Publiziert am: 03.09.2021

«Die Schweiz ist unsere DNA»

BRUNO STIEGELER – Die Pandemie habe gezeigt, «wie wichtig die kleinen und mittleren Unternehmen für unser Land und die hiesige Wirtschaft sind», betont der CEO der WIR Bank Genossenschaft im Interview.

Schweizerische Gewerbezeitung: Mit «WIR» bringen die meisten sofort die WIR-Währung in Verbindung. Ihre Bank versucht sich sanft gegen diese Schubladisierung zu wehren. Ist die Währung nicht mehr attraktiv genug?

Bruno Stiegeler: Im Gegenteil! Deshalb gibt es auch keinen Grund, sich gegen WIR zu wehren – weder sanft, noch unsanft. Aber: Die Bank WIR ist längst eine gesamtschweizerisch tätige Genossenschaftsbank für KMU und Privatkunden. Sie verfügt – und jetzt spanne ich den Bogen zu Ihrem Einstieg – über eine eigene Komplementärwährung für erfolgreiche Betriebe und bietet dann aber auch allen Interessierten, also explizit auch allen Privatpersonen, moderne Bankprodukte sowie Spar- und Vorsorgelösungen an, die zu den Besten im Markt gehören.

Unsere Bilanzsumme beläuft sich auf rund 6 Milliarden Franken. Unser Geschäft besteht zu über 90 Prozent aus ganz normalen Hypotheken und Krediten sowie Spar- und Vorsorgegeldern in Schweizer Franken. Die Komplementärwährung WIR (CHW) ist, als eines der Produkte der Bank WIR, das Salz in unserer Suppe: So erhalten unsere Kundinnen und Kunden im Finanzierungsmix mit CHF und WIR konkurrenzlos günstige Angebote. Das geht bei der Mehrwert-Hypothek sogar so weit, dass wir dank Negativzinsen auf der Kreditseite dem Kunden Hypozins aus­bezahlen – und nicht umgekehrt. Einzigartig in der Schweizer Finanzlandschaft. Und dank des starken WIR-Netzwerks haben KMU zudem die Möglichkeit, ihren Kundenkreis zu erweitern und mehr Umsatz und Ertrag zu erwirtschaften.

Ihre Bank positioniert sich unter anderem mit dem Argument, dass sie KMU-Förderung betreibt. Wie konnten Sie die KMU in der Covid-19-Pandemie unterstützen?

In der heissen Phase der Corona-­Krise haben wir unseren KMU-Kundinnen und -Kunden mit unkomplizierten Amortisationsaufschüben und den Covid-19-Krediten finanziell geholfen – einfach und unbürokratisch. Zinslose Sofortkredite kennt unsere WIR-Kundschaft übrigens schon seit Jahren: Sie sind standardmässig Teil unseres KMU-Pakets.

Auf der Ertragsseite haben wir im WIR-Geschäft bewusst Mindereinnahmen in Kauf genommen, um unsere WIR-KMU während der Corona-Pandemie zu unterstützen. Im Zuge unserer erfolgreichen Aktion #zusammenstark für WIR-Mehrumsätze haben wir nämlich während sechs Monaten auf die Hälfte des Netzwerkbeitrags verzichtet. Dieser erhebliche Betrag ist direkt den KMU zugute gekommen.

«Zinslose Sofortkredite sind standardmässig Teil unseres KMU-Pakets.»

Für die Moral haben wir vor allem während des ersten Lockdowns unseren Beitrag geleistet, und zwar ebenfalls im Rahmen von #zusammenstark: Live auf Facebook und in unserem Blog haben wir täglich beeindruckende Beispiele von KMU gezeigt, wie sie der Krise mit kreativen Lösungen begegnet sind.

Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig die kleinen und mittleren Unternehmen für unser Land und die hiesige Wirtschaft sind. Um gegen Angebote aus dem Ausland zu bestehen, sind Innovationen, Qualität, Nachhaltigkeit und ein starkes Netzwerk gefragt. Bei der täglichen Herausforderung, die Schweizer Wirtschaft zu stärken und den Wohlstand unseres Landes zu sichern, sind wir mit unserem Komplementärwährungssystem an vorderster Front dabei. Die Bank WIR ist Schweiz. Sie ist in der hiesigen Wirtschaft verankert, hat nur Kundinnen und Kunden aus der Schweiz, ist als bodenständige Genossenschaft organisiert. Die Schweiz ist unsere DNA, sie ist zentral für die Identität und das Selbstverständnis der Bank WIR.

Das gute Halbjahresergebnis (11 Millionen Franken Gewinn) lässt vermuten, dass die Bankkunden, und damit viele KMU, trotz Corona gut ins Jahr 2021 gestartet sind. Wie präsentiert sich die Lage aus Ihrer Sicht?

