Publiziert am: 22.03.2019

Druck auf VBS nimmt zu

RS UND LEHRE – Mit 26 zu 9 Stimmen hat sich der Ständerat klar für die Motion Ettlin ausgesprochen. Das «Stöckli» verlangt, dass das VBS den RS-Beginn auf das Ende der Berufslehren ausrichtet – und damit eine Lösung findet, wie es sie für die Studierenden bereits gibt.

Seit die Schweizerische Gewerbezeitung das Thema «RS-Beginn und Lehrabschluss» im vergangenen ­Dezember medial lanciert hat, ist zwischen Verbänden und dem VBS Feuer im Dach (vgl. sgz vom 14. Dezember und 8. Februar). Auf Seiten der KMU-Vertreter wird nicht goutiert, dass es das VBS – namentlich Daniel Baumgartner, Chef Ausbildung der Armee – nicht für nötig befindet, der Wirtschaft in dieser wichtigen Frage entgegenzukommen, während es offenbar kein Problem ist, den RS-Beginn auf den Studienanfang an den Unis abzustimmen.

Der Widerstand wird breiter

Dieses demonstrative Wegschauen im VBS führt bisher einzig dazu, dass der Druck weiter steigt. Der Appenzeller SVP-Nationalrat und Unternehmer David Zuberbühler verlangt ebenso eine Korrektur des unverständlichen Vorgehens im VBS wie der Obwaldner CVP-Ständerat Erich Ettlin.

Letzterer konnte bereits einen wichtigen Erfolg verbuchen: Mit 26 zu 9 Stimmen bei 5 Enthaltungen votierte das «Stöckli» für die Annahme der Motion Ettlin – und damit gegen die zuständige Bundesrätin Viola Amherd. Die VBS-Chefin sprach sich dafür aus, «auf unbürokratischem, unkompliziertem Weg Lösungen zu finden», empfahl die Motion aber zur Ablehnung.

Dem Bundesrat sei «der Spagat zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der Arbeitsleistung und den Interessen des Staats an der Leistung der Militärdienstpflicht bekannt», so Amherd. «Eine komplette Abkehr vom System von Winter- und Sommer-RS mit der Verschiebung des Beginns beider Schulen um acht bis zehn Wochen würde von der Prämisse abweichen, dass der Beginn der RS optimal auf den Studienbeginn zwecks einer möglichst kurzen Studiendauer abgestimmt wird.» Motionär Ettlin erinnerte die Kleine Kammer daran, dass der Einsatz der beinahe fertig ausgebildeten Berufsleute für die Unternehmen betriebswirtschaftlich ebenso wichtig sei wie für die jungen Berufsleute. «Ihre Arbeitskraft dann einzusetzen, wenn sie am produktivsten sind, ist ausdrücklich Teil der Berufslehre und dient beiden Parteien.» Auch für die Berufsleute habe die Absolvierung des Lehrvertrags als erster wichtiger Vertrag im Leben eine hohe Bedeutung.

«Angesichts des von der Armeeführung selbst beklagten Mangels an Berufsleuten ist es vernünftig, die RS gerade für diese Personen attraktiv zu machen», so Ettlin weiter. «Die Armee macht geltend, dass ihr Fachkräfte fehlen; das sind die Köche, die Fahrer usw., also Berufsleute. Gleichzeitig macht sie es gerade ihnen schwer, die Berufsbildung und den Eintritt in die ­Armee zu vereinbaren. Die Berufsbildung hat für die jungen Leute zum Glück absoluten Vorrang. Deshalb werden sie, wenn sie entscheiden müssen, sich für den Beruf und gegen die Armee entscheiden, was schade ist.»

Branchen machen Druck

Nicht nur die Politik, auch die Branchenverbände machen sich daran, den unhaltbaren Zuständen für die Betriebe und ihre Lernenden ein ­Ende zu bereiten. In einem Brief an VBS-Chefin Amherd fordert der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM das VBS auf, «die Vorverlegung des Startes der Rekrutenschule erneut zu überprüfen und anzupassen». VSSM-Zentralpräsident Thomas Iten und Direktor Mario Fellner erinnern die zuständige Bundesrätin daran, dass der Start der Sommer-RS 2018 infolge der Weiterentwicklung der Armee 2018 auf Ende Juni vorverlegt worden ist. Diese Vorverlegung berücksichtige ausschliesslich die Interessen der Hochschulbildung, damit der Semesteranfang an den Hochschulen im Herbst problemlos verlaufe. «Leider lässt diese Vorverlegung der Rekrutenschule die Anforderungen der Lehrbetriebe wie auch die der Lernenden ausser Acht.»

80 Prozent der Offiziere stammen aus der Berufsbildung

Die Politik weise immer wieder auf die Wichtigkeit des dualen Bildungssystems in unserem Land hin, so der VSSM weiter. Die Lehrlingsausbildung sei ein zentraler Bestandteil dieses Systems. Mit Aktionen wie der Vorverlegung der Rekrutenschule stelle sich aber «das VBS klar auf die Seite der Hochschulbildung». Die Hochschulen könnten in der Terminierung von Studienfächern «definitiv flexibler agieren als Lernende im 4. Lehrjahr, welche nach der Lehrabschlussprüfung im Mai anschliessend in den Betrieben noch bis Lehr­ende ganzwöchig wichtige Berufserfahrungen machen können.» Und schliesslich weist der VSSM auf die Tatsache hin, «dass rund 80 Prozent des Offiziersnachwuchses aus den Kreisen der Berufsbildung rekrutiert» werden.

Daniel Zybach, Bereichsleiter Berufsbildung und Mitglied der Geschäftsleitung VSSM, weist zudem auf das Berufsbildungsgesetz (BBG) hin. «In Artikel 17, Absatz 1 ist klar geregelt, dass die Lehrzeit zwei (EBA) bis vier Jahre (EFZ) umfasst. Eine Verkürzung der Lehre durch den vorgezogenen Beginn der Rekrutenschule stellt somit den Artikel 17 des BBG grundsätzlich in Frage.»

Der Nationalrat soll nachziehen

Nach dem Ja im Ständerat wird sich nun der Nationalrat mit der Causa «RS-Beginn und Lehre» auseinandersetzen. Im Wahljahr darf gehofft werden, dass sich die bürgerliche Ratsmehrheit für die Anliegen der Unternehmen und der jungen Berufsleute einsetzt und für gleich lange Spiesse mit den Hochschulen ­sorgen wird. Immerhin ist die Gleichwertigkeit der Berufs- mit der akademischen Bildung schon seit 2006 in der Verfassung verankert.

Gerhard Enggist

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