Publiziert am: 07.10.2022

Die umweltfreundlichen Transporter

E-Mobilität – Ob mit wasserstoff- oder batterieelektrischem Antrieb: Das Angebot an leichten Nutzfahrzeugen ohne Verbrennungsmotor wächst stetig. Sie sind primär für die letzte Meile ideal geeignet – aber nicht nur.

Elektrisch angetriebene Transporter gibt es schon länger – doch sie waren bisher dünn gesät und bezüglich Reichweite ziemlich schwach auf der Brust. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Idee eines Nutzfahrzeugs mit E-Antrieb weit zurückreicht: Die britische Firma Electricars etwa baute bereits zwischen 1930 und 1950 Lastwagen mit Batterieantrieb. Sogar schon 1920 hatte der ebenfalls britische Hersteller Electromobile einen Elektro-Lkw mit Radnabenmotoren im Angebot.

Auch die Schweizer Firma EFAG respektive später NEFAG erkannte schon früh den Nutzen des Elektroantriebs im Güterverkehr, auch wenn das vor allem durch die Benzinknappheit während der Weltkriege begründet war. Und auch noch heute bekannte Marken waren früh in diesem Sektor aktiv: Ab 1972 gab es etwa den VW T2 Elektrotransporter, der mit seiner bescheidenen Leistung von 16 kW/22 PS in erster Linie als Kommunalfahrzeug eingesetzt wurde. Visionär: Seine Bleibatterie konnte nicht nur geladen, sondern auch einfach ausgetauscht werden.

Praktikable Reichweiten

In der Neuzeit gibt es seit Jahren mehrere Elektrotransporter auf dem Markt, etwa der e-Sprinter von Mercedes-Benz, der e-Crafter von VW oder, eine Nummer kleiner, der Vivaro-e von Opel. Nach und nach kommen nun weitere neue Modelle zu den Händlern, die praktikable Reichweiten bei ausreichend Laderaum und Nutzlast bieten, um nicht nur als Kommunal- oder Werksfahrzeuge, sondern auch für den Warentransport auf längeren Strecken eingesetzt werden zu können.

«die Idee eines Nutzfahrzeugs mit E-Antrieb reicht weit zurück.»

Für Schlagzeilen sorgte unlängst der Logistikgigant Amazon, der in den USA eine riesige Flotte von Elektrotransportern aufbauen will und dazu mit einem Milliarden-investment ein geeignetes Fahrzeug von E-Pickup-Hersteller Rivian entwickeln liess. 100000 solche E-Lieferwagen will Amazon bis 2030 im Einsatz haben – die ersten rollen bereits durch ausgesuchte Städte in Amerika.

Die Etablierten reagieren

An der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation in Hannover wurden im September zahlreiche neue Lieferwagen mit Elektroantrieb präsentiert. Ford zeigte den neuen E-Transit Custom, der mit einer 74 kWh grossen Batterie, einer WLTP-Reichweite von 380 Kilometern und einer Ladeleistung von 125 kW bestens geeignet ist für allerlei Lieferungen auf der sogenannten letzten Meile.

Zwei Varianten mit 100 kW / 136 PS oder 160 kW / 218 PS stehen zur Wahl. Der E-Transit Custom wird als Kastenwagen mit Einzel- oder Doppelkabine sowie als Kombivariante angeboten, dazu sind zwei Radstände und zwei Dachhöhen erhältlich. Als Kastenwagen bietet der Stromer ein Ladevolumen zwischen 5,8 und 9 Kubikmetern, die maximale Laderaumlänge beträgt 3,45 Meter. Trotz schwerer Batterie können immerhin bis 1,1 Tonnen geladen und bis 2 Tonnen an den Haken genommen werden.

Spannende Wasserstoff-Marke

Auch Renault hat in Hannover einen neuen Transporter mit Batterieantrieb in der Klasse bis 3 Tonnen vorgestellt. Der Trafic E-Tech Electric ist in zwei Längen und zwei Höhen erhältlich, das Stauvolumen beträgt je nach Ausführung 5,8 bis 8,9 Kubikmeter, die maximale Ladelänge beträgt 4,15 Meter. Zudem ist der Trafic auch als Plattformfahrgestell erhältlich.

