Publiziert am: 04.09.2020

Echt starker Stoff

BETHGE AG – Zuerst die Überschwemmung, dann die Corona-Krise: Doch das Zofinger Unternehmen behauptet sich dennoch in der schwierigen Textilbranche. Mit viel Frauenpower in der Geschäftsleitung, einem starken Team, grosser Flexibilität, hoher Qualität und der europaweit modernsten Infrastruktur hat sich das KMU gut positioniert und steuert auf den 200. Geburtstag zu.

Wer einen Rundgang durch die Bethge AG in Zofingen macht, ist überrascht und beeindruckt einerseits von der für die Textilbranche aussergewöhnlichen Sauberkeit der Hallen und andererseits von dem grossen Hightech-Maschinenpark. «Wir verfügen über den modernsten Maschinenpark Europas zur Veredelung von Stoffen», so CEO Brigitta Mettler. Dies bedingt, dass der Textilveredler im Vergleich zu Mitbewerbern äusserst schnell und flexibel ist – Eigenschaften, die unabdingbar sind, um sowohl im harten Preiskampf wie auch in der aktuellen Corona-Situation wettbewerbsfähig zu bleiben. Zudem ermöglicht die exzellente Infrastruktur nicht nur eine hohe Qualität, sondern auch eine einzigartige Präzision. «Wir können als einzige in der Branche auf allen unseren Maschinen Stoffe in der Rohrbreite von 50 bis 340 cm veredeln», so Mettler. «Die verheerende Überschwemmung vor drei Jahren hat rund 90 Prozent des Maschinenparks der Bethge AG zerstört. Dies wäre eigentlich der Todesstoss für ein Unternehmen in einer serbelnden Branche», so Mettler. Doch die Besitzerfamilie gab nicht auf. Man wollte die Arbeitsplätze erhalten und so flossen über 20 Millionen Franken in den Wiederaufbau des Unternehmens.

«Wir haben unsereExporte von 5 auf rund 20 Prozent erhöht»

Heute präsentiert sich die Textilfirma, die 1834 gegründet wurde und somit auf eine bald 200-jährige Geschichte zurückschauen kann, moderner, innovativer und wettbewerbsfähiger denn je. Dies ist unter anderem Geschäftsführerin Brigitta Mettler zu verdanken, die seit einem Jahr die Geschicke der Zofinger Textilfirma im Wiggertal führt und viel frischen Wind ins Team gebracht hat. Die gelernte Damenschneiderin hat eine beeindruckende Karriere hinter sich. Als selbstständige Expertin für Produktionsoptimierung hat sie Firmen in unterschiedlichen Branchen wie Maschinenbau oder Etikettendruck beraten.

Vom Rohmaterial zur Textiliemit spezifischen Eigenschaften

Die Ansprüche an Textilien sind vielfältig: ob eleganter Glanz, spezielle Webstrukturen oder hitzebeständige Eigenschaften bei höchstem Tragkomfort. Der umfangreiche Maschinenpark der Bethge AG ermöglicht in einem breiten Anwendungsbereich die wunschgenaue Veredelung von Geweben aus unterschiedlichen Rohmaterialien: «Wir machen hier alle Prozesse, welche die Stoffe schöner und funktioneller machen – vom Waschen, Färben, Bleichen, über das Merzerisieren, Imprägnieren bis hin zum Beschichten etc. Glänzende Stoffe, weiche, harte, matte, wasserabweisende, nicht brennbare – einfach alles.» Als einzige Firma in der Schweiz verarbeitet die Bethge AG bis 320 cm breite Gewebe zu Molton und Kuscheldecken, die beidseitig geraut sind. Eine wichtige Nische ist auch die Viroblock-Technologie, mit welcher aufgrund der aktuellen ­Situation zahlreiche neue Aufträge generiert werden können (siehe Kasten).

Die Qualität des Textilveredlers überzeugt über die Grenzen hinaus. Zum Erfolgsrezept gehört dabei für die neue Geschäftsführerin der Export. Sie hat in den letzten zwölf Monaten zahlreiche neue Kunden im Ausland, vorwiegend in Deutschland, Österreich und Italien, gewinnen können. «Wir haben unsere ­Exporte von 5 auf rund 20 Prozent erhöht», freut sich Mettler. Der Schweizer Markt ist klein, weshalb sie auch auf Kunden im Ausland angewiesen sei. «Oft ist es eine Frage des Preises. Doch Swissness zählt stark im Textilmarkt und man ist oft gerne bereit, für sehr gute Qualität, Flexibilität und Termintreue einen angemessenen Preis zu zahlen.» Hauptaufgabe von Mettler ist es, mit ihrer 30-köpfigen Crew das Unternehmen neu zu positionieren und trotz hartem Preiskampf und schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich auf Kurs zu bleiben. 2020 fing blendend an. «Wir konnten neue Kunden gewinnen. Die Auftrags­eingänge waren über dem Budget.»

