Publiziert am: 20.10.2017

Eine verpasste Chance mehr

VERRECHNUNGSSTEUER — Die Neufassung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (VStG) hätte Gelegenheit geboten, die Auswüchse bei der Behandlung dieser Steuer zu korrigieren. Eine umfassende Reform kann die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Die Neufassung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (VStG) sieht Änderungen vor, die letztendlich die Wiederherstellung der bisherigen Praxis einer grosszügigeren Behandlung der Verrechnungssteuer gestatten sollten. Bei einem Steuerpflichtigen, der keine mit Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte und kein Vermögen deklariert hat, aus dem entsprechende Einkünfte stammen, sollte der Anspruch auf Rückerstattung nicht mehr verwirken, wenn nachdeklariert wird oder die Steuerbehörde die Leistung aufrechnet. Es gibt jedoch zwei Vorbedingungen: Die Einsprachefrist hinsichtlich der Veranlagung darf noch nicht abgelaufen sein und die Nichtdeklaration muss fahrlässig erfolgt sein.

Von der Sicherungssteuer 
zur Repressionssteuer

Bei ihrer Einführung war die Verrechnungssteuer im Wesentlichen als Instrument zur Sicherung der Einkommens- und Vermögenssteuern auf Bundes-, Kantons- und kommunaler Ebene gedacht. Es handelte sich also um eine Steuer mit Sicherungsfunktion. Bis zum Jahr 2014 konnten die Steuerpflichtigen die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auch dann beanspruchen, wenn sie ihre Einkünfte nach einer Intervention der Steuerbehörde nachdeklariert haben.

«NACHLÄSSIGKEIT 
DARF NICHT BESTRAFT WERDEN.»

Dies galt auch, wenn die Steuerbehörde von sich aus nicht deklarierte Einkünfte berücksichtigt hat. Im Lauf der Jahre und seit 2014 hat das Bundesgericht in mehreren Urteilen zur Präzisierung der Bedingungen einer Rückerstattung der Verrechnungssteuer nach und nach das Verständnis dieser Steuer geändert und sie von einer Sicherungssteuer in eine Repressionssteuer verwandelt. Darüber hinaus hat ein entsprechendes Kreisschreiben vom März 2014 diese Praxis weiter festgeschrieben. Dies hat zu immer heftigerer Kritik bei den Steuerverwaltungen und zu zahlreichen parlamentarischen Vorstössen geführt, die die Wiedereinführung der alten Praxis forderten.

Motion Schneeberger

Erst kürzlich hat Nationalrätin Daniela Schneeberger (FDP/BL) eine Motion mit dem Titel «Keine Ver-
wirkung bei der Verrechnungssteuer» eingereicht, in der sie den Bundes-
rat auffordert, das VStG «so anzu-passen, dass in der Schweiz an-
sässige, natürliche Personen die Verrechnungssteuer-Rückerstattung wegen versehentlichem oder fahrläs-
sigem Nicht- oder Falschdeklarieren nicht verwirken, solange gewähr-
leistet ist, dass die mit der Verrechnungssteuer belasteten Vermögenserträge besteuert werden». Die vorliegende Motion zielt darauf ab, 
das Recht auf Rückerstattung der 
Verrechnungssteuer auf Tatbestän-
de auszuweiten, in denen eine falsche oder unvollständige Deklarierung auf Fehler oder Nachlässig-
keit zurückzuführen ist. Sie will 
damit verhindern, dass die Einkommenssteuer und die Verrechnungssteuer, deren Recht auf Rückerstattung verwirkt, die gleiche Leistung betreffen.

Noch viele Mängel

Der Bundesrat erfüllt diese Forderung nur teilweise. Dies ist bedauerlich, da die Neufassung des betreffenden Gesetzesartikels eine Gelegenheit bieten würde, die Auswüchse bei der Behandlung dieser Steuer wirklich zu korrigieren. Somit bleiben mehrere Fragen unbeantwortet, die es verdienen würden, im Rahmen der Neufassung des VStG beantwortet zu werden. Die Schweizer Praxis bleibt im Vergleich zu anderen Ländern wenig konkurrenzfähig, und auch der Steuersatz von 35 Prozent könnte überdacht werden. Das Inkrafttreten der Änderung ist nicht klar festgelegt. Insbesondere aber sollten die neuen Regelungen rückwirkend angewandt werden, um die Auswüchse einer vielfach kritisierten und unangemessenen Rechtsprechung zu korrigieren. Notwendig wäre eine umfassende Reform, die alle Forderungen berücksichtigt, insbesondere jene, die die Schaffung von Voraussetzungen anmahnen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz stärken. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Alexa Krattinger, Ressortleiterin sgv

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