Publiziert am: 13.08.2021

«Ein dringlicher Weckruf»

REGULIERUNG – Sie kostet viel Geld und Nerven. Immerhin zeigt das Beispiel der nationalen Berufs­piloten­lizenz, dass es sich lohnt, sich gegen überbordende Regulierung zu wehren. Dafür brauchen die meisten KMU aber eine Lobby – und einen langen Atem.

Ob zu Land, zu Luft oder zu Wasser: Nirgends mehr ist man sicher vor Überregulierung. In der Luft ­besonders betroffen sind die Helikopterunternehmen der Schweiz. Deren Verband, die Swiss Helicopter Association SHA, titelte Ende 2020 in einem Pressecommuniqué: «Die Überregulierung ist die Pan­demie der Luftfahrt.» Sie sei für die Betriebe «kaum mehr zu bewältigen».

Berufsverbot ab 60

Die allermeisten Regulatorien stammen von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA (European Union Aviation Safety Agency). Diese wird aber nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus dem europäischen Ausland immer wieder für ihre Regulierungen kritisiert.

Ein Beispiel: die EASA-Vorschrift, die es Berufspiloten über 60 Jahren verbietet, kommerzielle Transportflüge durchzuführen. «Diese Vorschrift ist unsinnig», liess sich SHA-Präsident und Die Mitte-Nationalrat Martin Candinas Ende 2020 in einem Communiqué zitieren. «Selbst eine Studie der EASA hat ergeben, dass Piloten über 60 medizinisch kein Risiko darstellen. Dennoch werden sie durch diese Regelung aus dem Berufsleben gedrängt. Sie verlieren ihr Einkommen und die Helikopterbetriebe einige ihrer erfahrensten Mitarbeitenden.»

«Sogar die EU-Behörde selbst anerkennt, dass diese unsinnige, veraltete Vorschrift gestrichen gehört.»

Die Betroffenen haben sich gegen das de facto-Berufsverbot gewehrt – mit Erfolg! Sowohl der National- als auch der Ständerat haben im Juni 2021 gleichlautende Motionen zur Schaffung einer nationalen Berufspilotenlizenz an den Bundesrat überwiesen. Diese ermöglicht es ­Berufspiloten, ihren Beruf bis zum Alter von 65 Jahren auszuüben. Seit 2016/2017 ignorierten der Bundesrat und das zuständige Bundesamt für Zivilluftfahrt zwei Entscheide des Parlaments, die eine Streichung der veralteten EASA-Regel verlangten. Kein Wunder also, hatte der Bundesrat auch die beiden nun angenommenen Motionen zur Ablehnung empfohlen.

SHA fordert sofortige Einführung

«Der nunmehr zweite Entscheid beider Kammern ist ein dringlicher Weckruf an das Uvek und das ­Bundesamt für Zivilluftfahrt», kommentierte Martin Candinas den Entscheid. Die betroffenen Piloten und Helikopterunternehmen seien nun darauf angewiesen, dass die nationale Berufspilotenlizenz möglichst schnell eingeführt werde. Die SHA setzte sich mit anderen Verbänden seit Jahren für eine Lösung ein, weshalb die zuständigen Stellen ­genügend Zeit gehabt hätten, um sich vorzubereiten. Candinas weiter: «Die SHA erwartet, dass die Auflage der Lizenz noch 2021 erfolgt. Es geht nicht an, dass der Bund die Harmonie mit der EU vor den klar geäusserten Willen des Parlaments setzt, zumal sogar die EU-Behörde selbst anerkennt, dass diese unsinnige, veraltete Vorschrift gestrichen gehört.»

Es ist ein weiteres Paradebei-spiel dafür, wie schwer sich die Behörden tun, wenn es darum geht, ­unnötige Gesetze, Richtli-nien oder Gebühren abzuschaffen – in der Schweiz genauso wie in der EU.

Je früher nun die nationale Lizenz herausgegeben wird, desto weniger erfahrene Piloten über 60 Jahre verlieren die Schweizer Helikopterunternehmen – und damit viel zu früh. Diese werden nämlich bis dahin weiter aus ihrem Beruf und in die Arbeitslosigkeit gedrängt.

Adrian Uhlmann

REGULIERUNGSKOSTEN

Dauerthema seit 2010

Mit der Resolution von Lugano im Jahr 2010 setzte der Schweizerische Gewerbeverband sgv das Thema Regulierungskosten auf die politische Agenda. Seither sind im Parlament über 50 Vorstösse dazu eingereicht worden. Regulierungskosten kosten uns jährlich gegen 70 Milliarden Franken und hemmen das Wachstum der Wirtschaft. Davon liessen sich über 10 Milliarden einsparen.

Mit dem Unternehmensentlastungsgesetz und der Regulierungskostenbremse kommt nun endlich Schwung in die Sache.Vgl. Interview auf Seite 2

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