Publiziert am: 17.05.2019

Eigentum in Gefahr

Man kann es nicht genug betonen: Die Überlegenheit un­serer Marktwirtschaft und unser Wohlstand beruhen im Wesentlichen auf zwei Säulen: auf der möglichst weit gehenden Arbeitsteilung und auf dem privaten Eigentum. Ich kannte einen linken Geschichtslehrer, der die Früh­sozialisten des beginnenden 19. Jahrhunderts verehrte. Er träumte von einer Welt, in der jeder Mensch sein Stücklein Land zugewiesen bekommt, sein Häuschen baut, eine Milchkuh hält, Kartoffeln anpflanzt und vom Fell seiner paar Schafe den Wollfaden selber spinnt und seine Kleidung strickt. Ich hielt dagegen und erwiderte: «Viel besser erginge es uns doch, wenn jemand, der besonders geschickt ist im Häuserbau, diese auch für andere herstellen würde. Der landwirtschaftlich Begabte soll für andere Kühe halten und seine Kartoffeln verkaufen. Und jemand mit einem Faible für Textilien soll Kleider auch für andere machen – am besten mit Maschinen.»

Ich bin überzeugt: Das Rezept des linken Geschichtslehrers würde in die Armut führen. Eine möglichst weit gehende Arbeitsteilung ist die Voraussetzung für jede erfolgreiche Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft.

Die zweite Säule jeder modernen Marktwirtschaft sehe ich allerdings weit eher gefährdet: das private Eigentum. Je länger der real existierende Sozialismus abgewirtschaftet hat, desto hartnäckiger wirken seine Grundsätze nach. Viele Junge und nicht mehr ganz Junge vertreten offen neomarxistische Theorien – inklusive Abschaffung des Eigentums. Sie träumen von Kollektivbesitz, Verstaatlichung oder zumindest Vergenossenschaftlichung. Für zehn Minuten stand die Abschaffung des Privateigentums auf Antrag der Jungsozialisten sogar im offiziellen Partei­programm der SP Schweiz. Solange nämlich, bis einige erschrockene Politiker diesen verheerenden Entscheid durch Wiederholung der Abstimmung rückgängig machen konnten.

Doch damit ist die Gefahr nicht gebannt. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran hat unlängst in der «Weltwoche» dafür plädiert, dass in Berlin Immobilienfirmen enteignet werden. Sie schimpft über das «anonyme globale Kapital» und freut sich mit den Berlinern: «Jetzt holt ihr euch eure Häuser aus den Klauen der modernen Landvögte zurück.» Man nennt dies eigentlich Häuserbesetzung. Und Berlin ist nicht weit weg von Bern, Basel, Bubikon und Baar.

SP-Nationalrat Cédric Wermuth sagt es laut: «Wir brauchen eine Revolution.» Revolutionen aber haben noch nie etwas Konstruktives aufgebaut. Sondern bloss zerstört und Eigentum vernichtet. An den Klimademonstrationen in Schweizer Städten werden Farbbeutel gegen Bankfassaden geworfen. An 1.-Mai-Krawallen sind regelmässig Gewerbebetriebe und Ladengeschäfte Opfer gewaltsamer Zerstörung. Sollen die Eigentümer selber schauen, wie sie ihre Schäden beheben und bezahlen.

Wir vergessen immer mehr, dass die Garantie des privaten Eigentums zugleich die Freiheit garantiert. Und wohlverstanden nicht nur für jene Mitmenschen, die Eigentum besitzen, sondern genauso für jene, die (noch) keines haben. Denn nur in einem Staat, der das Eigentum schützt, erhalten sie die Möglichkeit, selber Eigentum zu erwerben. Weil das Eigentum breit verteilt ist, sind wir niemandem ausgeliefert, der allein über uns entscheiden kann – so wie es im Sozialismus der allmächtige Staat wäre. Befände sich das Eigentum in der Hand eines Einzelnen, wären wir vollständig seinem Willen ausgeliefert – einem Diktator mit absoluter Herrschaft über uns.

Der grosse liberale Denker Friedrich August von Hayek hat es so gesagt: «Wer würde nicht einsehen, dass ein Multimillionär, der mein Nachbar und vielleicht mein Arbeitgeber ist, weit weniger Macht über mich hat als der kleinste Funktionär, der die Zwangsgewalt des Staates ausübt.»

Die erpresserische Devise «Geld her!» trifft regelmässig jene, die Eigentum besitzen und etwas erspart haben. Im Kanton Zürich haben die Gemeinden die Möglichkeit, planungs- und baurechtlich drastisch in den freien Wohnungsmarkt einzugreifen und Sozialwohnungen durchzusetzen. Werden wir noch erleben, dass die Linken uns vorschreiben, wie viele Quadratmeter eine Einzelperson maximal bewohnen darf? Oder dass sich ein Zwei-Per­sonen-Haushalt und ein Einfamilienhaus gegenseitig ausschliessen? Aber sicher! Es sei denn, wir Bürgerlichen geben endlich energisch Gegensteuer.

*Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefre­daktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

Meist Gelesen