Publiziert am: 23.11.2018

Eine unendliche Geschichte

STROMMARKT – Der Strommarkt Schweiz ist zweigeteilt: Grosse können frei wählen, von wem sie ihren Strom beziehen. Kleinere Konsumenten aber müssen nach wie vor Monopol-preise zahlen. Nun unternimmt der Bundesrat einen neuen Anlauf zu einer echten Reform.

Nicht gerade alle Jahre – aber immer wieder macht die Mär von der Liberalisierung des Strommarkts die Runde. Genauso regelmässig aber scheitert sie an der Lobby der Stromwirtschaft. Dennoch nimmt der Bundesrat nun einen erneuten Anlauf.

Vorneweg: Das Stromversorgungsgesetz sieht einen freien Strommarkt vor. Jeder Konsument, jede Konsumentin in der Schweiz soll selbst bestimmen können, von wem sie Strom kauft. Das steht im Artikel 7 des Gesetzes. Das Problem: Das Gesetz ist schon seit langem in Kraft; der Artikel 7 ist es noch nicht.

Zweigeteilter Markt

Das ist die Frucht eines politischen Manövers. Als das Gesetz im Jahr 2007 beraten wurde, gab es eine Referendumsdrohung gegen den freien Strommarkt. Das Parlament entschied also, einen freien Strommarkt vorzusehen, ihn aber nur für eine kleine Gruppe von (Gross-)Unternehmen zugänglich zu machen. Die meisten Stromkonsumentinnen wurden auf eine ferne Zukunft vertröstet. Das Kalkül ging auf, denn ein Referendum wurde nicht ergriffen. Damit entstand aber der zweige­teilte Strommarkt, der auch heute noch Bestand hat: Seit 2009 können die Grossverbraucher (ab 100 000 Kilowattstunden pro Jahr) ihren Lieferanten selber auswählen. Alle anderen sind noch immer gebundene Kunden. Das hat aber mehr Konsequenzen, als «bloss» in einem Monopol gefangen zu sein. Gebundene Kunden bezahlen praktisch alle Strommarktsubventionen; Grossverbraucher nicht.

Öffnung – wann?

Mindestens drei Mal hatte der Bundesrat schon die vollständige Liberalisierung vorgeschlagen. Der Zürcher FDP-Nationalrat und sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler machte dazu sogar einen Vorstoss, der von der Energiekommission des Nationalrats übernommen wurde. Nun tritt der Bundesrat also zum vierten Mal mit der Liberalisierung an.

Bis zum Januar 2019 ist nun die Inkraftsetzung des Artikels 7 im Stromversorgungsgesetz in der Vernehmlassung. Einerseits sollen alle Kunden – ob gross, ob klein, ob Einzelhaushalt – die Möglichkeit erhalten, den Stromlieferanten zu wählen. Kunden können auch freiwillig im Monopol – in der Grundversorgung – verbleiben. Der Bundesrat schlägt vor, dass diese Kunden künftig standardmässig ausschliesslich Strom aus der Schweiz erhalten sollen.

Was bringt die Öffnung?

Aus technischer Sicht bringt die Öffnung eine Annäherung an die EU. Sie ist nämlich eine Vorbedingung für ein Stromabkommen mit der Union. Doch den Kundinnen und Kunden bringt sie noch viel mehr: die Verhandlungsmöglichkeit über Preise, aber auch einen besseren Service, neue Produkte und zusätzliche Dienstleistungen.

«die referendums­drohung aus dem jahr 2007 wirkt bis heute nach.»

Die Liberalisierung macht zwar den Strom zum handelbaren Gut auf allen Ebenen. Aber die Nutzleistung bleibt natürlich ein Monopol. Schliesslich ist es wenig sinnvoll, parallele Stromnetze zu bauen. Für dieses Monopol wird es weiterhin einen Regulator brauchen. Zwar arbeitet der Bundesrat auch an einer Reform der Netze, doch sie soll später folgen. Die Exekutive will die Liberalisierungsvorlage nicht überfrachten. Ein Vorgehen, das angesichts der langen Geschichte der Strommarktliberalisierung verständlich ist.

Henrique Schneider. Stv. Direktor sgv

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