Publiziert am: 26.10.2017

«Diese Abzockerei akzeptieren wir nicht»

NO-BILLAG – Die Schweizerische Gewerbekammer, das Parlament des sgv, hat mit klarer Mehrheit die Ja-Parole zur No-Billag Initiative gefasst.

Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer muss bereits als Person die Medien­steuern bezahlen. Alle Mitarbeitenden müssen ebenfalls bereits Mediensteuer bezahlen. Auch die Firmen sollen, obwohl ein Unternehmen weder Radio hören noch TV schauen kann, völlig ungerechtfertigt zusätzlich mit einer Steuer von jährlich bis zu 35›530 Franken nochmals doppelt belastet werden. «Diese Abzockerei akzeptiert das Gewerbe nicht», kommentiert sgv-Präsident Jean-François Rime den Beschluss der Gewerbekammer. «Im Parlament eingebrachte Vorstösse zur Verbesserung der Situation wurden von Medienministerin Doris Leuthard allesamt abgelehnt. Die Unternehmen sollen doppelt besteuert werden, ohne dass die Diskussion geführt wurde, was überhaupt der Auftrag der SRG im Service Public ist. «So kann man nicht Politik machen. Da wehren wir uns», so Rime.

 

Diskussion jetzt endlich führen

Nach einer engagierten Debatte entschied sich die Schweizerische Gewerbekammer in St. Gallen, die «No-Billag»-Initiative zu unterstützen. Dies nicht mit dem Ziel, die SRG – wie von ihren Unterstützern behauptet – zu Grabe zu tragen, sondern in erster Linie, weil im Fall eines Ja zur Initiative endlich die längst überfällige Diskussion über die Leistungen des staatlich geförderten Medienriesen in Gang kommen soll. Und weil die KMU nicht zahlen sollen, was sie nie bestellt haben.

Argumente der Gegner

Die Gegner der Initiative befürchteten, dass ein Ja zu «No Billag» das Ende der SRG bedeuten könnte. René Rohner, Präsident des Gewerbeverbands Appenzell Ausserrhoden und Vorstandsmitglied der SRG Ostschweiz, begründete sein Nein mit der Solidarität unter den Regionen und dem Zusammenhalt des Landes. Aus der Romandie sagte Blaise Matthey, Direktor von FER Genève, kurz und knapp: «Es geht darum, ob wir für oder gegen die SRG sind.» Olivier Mark, Präsident von JardinSuisse, stiess sich «an der Doppelbesteuerung der KMU ebenso wie an der Arroganz der SRG», sagte aber: «Eine völlige Abschaffung der SRG wäre unver­hältnismässig.»

Was soll der Staat tun?

sgv-Präsident und Nationalrat Jean-François Rime (SVP/FR) brachte die Kernfrage auf den Punkt: «Was soll und muss der Staat tun, was kann der Markt alleine leisten?» Unter «Service public» seien, so Rime, «staatliche Leistungen zu verstehen, die unbedingt erfüllt werden müssen und die nicht von Privaten angeboten werden». Heute herrsche in der Schweiz eine bisher nie gekannte Medienvielfalt; der stetige Ausbau der SRG widerspreche vor diesem Hintergrund jeder ökonomischen Vernunft. «Bundesrat und Verwaltung halten alles, was die SRG heute tut, für ‹Service public›», mahnte der sgv-Präsident. Gerade weil die SRG bisher finanziell verhätschelt werde, sei sie «nicht bereit, sich auch nur um einen Millimeter zu bewegen». Dies zeige auch der derzeitige Umfang ihrer PR-Aktivitäten in eigener Sache.

