Publiziert am: 23.01.2015

Tribüne

Eine verantwortungslose Energiewende

Ist die von der erweiterten linksgrünen Koalition und opportunistischen Subventionsjägern veranlasste Energiewende «der wirtschaftspolitische Jahrhundertfehler»? Diese brisante Frage stellt die umfangreiche und unabhängige multidisziplinäre Studie «Energiestrategie 2050: Eine institutionelle und ökonomische Analyse» unter der Leitung der Ökonomen Silvio Borner (Universität Basel) und Bernd Schips (ETHZ) mit Beteiligung des Liberalen Instituts (abrufbar auf www.libinst.ch). Angesichts des Zeithorizonts des energiepolitischen Vorhabens bis 2050 ist die Jahrhundertbezeichnung nicht übertrieben. Ist die Energiewende allerdings ein Fehler?

Die Autoren analysieren die technische, ökonomische und institutionelle Machbarkeit der Energiewende und kommen zum Schluss, dass die Energiestrategie 2050 auf lückenhaften oder wissenschaftlich nicht fundierten Entscheidungsgrundlagen basiert. Ihre negativen Folgen – stark steigende Energiepreise und externe Kosten, sinkende Stabilität des Stromsystems, erodierende internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes – werden sich erst nach und nach zeigen, wenn der Systemumbau bereits weit fortgeschritten und aufgrund neuer Abhängigkeiten und irreversibler Investitionen nur noch zu horrenden Kosten zu korrigieren ist.

Punktuelle Korrekturen an den Vorschlägen des Bundesrats würden daher lediglich darauf hinauslaufen, mit gros­sem Aufwand Probleme anzugehen, die ohne den grundsätzlichen Fehlentscheid der Energiewende gar nicht entstehen würden. Die Studie zeigt auf, dass der Einsatz von Photovoltaik, Windkraft und Geothermie Investitionen in Anlagen sowie systembedingte Zusatzinvestitionen in Netzausbauten, Netz­erweiterungen und Speicher von deutlich über 100 Milliarden Franken erfordern würde. Diese durchaus vorsichtige Schätzung berücksichtigt, dass Solar- und Windstrom eine etwa zehn- beziehungsweise sechsmal höhere installierte Kapazität als Kernkraftwerke erfordern, um dieselbe jährliche Stromproduktion zu erbringen. Die Mehrbelastung der Verbraucher mit höheren Preisen und Abgaben lässt sich daran ermessen, dass Kernkraftwerke der jüngsten Generation zu einem Drittel dieser Investitionskosten möglich wären.

Zudem werden Sonne und Wind unter den klimatischen Bedingungen in der Schweiz auch langfristig nie marktfähig werden. Je mehr sie ausgebaut werden, desto geringer wird ihre Eigenwirtschaftlichkeit im ganzen Energiesystem. Statt einer schrittweise auslaufenden Anschubfinanzierung würde eine permanente Erhöhung des Subventionsbedarfs resultieren mit gravierenden Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit weiterer Energiequellen wie der Wasserkraft. In der Energiestrategie 2050 werden auch die externen Kosten vernachlässigt. Es geht um Beeinträchtigungen im Bereich des Naturschutzes oder um Lärm- und Schadstoffbelastungen durch Bau, Betrieb, Rückbau und Entsorgung von Anlagen. Solche Beeinträchtigungen könnten die Akzeptanz des geplanten Zubaus bei Betroffenen unterminieren und die Umsetzung der gesamten Strategie in Frage stellen. Dies ist keine Nebensache. Die Photovoltaikanlagen würden Dach- und Bodenflächen von bis zu 20 000 Fussballfeldern belegen. Die Windenergie würde sich in einer Reihe auf 600 Kilometer ausdehnen. Die Kapazität der Pumpspeicherwerke müsste ungefähr verdoppelt werden. Doch all das wird im Paradigmenwechsel der Energiewende – weg von der bedarfsgerechten Befriedigung der Nachfrage, hin zur zwangsweisen Anpassung des Verbrauchs an ein beschränktes, hoch ineffizientes Angebot – gar nicht betrachtet.

Dass die Energiestrategie des Bundesrates ein katastrophaler, rein emotionaler und ideologischer Fehlentscheid ist, steht ausser Zweifel. Ob der aktuelle parlamentarische Prozess den notwendigen Stopp und eine längere Reflexionsphase mit objektiven Analysen vor allem ökonomischer Konsequenzen und Optionen einleiten wird, bleibt vorerst fraglich. Die Konsequenzen der heutigen politischen Verantwortungslosigkeit müssten allenfalls künftige Generationen tragen, was auch ethische Fragen aufwirft und mindestens ein Referendum verlangen würde.

*Pierre Bessard ist Direktor des Liberalen Instituts in Zürich.

Die Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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