Publiziert am: 03.09.2021

Die Meinung

Dreist. Sehr dreist!

Markige Worte: Die KMU-Kredite zur Liquiditäts­über­brückung sind der Beitrag der Banken zur Stärkung der KMU in Krisenzeiten. So kommunizierten es Banken­vertreter anlässlich der Lancierung der KMU-Krisenkredite. Das war im Jahr 2020. Kaum ein Jahr später sieht die Sache ganz anders aus. Klammheimlich fordern die Banken das Geld zurück. Zahlreiche Firmen bekamen kürzlich einen Brief ihrer Bank mit der Aufforderung zur Kreditrückzahlung in Raten ab 2022.

Rechtlich können die Banken so handeln, denn die Verordnung zum Gesetz über die Covid-19-Liquiditätskredite räumt ihnen diese Möglichkeit ein. Die Regel sagt, dass die Banken Rückzahlungen in Raten ab 2022 vorsehen können. Viele KMU-Verbände wollten gerade diesen Passus streichen. Doch die Bundes­verwaltung ist den Finanzhäusern entgegengekommen. Jetzt kommt es: Der Grund für dieses Entgegenkommen war, die Banken hätten «glaubhaft gemacht», sie würden nur im Ausnahmefall Gebrauch von dieser Regel machen. Kaum ist die Regel eingeführt, schon setzen sie die Banken zu ihren Gunsten ein.

Dreister geht es kaum. Zuerst wird gross Solidarität angekündigt. Medial wird das eigene Image aufpoliert. Es werden Versprechen an die Politik, die Verwaltung und die Kundschaft gegeben. Doch kaum ist man aus dem Scheinwerferlicht, wird genau das Gegenteil gemacht. So publizierte am 29. Juli 2021 die Schweizerische Bankiervereinigung die neueste Fassung der «Leitlinien zum Umgang mit Covid-19-Krediten». Dort heisst es: «Konkret werden die Kreditnehmenden ihren Covid-19-Kredit ab März 2022 zurückzuführen haben, dabei gelten die entsprechenden bankspezifischen Vorgaben.»

Was machen die einzelnen Banken, wenn sie eine solche Leitlinie erhalten? Sie wenden sie an – und zwar buchstäblich. Also haben zahlreiche KMU, welche den Covid-19-Überbrückungskredit aufgenommen haben, in den letzten Wochen von ihrer «Hausbank» Aufforderungen erhalten, den Kredit ab 2022 in Raten zurückzubezahlen. Im Klartext bedeutet das: Die Banker haben ihr Wort gebrochen.

Dabei sind die wirtschaftlichen Herausforderungen der Covid-Pandemie für die kleinen und mittleren Unternehmen alles andere als vorbei. Die nicht evidenzbasierten Massnahmen des Bundesrates können jederzeit zu weiteren Umsatzeinbrüchen führen. Die Planungssicherheit ist damit alles andere als gegeben. Von diesen Unternehmen zu verlangen, mitten in der rechtsunsicheren Zeit Überbrückungskredite zurückzubezahlen, ist alles andere als eine Stärkung der KMU – wie einst von den Bankern mit Pathos beteuert.

Umso dreister ist die Aktion der Bankiervereinigung, als die Kredite durch Bürgschaften des Bundes gesichert werden. Dadurch entstehen den Banken praktisch keine Risiken. Andererseits sind viele Banken mit impliziten und ex­pliziten Staatsgarantien ausgestattet. Die von ihnen ausgehenden Risiken musste die Schweizer Öffentlichkeit bereits tragen. Überspitzt gesagt: KMU mussten also Banken retten – und zwar à fonds perdu.

Der Tatbeweis der Solidarität wurde somit auf der einen Seite erbracht; es wäre vielleicht an der Zeit, dass sich die Finanzhäuser auch einmal solidarisch mit dem Standort Schweiz zeigen. Schliesslich sind sie von diesem Standort abhängig.

Der sgv verlangt daher, dass die Bankierver­einigung ihr Wort hält und die Leitlinien umgehend korrigiert.

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