten tatsächlich ­alle Dienstleister dem Geldwäschereigesetz unterstellen. Anwältinnen und Treuhänderinnen hätten ihre Kunden bei der Meldestelle für Geldwäscherei verpfeifen sollen. Damit wäre das Vertrauensverhältnis zerrüttet und das Berufsgeheimnis der Dienstleister aufgehoben. War das den Beamten in Bern nicht bewusst? Vermutlich schon, aber es hat sie nicht interessiert. Dem Parlament war es aber diesmal nicht egal. Zunächst ist der Nationalrat einmal nicht auf die Änderung eingetreten. Dann haben die Räte eigenhändig die notwendigen Korrekturen gemacht. Das Gesetz erfüllt damit die internationalen Vorgaben genau. Es macht keinen «Swiss Finish». Und es lässt Anwälte Anwälte und Treuhänder Treuhänder bleiben.

Das Parlament wehrt sich

In der aktuellen Session hat der Nationalrat in der Gesamtabstimmung die Vorlage gestützt, allerdings in deutlich reduzierter Form: ohne Unterstellung der Beraterinnen und Berater, ohne Absenken der Schwellenwerte für Barbezahlungen im Edelmetall- und Edelsteinhandel und ohne Ausweitung des Geldwäschereigesetzes auf Personen, die gewerbsmässig Schmelzprodukte herstellen.

«Ein SWISS FINISH IST INAKZEPTABEL – GERADE AUCH HIER.»

Dieser Entscheid ist einerseits wichtig, um dem Bund Grenzen aufzuzeigen. Es ist absolut inakzeptable, wenn sich die Schweiz wie ein Streber verhält und dabei die eigene Wirtschaft schädigt. Es ist auch inakzeptabel, wenn der Bund, statt ganz gezielt verhältnismässige Umsetzungsformen zu suchen, internationale Vorgaben immer wieder mit einem «Swiss Finish» verschärft.

Ist eine Gesetzesrevision überhaupt notwendig? Die Antwort ist ja. Aber das Gesetz braucht nur ganz wenige Anpassungen. Man könnte problemlos diese Revision insgesamt ablehnen und dann eine kleine umsetzen. Klein heisst dabei: Nur jene Regeln sind anzupassen, die absolut notwendig sind. Die Ablehnung wäre auch ein politisch wichtiges Signal an den Bundesrat. Es ist nicht akzeptabel, dass die Schweiz alles ihrem Streber-Komplex unterordnet.

Aber das Signal ist auch wirksam, wenn das Parlament seine eigene, abgespeckte Version des Gesetzes annimmt. Denn es zeigt damit dem Bundesrat, dass es die Zügel selbst in die Hand nehmen kann. Im Übrigen: Es ist eine gute Nachricht, dass der gescheiterte Nationalbankpräsident auch in der Kandidatur zum OECD-Generalsekretariat gescheitert ist. Das hätte den Streber-Komplex nur verschärft.Sc

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