Angetrieben wird der Lieferwagen von einem 90-kW-Elektromotor, der von einer 52-kWh-Batterie gespiesen wird. Damit schafft der Renault eine WLTP-Reichweite von 240 Kilometern und kann 1,1 Tonnen laden sowie maximal 750 Kilogramm ziehen. Spannend ist Renaults neue Wasserstoff-Marke Hyvia, die an der IAA den grossen Transporter Master in mehreren Aufbauformen mit Brennstoffzellenantrieb präsentierte.

VW bringt mit dem ID Buzz eine Stromerversion des kultigen «VW-Büsslis», und zwar auch als Lieferwagenvariante namens Cargo. Der ID Buzz baut auf der Elektro-Pkw-Plattform MEB auf und bietet daher einen entsprechend grossen Akku: Mit einer nutzbaren Kapazität von 77 kWh schafft der E-Bulli als Lieferwagen eine maximale Reichweite von 425 Kilometern.

«die Chinesen sind in diesem Sektor schon lange präsent.»

Für richtig schwere Transporte ist der ID Buzz Cargo allerdings nicht geeignet: Im 3900 Liter grossen, bis 2,23 Meter langen Laderaum dürfen maximal 648 Kilogramm geladen werden, die Anhängelast beträgt 1 Tonne. Doch gerade mit seinem sympathisch-futuristischen Aussehen hat der VW die Fachjournaille überzeugt: Er wurde kürzlich mit dem renommierten Titel «International Van of the Year 2023» ausgezeichnet.

Chinesen und andere Exoten

Während in Europa also die etablierten Hersteller nach und nach elek-trische Nutzfahrzeuge auf den Markt bringen, sind die Chinesen in diesem Sektor schon lange präsent. Die kleinen Transporter der Marke DFSK sind seit Jahren auf unseren Strassen unterwegs, etwa als Kommunalfahrzeuge.

Voll auf Elektro setzt auch die Marke Maxus, die ebenfalls seit einigen Jahren in der Schweiz vertreten ist. Mit dem Van eDeliver 3, dem grossen Transporter eDeliver 9 sowie dem EV80, der als Kastenwagen und als Chassis-Kabine erhältlich ist, bieten die Chinesen bereits ein breites Portfolio an. Neu hinzu kommt ein rein elektrisch angetriebener Pick-up namens T90 EV, der im ersten Halbjahr 2023 zu den Händlern rollen soll. Der 5,37 Meter lange Pritschenwagen wird von einem 150 kW/204 PS starken E-Motor angetrieben und soll dank eines 89-kWh-Akkus eine WLTP-Reichweite von 330 Kilometern schaffen. Der mit einer Doppelkabine ausgestattete Pick-up hat eine reine Nutzlast (ohne Fahrer) von 925 Kilogramm.

Sogar als Camper erhältlich

Wie bei den Elektro-Autos sind auch bei den E-Lieferwagen neue Marken auf dem Markt aufgetaucht – Start-ups, die frische Denkansätze liefern. Für Schlagzeilen sorgte etwa der nur knapp vier Meter lange Xbus des deutschen Unternehmens Electricbrands, der in der Schweiz von der Belwag in Bern importiert wird.

Der Xbus ist als Pick-up, Kastenwagen, Kombi oder sogar als Camper erhältlich und bietet mit einer nur 15 kWh grossen Batterie eine Reichweite von circa 200 Kilometern (optional sind bis zu 45 kWh und 600 Kilometer Reichweite möglich). Der Clou: Ein fünf Quadratmeter grosses Solardach soll unter idealen Bedingungen bis zu 10 Kilowattstunden Strom liefern, was gemäss Hersteller für bis zu 200 Kilometer zusätzlicher Reichweite pro Tag reichen soll.

Dave Schneider

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