Ausgeprägter Teamgeist

Und dann kam Corona. Die Pandemie hat auch in der Bethge AG den Betrieb auf den Kopf gestellt. Es mangelte an Aufträgen, denn die von Bethge veredelten Stoffe werden oft für Restaurants, Hotels, Altersheime, Spitäler und Schulen gefertigt. Diese Branchen standen allerdings still. Gerade während der Krise kommen dem KMU seine Stärken wie Schnelligkeit, Innovation und, ganz wichtig, eine ausgezeichnete Teamfähigkeit sowie eine klare Kommunikation zugute. «In der Textilbranche, die schon seit Jahren massiv unter Druck steht, ist es besonders jetzt essenziell, dass wir anpassungsfähig sind und schnell agieren können», betont Mettler. So wurde während des Lockdown ein dringender Auftrag eines Kunden ausgeführt und extra dafür die Maschinen in Betrieb genommen. «Dies bedingt aber auch zuverlässige und motivierte Mitarbeitende, die sich mit dem Unternehmen identifizieren», stellt Mettler fest. Dazu hat sie das Motto «gemeinsam geht immer» eingeführt, das fest in der Firmenphilosophie verankert ist und tagtäglich im Betrieb gelebt wird. «Dies gilt sowohl für die Mitarbeitenden wie auch für unsere Kunden und Zulieferer. Wir haben alle dasselbe Ziel vor Augen – nämlich die besten Lösungen und Produkte zu generieren.» Ebenso wichtig ist Mettler die gute Zusammenarbeit mit ihren Mitbewerbern. «Unsere Branche ist klein, jeder hat seine Stärken und Spezialitäten, und deshalb sollten wir miteinander unser Potenzial voll ausnutzen.»

Know-how und Wissenstransfer

Ohne erfahrene und gut ausgebildeten Mitarbeitende ist es nicht möglich, die hohen Qualitätsansprüche zu erfüllen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies bedingt aber eine regelmässige Weiterbildung der Fachkräfte, sowohl intern wie auch extern. «Nur wenn wir auf dem neusten Stand sind und durch Schulungen neues Wissen generieren, können wir innovative Ideen entwickeln und umsetzen. Auch die Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten anlässlich der Entwicklung von neuen Produkten ist sehr wichtig und eine Win-win-Situation für alle Beteiligten», weiss Mettler. Ein grosses Anliegen ist der Chefin die Ausbildung des Nachwuchses. So hat die Bethge AG zurzeit Ausbildungsplätze für zwei angehende Textiltechnologen EFZ und ab 2021 wird ein KV-Lehrling eingestellt. «Unser heterogener Schweizer Markt ist auf bestens ausgebildete Fachkräfte angewiesen.» Dabei verweist die erfahrene Unternehmerin auf die gefährliche Begrenzungsinitiative, worüber das Stimmvolk am 27. September abstimmen wird. «Der freie Personenverkehr ist für uns überlebenswichtig. Wir beschäftigen Grenz­gänger – und ohne geht es nicht.»

Anders als bei den Mitbewerbern sitzen bei Bethge drei Frauen am Ruder. Neben Mettler sind das Betriebsleiterin Kathrin Bohnenblust und Finanzchefin Ivana Martic. «Es ist absoluter Zufall, dass es so gekommen ist. Aber jetzt sind wir die erste Textilfirma mit einer reinen weiblichen Geschäftsleitung», und die Geschäftsführerin, die es bis anhin gewohnt war, meist als einzige Frau in sonst reinen Männergremien zu sein, ergänzt: « Das ist eine gute Konstellation so.» Für die Zukunft sieht Mettler noch grosses Potenzial und ist zuversichtlich, dass das Unternehmen nach dem Hochwasser jetzt auch die Pandemie überstehen wird. «Wir schauen nach vorne und geben Vollgas – ganz nach unserem Firmenmotto ‹Miteinander sind wir unschlagbar›.»

Corinne Remund

www.bethge.ch

VIEL INNOVATIONSGEIST auch während Corona

Antivirale Stoffe für Schutzmasken

Auch während der Corona-Krise ist viel Innovationsgeist beim Aargauer Textilveredler spürbar. Dies zeigt der Beitrag der Bethge AG zur schnellen Umsetzung der Veredelung von Gewebe mit antiviralem und antibakteriellem Effekt. «Die weba Weberei Appenzeller AG hat Anfang Mai zusammen mit der HeiQ Materials AG aus Schlieren (ZH) ein Gewebe mit antibakterieller und antiviraler Wirkung vorgestellt», so Brigitta Mettler. «Wir sind stolz, dass wir hier in Zofingen unseren Beitrag zu dieser Neuentwicklung leisten, indem wir die gewobenen Stoffe mit der neuen Viroblock-Technologie ausrüsten.» Das Spezialgewebe mit antibakteriellem und antiviralem Effekt ist gerade im Bereich der Stoffe für Community-Masken äusserst interessant. «Dank der neuen Technologie von HeiQ ist das Gewebe im Vergleich zu herkömmlichen Stoffen 30 Mal sicherer vor einer Infektion», so Mettler. CR

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