Frage der Glaubwürdigkeit

Auch für Nationalrat Peter Schilliger (FDP/LU) bietet nur ein Ja zu «No Billag» die Chance, dass die Diskussion über die Leistungen der SRG endlich geführt wird. «Unser Gegner ist nicht die SRG», stellte der Luzerner Unternehmer klar. «Aber die Leistungen der staatlichen Sender müssen nun endlich breit diskutiert werden.» Bisher sei die Politik «aussen vor geblieben, wenn der Bundesrat und die Verwaltung mit der SRG diskutiert haben – das muss sich jetzt ändern.» Nationalrätin Sylvia Flückiger (SVP/AG) erinnerte daran, dass sich der sgv in seiner Strategie seit zehn Jahren für die Bekämpfung neuer und ungerechtfertigter Steuern, Gebühren und Abgaben engagiere. «Wie könnten wir es also hinnehmen», fragte Flückiger rhetorisch, «dass die KMU weiterhin jedes Jahr mit 300 Millionen zur Kasse gebeten werden für Leistungen, die sie weder bestellt haben noch konsumieren?» Die Argumente, die 2015 im Kampf gegen das RTV-Gesetz vorgebracht worden seien, gälten selbstverständlich auch 2017 noch immer: «KMU hören weder Radio noch sehen sie TV.» Dies würden die Menschen tun – die aber als Private bereits zur Kasse gebeten werden. «Deshalb ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass sich das Gewerbe heute für ‹No Billag› engagiert.»

«SRG wird nicht verschwinden»

Marcel Schweizer, Präsident des Baselstädtischen Gewerbeverbands, plädierte für einen rationalen statt einen emotionalen Entscheid. «Folgen wir unseren selber gesetzten Prinzipien und wehren uns gegen diese Zwangsabgaben», forderte Schweizer und erinnerte an die strategischen Ziele des sgv, die anlässlich des Gewerbekongresses verabschiedet worden seien. Auch der Baselbieter Dieter Spiess setzte sich für ein Ja zu «No Billag» ein. «Wieso hat es die SRG nötig, drei (!) Personen an einen Dorfmärit zu schicken, um PR in eigener Sache zu machen?», fragte der ehemalige Präsident der Schweizer Schuhhändler. Spiess zeigte sich überzeugt: «Bei einem JA wird die SRG nicht einfach verschwinden. Doch sie wird auf eine realistische Grösse schrumpfen müssen. Und das ist längst schon fällig.»

Schicksalsfrage? Nicht schon wieder!

Robert E. Gubler erinnerte im Namen des kantonalzürcherischen Gewerbeverbands daran, dass es beim Entscheid über «No Billag» keineswegs um eine Schicksalsfrage für das Land und seine Regionen gehe, wie dies von Seiten der SRG und auch von Bundesrätin Doris Leuthard immer wieder behauptet werde. «Dasselbe hiess es auch bei der AHV-Scheinreform; und einen Tag nach dem Nein ging die Diskussion über eine neue Vorlage los.» Nur ein Ja zu «No Billag» bringe die Diskussion über Inhalt und Umfang des medialen «Service public» endlich in Gang. Komme es hingegen zu einem Nein, dann setze sofort die Diskussion über Subventionen auch für die Printmedien ein. «Eine noch stärkere finanzielle Abhängigkeit unserer Medien vom Staat müssen wir verhindern, fasste sgv-Präsident Rime die Argumente für ein Ja zusammen. «Ansonsten steigt auch die inhaltliche Abhängigkeit der Schweizer Medien vom Staat weiter an.» En/sgv

 

WEITERE BESCHLÜSSE DER GEWERBEKAMMER

Dreimal Nein

Die Gewerbekammer fasst daneben zu vier weiteren Vorlagen die Parolen. Unterstützt wird die Neue Finanzordnung. Ausschlaggebendes Argument war, dem Bundesrat keine unbefristete Kompetenz zur Erhebung von direkter Bundessteuer und Mehrwertsteuer zu geben. Die Steuern sollen weiterhin befristet erhoben und durch die Zustimmung des Souveräns regelmässig bestätigt werden. Nein sagt die Gewerbekammer zur RASA-Initiative, die in staats- und demokratiepolitisch fragwürdiger Weise einen demokratischen Volksentscheid rückgängig machen will. Bei der Vollgeld-Initiative droht eine Politisierung der Nationalbank und eine Verknappung der Geldversorgung für die KMU, was in der Gewerbekammer chancenlos blieb. Auch die Fair-Food-Initiativelehnt die Gewerbekammer ab. Die wesentlichen Punkte dieser Initiative sind heute bereits garantiert. Die Initiative schränkt darüber hinaus die Grundsätze des freien Handels ein. Bürokratischer Aufwand und Markt­abschottung würden die Preise in die Höhe treiben und den Wirtschafts­standort Schweiz und seinen Arbeitsmarkt schädigen. Keine Parole wegen fehlender KMU-Relevanz beschliesst die Gewerbekammer zur Hornkuh-Initiative.

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