Publiziert am: 03.07.2020

Entwicklungshilfe schadet

Eine Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission und dann auch des Parlaments hat in der Sommersession beschlossen, die Zahlungen ans Ausland unter dem Titel der Entwicklungshilfe massiv zu erhöhen. Ich habe dafür plädiert, diese Erhöhungen zurückzuweisen. Zwei Überlegungen waren für mich ausschlaggebend:

Erstens: Die Schweiz 2019 ist nicht die Schweiz von 2020. Als die vorliegenden Rahmenkredite geplant wurden, ging es unserem Land gut. Die Wirtschaft lief auf Hochtouren, der Export blühte, die Beschäftigungslage war zufriedenstellend. Das Coronavirus und der vom Bundesrat verfügte Lockdown haben nun allerdings das wirtschaftliche Fundament unseres Landes brutal erschüttert. Da sind rekordhohe Milliardenausgaben für die Entwicklungshilfe – bengalisch beleuchtet mit dem hochmoralischen Begriff «Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit» – ganz einfach aus der Zeit gefallen. Ich rufe Ihnen in Erinnerung: Wir haben unsere Volkswirtschaft wegen Covid-19 soeben um Milliarden Franken geschwächt. Wir haben unsere Bundesschulden innert kürzester Zeit verdoppelt. Das Bruttoinlandprodukt wie auch das Bruttoinlandeinkommen brechen derzeit regelrecht ein. Wir hatten im Mai eine Zunahme der Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vorjahresmonat von 54 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 77 Prozent gestiegen. Ab September, wenn die Kurzarbeit endet, werden unzählige Menschen in der Schweiz arbeitslos.

Angesichts dieser Situation ist es schlicht nicht vertretbar, 11,25 Milliarden Franken, darunter, zusätzlich zu den Kohäsionszahlungen, mehr als 1 Milliarde Franken zugunsten des europäischen Ostens, ins Ausland zu verschenken. Von linken Minderheitsanträgen, die noch viel mehr Geld verschieben wollen, ganz zu schweigen.

Zweitens habe ich grundsätzliche Einwände: Ich bin aus voller Überzeugung für Not- und Katastrophenhilfe, auch und gerade zugunsten der ärmsten Länder. Ich stehe felsenfest hinter dem Schweizerischen Roten Kreuz, diesem grossartigen Monument der gelebten Weltverbesserung. Ich bin aber aus tiefer Überzeugung gegen die Entwicklungshilfe. Entwicklungshilfe bedeutet, dass reichere Länder ärmeren Ländern Geld geben in der Hoffnung, die Armen dadurch reicher zu machen. Die Erfahrung lehrt aber seit Jahrzehnten das Gegenteil. Würde Umverteilung Reichtum schaffen, wären heute Süditalien und Afrika die reichsten Gegenden der Welt. Alle Studien zeigen allerdings: Nicht Umverteilung, nicht Entwicklungshilfe, sondern Marktwirtschaft schafft Wohlstand.

Seit 1980 ist die weltweite Armut ausserhalb Afrikas um rund 80 Prozent zurückgegangen. Grund ist nicht die Wohltätigkeit der Industriestaaten, sondern die Ausbreitung der Marktwirtschaft. Interessanterweise sind die Staaten Afrikas, die am meisten Entwicklungshilfe erhalten haben, längst von Ländern wie Vietnam oder Südkorea überholt worden, die wenig oder gar keine Entwicklungshilfe bekamen. Entwicklungshilfe ist Ausdruck eines überholten Denkens. Sie geht von der irrigen Annahme aus, dass man den armen Ländern hilft, wenn man ihnen Geld gibt. Stattdessen schafft Entwicklungshilfe Abhängigkeiten und Korruption. Schon vor Jahren schrieb die hochangesehene afrikanische Entwicklungsökonomin Dambisa Moyo: «Die Idee, dass Entwicklungshilfe systemische Armut beseitigen kann, ist falsch, ein Märchen. Millionen Afrikaner sind heute ärmer wegen Entwicklungshilfe. Elend und Armut sind nicht beseitigt, sondern haben sich verschärft.» Wenn wir Afrika wirklich helfen wollen, sollten wir die Kraft haben, Afrika sich selbst zu überlassen, damit Afrika sich selbst helfen kann.

* Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

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