Publiziert am: 24.01.2020

Die subtile Untergrabung der Freiheit

STAATLICHES SCHUBSEN – Es ist ja nur ein kleiner Schubs in die richtige Richtung. Doch welches ist die richtige Richtung? Beim Phänomen des staatlichen «Schubsens» wird mit psychologischen Tricks und dem schlechten Gewissen der Menschen gespielt. Auch in der Schweiz. SVP-Nationalrat Thomas Burgherr bringt die Thematik nun aufs Tapet.

2017 hat der US-Ökonom Richard Thaler den Nobelpreis gewonnen. Er hat eine Theorie entwickelt, in der durch gezieltes Anstupsen (sogenannte Nudges bzw. Nudging) die Menschen beeinflusst werden. Sie sollen so etwa eine gesündere oder umweltbewusstere Lebensweise annehmen. Er behauptet, dass dabei kein Zwang ausgeübt wird. Stattdessen werden die Konsumenten und Bürger eben nur angestossen. Das Konzept kommt harmlos daher und wird teilweise sogar irreführend als liberal bezeichnet. Das ist es aber keineswegs! Denn immer mehr greift der Staat auf die Taktik des Schubsens zurück, um gewünschte Verhaltensveränderungen bei der Bevölkerung zu erreichen. Die Menschen sollen mit psychologischen Tricks oder Druck einen Impuls in die politisch erwünschte Richtung erhalten. Oft wird Konformitätsdruck erzeugt oder subtil mit dem schlechten Gewissen gespielt. Durch vermeintlich «kleine Hilfestellungen» sollen die Menschen beeinflusst werden, dass sie eher tun, was gemäss aktueller Ideologie «richtig» ist. Das Konzept wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Es gab viel Kritik an dieser Theorie, und insbesondere an der handfesten Umsetzung. So wird etwa bemängelt, dass mit dieser Verhaltenssteuerung die Präferenzen der Bürger verändert werden und es daher als Umerziehung angesehen werden müsse. Aktuelle Beispiele in der Schweiz gibt es schon viele: Dabei geht es vor allem um behördliche Präventions-, Sensibilisierungs-, Bildungs- und PR-Kampagnen, aber auch um staatliche Auftragsstudien und Umfragen.

«Manipulativ, hinterhältig und schwer bekämpfbar.»

Es geht um Warnhinweise, Labels, visuelle Lenkung und Veränderungen der Entscheidungsstruktur, um sogenannte Voreinstellungen und vieles mehr. Prominent betroffen sind etwa die Bereiche Genussmittel, Gesundheit, Energie und Umwelt, aber auch beispielsweise Ernährung und Arbeitssicherheit. Nudges seien, so die Kritiker weiter, gerade weil sie weder gebieten noch verbieten, sondern unsere Emotionen und irrationale Schichten beeinflussen wollen, von ihrem Wesen her manipulativ, hinterhältig und schwer bekämpfbar. So liesse sich gegen solche «Schubser» – im Gegensatz zu klaren Verboten, Gesetzen und Regulierungen – kaum rechtlich oder demokratisch vorgehen. Daher sei es wichtig, diese Verhaltenssteuerung sichtbar und angreifbar zu machen, so dass auch öffentliche Diskussionen darüber stattfinden können.

Das Vertrauen leidet

In der Schweizer Politik wurde über dieses staatliche «Schubsen» hingegen noch nie diskutiert. Obwohl das schon in vielen Politikbereichen präsent ist, gab es nie eine seriöse Debatte darüber, was denn die staats- und demokratiepolitischen Auswirkungen sind, wenn der Staat immer mehr schubst, anstatt klar zu verbieten. Als Unternehmer und Gewerbler sehe ich, dass insbesondere die unternehmerische Freiheit, die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen und das Vertrauen zwischen Kunde und Anbieter durch eine solche Politik massgeblich negativ beeinträchtig wird. Deshalb ist es für mich zwingend nötig, dass wir beginnen, dieses staatliche «Herumschubsen» transparent zu machen und es auch kritisch hinterfragen. In einem Vorstoss habe ich den Bundesrat aufgefordert, in einem Bericht darzulegen, wo und in welcher Form der Bund auf die Taktik des «Schubsens» zurückgreift, welches die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen sind und welche Ressourcen (finanziell und personell) dafür eingesetzt werden.

Vielleicht sollten wir auch den Spiess umdrehen und den Staat veranlassen, dass er mit Warnhin­weisen darauf aufmerksam machen muss: «Sie werden staatlich geschubst und beeinflusst» – und damit bevormundet!

Thomas Burgherr, Nationalrat SVP/AG, Unternehmer

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