Publiziert am: 18.03.2022

Eine andere Welt – auch für Unternehmer!

Der Angriff auf die Ukraine ist entsetzlich, und wir fühlen mit. Selbstverständlich müssen wir den an Leib und Leben bedrohten Flüchtlingen beistehen. Der Konflikt dominiert die Medien, die Meldungen schrecken auf. Auch der Bundesrat wurde mitgerissen und wollte nicht untätig bleiben. «Eine unvergleichliche Entwicklung», argumentierte er, erfordere ein «ausserordentliches Vorgehen». Laut Sicherheitsexperten der ETH bahnte sich der Krieg aber bereits Jahrzehnte vorher an. In den letzten acht Jahren gab es immer wieder Konflikte zwischen den beiden Ländern, Vladimir Putin drohte mehrmals öffentlich mit einem Angriff. Trotzdem traf es die EU-Länder und die Schweiz völlig unvorbereitet.

Jahrzehntelang wurde uns vorgegaukelt, dass ein Krieg in Europa nicht mehr möglich sei und es keine Feinde mehr gäbe. Andersdenkende wurden regelrecht verhöhnt. Auch in der Wirtschaft erachtete man die Armee eher als mühsam. Das Militärbudget und die Wehrpflichtigen wurden reduziert. Die Realität hat die Wunschträume der links-grünen Wohlstandsgeneration und der Gutmenschen brutal eingeholt. Die existenzielle Bedeutung einer ausgerüsteten Armee wird uns bewusst. Auch die Selbstversorgung mit Lebensmitteln und Energie bekommt plötzlich einen anderen Stellenwert. Die Ukraine als Weizenkammer, Russland als grösster Düngemittelhersteller – sind unsere Grundnahrungsmittel noch gesichert? Europa und die Schweiz hängen an Putins Gashahn. Die Kohletransporte von Russland sind bereits blockiert. Die Gas- und Strompreise haben sich verzehnfacht und bringen Europas Wirtschaft ins Taumeln.

Einen Vorgeschmack auf höhere Preise erhalten wir an den Zapfsäulen. Das europäische, aber auch das schweizerische Wirtschaftssystem würde ohne Gas aus Russland zusammenbrechen. Inzwischen haben das die Europäer realisiert, auch die links-grüne Regierung in Deutschland. Und während wir in der Schweiz krampfhaft um die Energieversorgung und ein intaktes integriertes Stromnetz kämpfen, fordert man auf der Strasse «keine Gaslieferungen mehr aus Russland» … Die Transportbranche meldet fehlende ukrainische LKW-Fahrer, in Deutschland werde es zahlreiche Konkurse geben und in der Schweiz brauche man Treibstoffvergünstigungen. Der Konflikt und die Sanktionen haben einschneidende Auswirkungen auf die Wirtschaft: Lieferprobleme, Inflation, Konkurse. Es trifft die Wirtschaft mit voller Wucht.

Auch der militärische Konflikt könnte sich geografisch noch ausweiten. Die bewaffnete Neutralität hat uns bisher verschont. Nach der ungeschickten Übernahme der EU-Sanktionen wird die Schweiz von Russland aber als «feindliches» Land eingeordnet. Dabei könnten wir als neutrales Land den wichtigsten Beitrag gegen den Krieg leisten: die Friedensvermittlung. Frieden gibt es nicht durch Verurteilung, in die Enge treiben oder indem man Konflikte aufschaukelt. Frieden gibt es nur, wenn beide Parteien in der neuen Situation eine Verbesserung erkennen. Dafür braucht es ein offenes Ohr ohne Urteil und einen kühlen Kopf.

Der Bundesrat und das Parlament gehen einen anderen Weg. Mit dem jetzt beschlossenen UNO-Sicherheitsmandat wird die Schweiz die Politik von 28 Ländern, darunter die Atommächte USA, Frankreich und UK, bei Militär- und Wirtschaftssanktionen dort vertreten müssen. Eine eigenständige Neutralitätspolitik, aber auch eine Vermittlerrolle wird nicht mehr möglich sein. Wir Unternehmer sollten aber trotz allem nicht verzweifeln, es gibt immer wieder Auswege. Wir sollten uns nicht lähmen lassen und nötige Sofortmassnahmen umsetzen: Mitarbeiter schützen, Sanktionen einhalten, nicht zwischen die Fronten geraten, Finanzielles sichern. Ansonsten lassen wir den Rauch etwas verziehen, bis wir wieder eine klare Sicht haben. Langfristig einschneidende Entscheide sollten wir nicht überstürzen. Die Zeit heilt viele Wunden und eröffnet auch neue Chancen. Behalten wir die Nerven und bleiben wir dran: ohne Naivität, aber immer mit Zuversicht!

*Die Bündner SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher ist Vizepräsidentin und Delegierte des Verwaltungsrats der EMS-CHEMIE HOLDING AG.

www.martullo-blocher.ch

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