Publiziert am: 08.09.2017

«Diskussion versachlichen»

ANDREAS BURGENER – Der Direktor von auto-schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-­Importeure, zu den Folgen des «Dieselskandals» und der Zukunft der Elektromobilität.

Schweizerische Gewerbezeitung: Die deutschen Autobauer stehen derzeit als Trickser am Pranger. Wie schätzen Sie den Imageverlust für Ihre Branche ein?

n Andreas Burgener: Nicht alle Vorwürfe, die in den vergangenen Wochen und Monaten öffentlich geäussert wurden, treffen zu. Aber einen Imageverlust bei einigen Marken durch die nachgewiesenen Verfehlungen kann man nicht wegdiskutieren, ganz klar. Leider werden dabei viel zu viele Sachverhalte und Hersteller in einen Topf geworfen.

Weshalb kommt das Thema «Diesel» eigentlich bloss in Deutschland gross aufs Tapet, während es in Frankreich oder Japan keine Aufregung gibt?

nDas liegt offenkundig daran, dass in Deutschland die geltenden Gesetze zur Luftreinhaltung in einigen Städten massiv verletzt werden. In Frankreich ist das nur vereinzelt der Fall, in Japan spielt der Diesel keine grosse Rolle. Hier in der Schweiz haben wir ebenfalls nicht ansatzweise die Probleme, welche Stuttgart, Hamburg oder München haben.

«INSGESAMT STELLT DIE AUTOMOBILBRANCHE IN DER SCHWEIZ ÜBER 200 000 ARBEITSPLÄTZE ZUR VERFÜGUNG.»

Welchen Wertverlust müssen Schweizer Besitzer von Dieseln nach dem «Dieselskandal» 
gewärtigen?

nDer grösste Online-Marktplatz für Fahrzeuge, Autoscout24, hat gerade in einer aktuellen Analyse seiner eigenen Daten festgestellt, dass die Preise für Diesel-Fahrzeuge recht stabil sind. Insofern ist nicht mit einem grossen Sonderabschreiber zu rechnen. Genau kann man das aber nicht beziffern, das hängt auch vom jeweiligen Modell und der Ausstattung ab.

Welche Unterstützungen bieten die Autoimporteure ihren Kunden beim Umstieg von alten Diesel-Autos auf moderne Fahrzeuge?

nWie den diversen Mitteilungen unserer Mitglieder aus den vergangenen Wochen zu entnehmen war, bieten zahlreiche Marken eine Eintausch- oder Umwelt-Prämie für den Umstieg auf ein modernes Auto an. Meist betrifft dies Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 oder älter. Die Angebote sind sehr unterschiedlich, manche betreffen sogar leichte Nutzfahrzeuge. Das kann sich richtig lohnen.

Würden Sie derzeit einen Diesel kaufen?

nSelbstverständlich, aber er muss zum jeweiligen Anforderungsprofil passen. Für Viel- und Langstreckenfahrer ist der Diesel nach wie vor die beste Wahl. Wenn Sie aber als Pendler nur eine kurze bis mittlere Strecke fahren, ist wahrscheinlich ein Benziner oder Hybrid interessanter. Für Stadt-Fahrer oder Pendler auf einer bestimmten Strecke mit fester Lademöglichkeit kommt dann das Elek­troauto ins Spiel.

Drohen in der Schweiz Diesel-Fahrverbote?

nDa möchte ich Bundespräsidentin und Verkehrsministerin Doris Leuthard zitieren, die Fahrverbote zu Recht als «unschweizerisch» bezeichnet hat. Zudem haben wir in unseren Städten deutlich tiefere Immissionswerte und noch dazu den strengeren Stickoxid-Grenzwert als die EU. Deshalb wird es auf absehbare Zeit in der Schweiz keine Fahrverbote geben.

Wohin bewegt sich die Mobilität in Zukunft; Stichwort: e-Mobilität?

nDas ist sicherlich ein Megatrend der motorisierten Individualmobilität, aber es braucht eine sachliche Diskussion. Nicht für jeden Anwendungsbereich ist das Elektroauto die bessere und sogar ökologisch sinnvollere Wahl. Der Strom, mit dem es geladen wird, spielt eine grosse Rolle. Aber hier sind wir in der Schweiz mit einer niedrigen CO2-Emission aus der Stromproduktion sehr gut aufgestellt.

Ist die Schweiz dafür bezüglich Infrastruktur gerüstet; Stichwort: e-Tankstellen?

nAuch das wird laufend besser. Gerade hat der Bundesrat seine Unterstützung von Ladeinfrastruktur auf Rastplätzen, die mit dem Ja zum Nationalstrassenfonds neu dem Bundesamt für Strassen ASTRA unterstehen, kommuniziert. Auch wenn die Ladegeräte am Ende zwingend von privaten Anbietern betrieben werden sollten, wie ich finde, ist der Ausbau des Netzes in diese Richtung eine wichtige Hilfestellung. Das Laden im privaten Bereich und am Arbeitsplatz wird aber zunächst eine wichtigere Rolle spielen.

Woher soll eigentlich der Strom für all die Elektroautos künftig herkommen, wenn in der Schweiz dereinst keine Kernkraftwerke mehr in Betrieb sein werden?

nDas ist in der Tat eine der Herausforderungen der Zukunft. Es ist wichtig, dass vor allem zu Spitzenzeiten genug Strom zur Verfügung steht und das Netz nicht zusammenbricht. Zudem muss die Energie möglichst erneuerbar und CO2-frei sein. Mit intelligenten Netzlösungen könnte man hier aber noch einiges herausholen, so dass nicht alle E-Autos gleichzeitig laden.

«AUCH BEI DER ­E-MOBILITÄT BRAUCHT ES EINE SACHLICHE ­DISKUSSION.»

Welche Bedeutung hat die Automobilbranche für die Schweizer Wirtschaft?

nDas hat man gerade beim Swissmem-Symposium zum Thema Elektromobilität Ende August in Zürich wieder gesehen. Man darf nicht vergessen, dass es hier nicht nur um Importeure und Markenhändler geht, sondern vor allem auch um die Zulieferbranche, welche Hersteller in aller Welt mit hochinnovativen Produkten und Dienstleistungen beliefern. Insgesamt stellt die Automobilbranche in der Schweiz über 200 000 Arbeitsplätze zur Verfügung.

Anfang 2018 wird der neue Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF) eingeführt. Ab wann erwarten Sie eine spürbare Abnahme der jährlichen Staustunden?

nDas wird dauern, aber die ersten grossen Massnahmen sind in Angriff genommen worden. Die grösste Baustelle ist derzeit sicherlich der Zürcher Nordring, wo die Fahrbahn auf sechs Spuren erweitert wird. Leider kann man die rund zehn Jahre während der Ära von Bundesrat Moritz Leuenberger, in denen im UVEK Denkverbot für Strassenausbauten herrschte, nicht mehr aufholen. Aber jetzt geben ASTRA-Direktor Jürg 
Röthlisberger und sein Team Gas. Das spüren wir auf vielen Ebenen.

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Andreas Burgener (58) ist seit über 13 Jahren Direktor von 
auto-schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure.

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