Publiziert am: 29.04.2022

Die Gründe für ein Ja

VERRECHNUNGSSTEUER – Die Abschaffung der Verrechnungssteuer kommt vors Volk. Das Hauptproblem der Verrechnungssteuer besteht im Verwaltungsaufwand, der durch die Rückforderung bei den Steuerbehörden entsteht.

Im Herbst 2022 werden wir wieder einmal über ein scheinbar komplexes Steuerobjekt abstimmen: die Verrechnungssteuer. Am 5. April 2022 kam nämlich das Referendum gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer zustande. Die Gesetzesänderungen kommen somit vors Volk.

Verwaltungsaufwand verringern

Was ist diese Steuer eigentlich? Und warum trägt sie die seltsame Bezeichnung «Verrechnungssteuer»? Schon der Titel dieser Steuer ist verwirrend. Diese Steuer ist lediglich eine Verrechnungssteuer, da die Finanzintermediäre 35 Prozent der Steuer auf Zinsen und Erträge von Wertpapieren direkt an die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV abführen. Wenn die Steuererklärung korrekt erstellt wurde, kann der Steuerzahler oder Anleger die Auszahlung dieser 35 Prozent, die von den Bundesbehörden gehalten werden, beantragen – sich also die Vorauszahlung verrechnen lassen. Darin liegt der Grund für die Bezeichnung «Verrechnungssteuer».

Die Abschaffung der Verrechnungssteuer bedeutet in erster Linie, dass der Verwaltungsaufwand für Steuerzahler, Finanzintermediäre und die Bundesverwaltung verringert wird. Was an sich eine gute Sache ist, wird jedoch von den Referendumsführern völlig anders gesehen. Sie sehen darin einen Freibrief für die Steuerkriminalität für vermögende Personen aus der Schweiz und dem Ausland. Sie unterstellen, dass diese Steuer auch deshalb existiere, damit dubiose Vermögensverwalter, Investoren und «Oligarchen» unsere Steuerbehörden nicht «betrügen» würden.

Eine eigentliche Kontrollsteuer

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv verurteilt alle Arten von Steuerkriminalität. Steuerhinterzieher müssen die rechtlichen Konsequenzen tragen und entsprechend bestraft werden. Aber das ist nicht das Problem. In Wirklichkeit schert diese Verrechnungssteuer – eine eigentliche Kontrollsteuer – alle Menschen über einen Kamm. Sie belastet alle, insbesondere durch die zusätzlichen Verwaltungsverfahren, die durch die Verrechnungssteuer ausgelöst werden. Die Abschaffung der Verrechnungssteuer bedeutet, dass gute Steuerzahler nicht mehr unnötig verdächtigt werden, indem man sie mit bürokratischem Aufwand belastet. Steuerhinterzieher hingegen müssen weiterhin Steuerprüfungen befürchten.

Kopf nicht in den Sand stecken

Soll man also den Kopf in den Sand stecken und für den Status quo stimmen? Sollen wir nichts ändern und bloss hoffen, dass die Schweiz ihre privilegierte wirtschaftliche Position im Konzert der Nationen beibehalten kann? Was für eine Illusion! Dieses Konzert der Nationen, das von Zeit zu Zeit und mehr als nötig in eine Kakophonie umschlägt, erfordert, dass die Schweiz die richtigen Gelegenheiten ergreift, um wirtschaftlich agil zu bleiben und ihre Rahmenbedingungen anzupassen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD und die G20, in der die mächtigsten Länder der Welt zusammengeschlossen sind, haben eine Steuer für grosse Unternehmensgruppen ausgeheckt, um zu versuchen, den Steuerwettbewerb auf internationaler Ebene einzuschränken. Das bedeutet, dass Länder, die nicht über einen riesigen Verbrauchermarkt verfügen und die sich auf Steuerdisziplin verlassen haben, um aus der Masse herauszustechen, andere Mittel einsetzen müssen, um ihre wirtschaftliche Attraktivität zu sichern. In diesem Zusammenhang muss die Schweiz in der Lage sein, attraktive Rahmenbedingungen zu bieten, die vor allem keine übermässigen Verwaltungslasten verursachen. Im digitalen Zeitalter kommt es nicht infrage, an Schritten und Verfahren festzuhalten, die die Unternehmen wirklich etwas kosten.

Konzentration auf die Schweiz

Das Hauptproblem der Verrechnungssteuer besteht also im Verwaltungsaufwand, der durch die Rückforderung bei den Steuerbehörden entsteht, und in der Illiquidität der auf diese Zinsen erhobenen Beträge bis zur Rückerstattung der Steuer. Dieses Problem führt sogar dazu, dass Schweizer Unternehmen Anleihen im Ausland statt in der Schweiz ausgeben. Auch dies ist eine Massnahme, die andere Länder unterstützt. Es bedeutet, dass die Flaggschiffe unserer Industrien und Dienstleistungsbetriebe lieber im Ausland nach finanziellen Mitteln suchen, statt sich auf den Schweizer Markt zu verlassen. Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer würden sich die finanziellen Mittel unserer Unternehmen wieder in der Schweiz befinden.

Dienstleistungen hier entwickeln

Konkret würde eine solche Änderung es ermöglichen, eine ganze Palette von Finanzdienstleistungen für unsere Industrie- und Dienstleistungsunternehmen direkt in der Schweiz zu entwickeln, anstatt sich auf ausländische Dienstleistungen zu verlassen. Die Abschaffung des Verwaltungsaufwands, der alle Investoren benachteiligt, würde auch erfolgreiche Unternehmen anziehen, die von einem effizienteren Fremdkapitalmarkt profitieren würden. Eine effizientere Finanzinfrastruktur ist notwendig, um die Attraktivität der Schweiz und die Vitalität unseres lokalen Wirtschaftsgefüges zu erhalten.

Aus all den genannten Gründen ist die Abschaffung der Verrechnungssteuer richtig und wichtig.

Mikael Huber,

Ressortleiter sgv

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