Unsere Kundinnen und Kunden und auch wir sind gut bis sehr gut ins Jahr 2021 gestartet. Wir stellen bis heute keine grösseren oder unerwarteten Effekte im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie fest. Aus Vorsicht haben wir mit einem gewissen Shift bei den Ratings unserer KMU gerechnet und entsprechende Rückstellungen gebildet. Als Bank bleiben wir vorsichtig: Das starke Halbjahresergebnis haben wir zur weiteren Äufnung von Reserven genutzt. Diese finanzielle Stärke, bei der wir die regulatorischen Anforderungen bei weitem übertreffen, erlaubt es uns zudem, unseren Kapitalgebenden nachhaltig eine attraktive Dividende auszuschütten. Und wenn ich von Kapitalgebenden rede, will ich – um den Bogen zur Einstiegsfrage zu schlagen – betonen, dass der Kauf von Stammanteilen der Bank WIR allen, also Privat- und Firmenkunden, offensteht und nichts mit der WIR-Währung zu tun hat.

Zum guten Ergebnis hat die erste volldigitale Wertschriften-Vorsorgelösung VIAC beigetragen. Wird das Potenzial der Digitalisierung bald ausgeschöpft sein, wenn alle Kunden auf digitalen Lösungen unterwegs sind?

Keineswegs! Lassen Sie mich dies differenziert darstellen: Das Potenzial, welches allein schon bei VIAC vorhanden ist, ist enorm. In diesem Bereich haben wir in den ersten sechs Monaten bereits wieder über 10 000 neue Kunden gewonnen, welche über 500 Millionen Franken eingezahlt haben. VIAC ist die mit Abstand beste und erfolgreichste digitale Wertschiften-Vorsorgelösung der Schweiz und damit Benchmark für alle anderen Nachahmer.

Bei der Digitalisierung im traditionellen Bankgeschäft – sprich im Kredit- und Spargeschäft – steht unsere Branche erst am Anfang. Oft geht es, wie bei uns auch, über Partnerschaften. Chancen für eine gewinnbringende Zusammenarbeit packen wir konsequent, vor allem in den Bereichen Innovation und Digita­lisierung. Seit über einem Jahr profitieren unsere KMU-Kunden beispielsweise auf der Plattform FX Trading für Währungsgeschäfte und internationale Zahlungen von hoch kompetitiven Konditionen.

«Bei der Digitalisierung im traditionellen Bankgeschäft steht unsere Branche erst am Anfang.»

Seit vergangenem Herbst arbeiten wir mit der Credit Exchange AG, ­einer digitalen Hypotheken-Vermittlungsplattform, zusammen. Und ebenfalls im Herbst 2020 gaben wir unsere Beteiligung an der Vermando AG bekannt, die beispielsweise mit der Plattform «hausheld.ch» digitale Lösungen für die Vermittlung zwischen Immobilienbesitzern und KMU-Handwerksbetrieben anbietet und weiterentwickelt.

Die Bank WIR beteiligt sich auch aktiv an Cargo sous terrain und bezeichnet dies als Innovationsförderung. Was erhoffen Sie sich konkret vom grössten Schweizer Logistikprojekt aller Zeiten?

Wir sind begeistert von diesem äussert wichtigen Projekt, das Schienen und Strassen entlasten und die Umweltbelastung reduzieren soll. Es ist doch bedenklich, welche Probleme wir unseren Nachkommen hinterlassen. Mit Cargo sous terrain leisten wir etwas für die künftigen Generationen und die Umwelt. Gleichzeitig sichert das privat finanzierte Grossprojekt Aufträge und Arbeit für viele Jahre. Dies lokal, regional und national mit einer nicht zu unterschätzenden Strahlkraft weit über die Schweiz hinaus.

Als schweizerische Genossenschaftsbank wird ihre Bank sehr stark reguliert. Wie und wo wehren Sie sich gegen weitere und strengere Vorschriften?

Unser Anspruch muss es sein, bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass Bank nicht gleich Bank ist. Viele Regulatorien sind aus der Finanzkrise mit Blick auf die grossen Institute entstanden. Als rein schweizerische Genossenschaftsbank für KMU- und Privatkunden teilen wir gewisse Standpunkte mit anderen kleinen und mittleren inlandorientierten Banken. So sind die Eigenmittelbestimmungen zu wenig auf die Grösse der Banken und ihre Geschäftsmodelle abgestimmt. Dem Umstand, ob eine Bank Risikogeschäfte betreibt oder im In- oder Ausland tätig ist, wird viel zu wenig Beachtung geschenkt.

Dieses regulatorische Umfeld wirkt wettbewerbsverzerrend, bedroht die Bankenvielfalt in der Schweiz und belastet die kleineren Player ĂĽberdurchschnittlich.

Interview:

Adrian Uhlmann

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