Publiziert am: 20.09.2019

Die Politik wartet auf Euch, Unternehmer!

Die Schweiz wartet schon seit gut 30 Jahren auf den grossen Unternehmer, der weltweit Zeichen setzt. Im besten Fall sind daraus Mittelstandsbetriebe geworden, die von den Gründern oder Erben bei guter Börsenlage gerne weiterverkauft werden. Der Rückzug nach Mallorca oder auf die Bahamas liegt dann nahe. Nur der untere Mittelstand zieht sich nach Thailand zurück.

Die Schweiz wartet schon 20 Jahre auf die grosse weibliche Unternehmerin, die den Männern zeigt, wie man es besser macht. Einige Erbinnen haben sich behauptet. Andere haben sich hinter Stiftungen zurückgezogen. Die erfolgreichsten Topmanagerinnen dienen als eine Art Pfeffer in der Suppe ihrer männlichen Kollegen. Mehr ist daraus selten geworden.

Sprechen wir von der erfolgreichen Schweizer Wirtschaft, sind damit vorwiegend internationale Finanz- und andere Konzerne gemeint, wo Ausländer kapitalbestimmend sind und zunehmend auch die Führung, das Spitzenmanagement stellen. Schweizer dienen dann als Lendenschutz. Was ist aus den Schweizer Unternehmern und Spitzenmanagern geworden? Spielen sie nur noch Golf? Fahren sie nur noch Velo? Rennen sie nur noch durch die Wälder? Ich denke, wer über Besitz, Können und Ehrgeiz verfügt, sollte jetzt zeigen, wozu er imstande ist. Zuerst im Unternehmen, dann aber auch in der Politik.

Wozu Politik? Das ist eine schlimme Frage. Um sie ehrgeizigen Jungakademikern zu überlassen? Oder wollen wir noch mehr Juristen, Kommunikationsberater, Bauern oder andere Lobbyisten in eigener Sache oder Redaktoren in den Räten? Dann dürfen sich gerade Unternehmer nicht wundern, dass in Bern vieles falsch läuft.

Die moderne Schweiz wurde von Unternehmern aufgebaut. In 120 Jahren bauten sie eine Schweiz auf, die sich global bis heute sehen lassen kann. Sie schufen eine starke Industrie, ein starkes Finanzwesen, eine beispielhafte Tourismuswirtschaft und ein Medienangebot von höchster Qualität. Suche ich unsere Spitzenindustriellen, sehe ich nur Deutsche, Russen, Schweden, Schweizer aber nur in Sekundärpositionen. Nicht anders ist dies im Finanzwesen. Bestürzend ist die Entwicklung im Tourismus, wo Ägypter, Araber, Tschechen und Österreicher zunehmend den Ton angeben. In den Medien sind wir noch weitgehend selbstbestimmt, aber der Glanz früher Jahre ist verschwunden.

Neben der notwendigen unternehmerischen Eigenleistung als Grundlage der Selbstbestimmung gibt es nur einen Weg, das Ruder herumzureissen: Es ist der Weg in die Politik. Grosse Teile des Schweizer Volkes sind mit dem politischen Gang der Dinge höchst unzufrieden. Sie warten auf einen unternehmerischen Menschen von hoher Glaubwürdigkeit, der ihnen den Weg weist. Dass dieser Weg nicht zurückweisen kann in eine isolationistische Vergangenheit («Schweizer Igel») ist sonnenklar. Sie muss in die Zukunft führen, weil wir sonst eines Tages alt aussehen werden.

Der Gang in die Politik ist kein Spaziergang. Dort warten schon Hundertschaften anderer Politiker und Politikerinnen, jedem neuen Kandidaten den Hals umzudrehen. Wer sich nicht unterwirft (man nennt dies auch «einordnen»), wird sofort an den Rand gedrängt. Davon haben wir in den Kantonen und in Bern viele Beispiele. Diese Vergreisung der Strukturen hat in den USA, in Grossbritannien, in Italien und vielerorts in Osteuropa zu politischen Explosionen geführt, deren Wert noch unklar ist.

Wir in der Schweiz können dies klüger machen. Dazu braucht es vor allem Männer und Frauen, die «harte Bretter bohren können», wie Max Weber, ein grosser Soziologe, es einmal ausdrückte. Dazu braucht es auch Parteivorstände und, dies vor allem, Fraktionschefs, die eine ebenso kluge wie innovative Personalpolitik betreiben. Die heute vorherrschende Praxis einer gegenseitigen Absicherung der Macht führt zur Inzucht und im internationalen Vergleich zum Niedergang.

Wer, wie jetzt geschehen, die Schwinger bewundert, sollte den Schritt in den politischen Ring nicht scheuen.

* Klaus J. Stöhlker ist Unternehmensberater für Öffentlichkeitsbildung in Zollikon (ZH)

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