Publiziert am: 18.11.2022

«Es geht um Tausende Stellen»

FAIR IST ANDERS – Der Berner SVP-Nationalrat Lars Guggisberg, eine der treibenden Kräfte hinter der Kampagne gegen Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsbetriebe, kann nun mit einer Studie belegen, wo und wie der Schuh drückt. Das Problem soll über­parteilich angegangen werden – kan­tonal und national.

Schweizerische Gewerbezeitung: 2017 hat der kantonale Gewerbeverband Berner KMU die Kampagne «Fair ist anders» lanciert. Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren erreicht?

Lars Guggisberg: Unsere Informations- und Sensibilisierungskampagne ist auf sehr grosse Resonanz gestossen! Die Problematik ist insbesondere in den Köpfen der Politikerinnen und Politiker angekommen. Durch die resultierende öffentliche Diskussion konnten wir Druck aufbauen auf die bekannten Staatsbetriebe. Einige überlegen sich nun sicherlich fundierter, ob und wie sie im Markt auftreten. Einige haben sich auch schon von Aufträgen zurückgezogen. Zum Beispiel die bernische Gemeinde Köniz, die das Projekt Stadtgrün Köniz – nicht zuletzt auch dank unserem Engagement – wieder abgeblasen hat.

Welches waren im vergangenen Jahr die krassesten Beispiele von Konkurrenz durch staatsnahe Betriebe?

Am augenfälligsten waren die Einkaufstouren von Post und BKW. Beide Unternehmen profitieren mit ihrer Teilmonopolstellung von Kundendaten, der staatlichen Verankerung, ihrer Grösse und Finanzkraft. Mit ihren aggressiven Strategien greifen sie massiv in den Markt ein und konkurrenzieren KMU, anstatt sich auf ihren Grundauftrag zu konzentrieren. Es gibt aber zig weitere Beispiele auf nationaler, kantonaler und auch kommunaler Ebene.

Sie haben es erwähnt: In erster Linie die Post, aber auch die BKW oder lokale Energieunternehmen wie die Stadtberner EWB, kaufen weiter munter KMU dazu – und konkurrenzieren dadurch andere KMU stark. Weshalb gelingt es nicht, dieser Wilderei der staatsnahen Unternehmen endlich einen Riegel zu schieben?

Der Grundauftrag der Betriebe, die ganz oder teilweise in staatlicher Hand sind, wird zu wenig klar definiert. Zudem braucht es mehr Transparenz und eine bessere Aufsicht.

Nun hat Berner KMU in Zusammenarbeit mit der ZHAW eine Studie zum Thema «Staat als Teilnehmer am Wettbewerb» veröffentlicht. Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Der Kanton Bern hält seine eigene Verfassung nicht ein, nimmt seine Aufsichtspflicht als Eigner nicht wahr und kann deshalb keine transparente Politik gewährleisten. Die Wirtschaftsfreiheit gilt nicht «tel quel» auch für den Staat und die staatsnahen Betriebe – eine blosse Pauschalermächtigung genügt nicht. Mögliche Wettbewerbsverzerrungen würden sich durch eine strikte Trennung der Unternehmensteile verhindern lassen. Zudem ist ein Markteintritt umso weniger angebracht, je weiter sich der Staat von seiner eigentlichen Domäne, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, entfernt.

Welche möglichen Lösungsansätze schlagen die Autoren der Studie vor?

Erstens braucht es gesetzliche Grundlagen für den Eintritt und die Teilnahme der Staatsbetriebe am Markt. Darin sind die Grundversorgung sowie Sinn und Zweck klar zu definieren. Zweitens sollten Transparenzmechanismen zwischen Monopol- und Wettbewerbsteil aufgezeigt werden. Dazu gehören – neben einer strikten organisatorischen Trennung der Unternehmensteile – auch Kennzahlen, indirekte Finanzierungen und das Benennen von Tochterfirmen. Drittens muss eine wirksame Aufsicht implementiert werden, welche die Mehrfachinteressen und problematische Doppelrollen aufdeckt und regelt.

«Es liegt in aller Interesse, dass KMU mit gleich langen Spiessen im Markt agieren können.»

Sie haben die Studie in einer überparteilichen Gruppe aus allen Fraktionen des Kantonsparlaments präsentiert. Was erhoffen Sie sich von dieser breiten Abstützung?

Unser Ziel ist es, das Thema zu «entparteipolitisieren». Schliesslich liegt es im Interesse von uns allen, dass KMU in einem funktionierenden Markt und mit gleich langen Spiessen agieren können. Es geht um das Rückgrat unserer Wirtschaft und um Tausende Arbeitsplätze und Lehrstellen. Ich bin überzeugt, dass gut gesetzte Rahmenbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der Berner Volkswirtschaft stärken.

Probleme mit der Konkurrenz öffentlicher Betriebe gegenüber den Privaten gibt es nicht nur auf nationaler Ebene, sondern eben auch in den Kantonen und Gemeinden. Wie wollen Sie das Problembewusstsein auf allen drei Staatsebenen fördern?

Auf Grundlage der Studie und der damit verbundenen Erkenntnisse nimmt sich im Kanton Bern eine überparteiliche Arbeitsgruppe dem Thema an. Es nehmen sämtliche Fraktionen des Grossen Rates Einsitz, um ein möglichst konstruktives und breit abgestütztes Arbeiten zu ermöglichen. Ausserdem wird ein Mustervorstoss erarbeitet, der auch in anderen Kantonsparlamenten und auf kommunaler Ebene eingegeben werden kann. Im Bundeshaus bleibt die überparteiliche Gruppe «Fair ist anders» aktiv, damit National- und Ständerat die entsprechenden gesetzlichen Anpassungen an die Hand nehmen.

Seit der Herbstsession 2021 soll die genannte Parlamentarische Gruppe «Fair ist anders» für gleich lange Spiesse für KMU sorgen. Was wurde hier bisher erreicht?

Kürzlich wurden in den Räten Vorstösse überwiesen, die den Bundesrat beauftragen, die nötigen Gesetzesänderungen vorzuschlagen, um Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen. Dabei soll er den bürokratischen Aufwand tief halten und die föderalistischen Zuständigkeiten beachten.

Welche Meilensteine stehen auf nationaler Ebene als Nächstes an?

Der Bundesrat dürfte 2023 eine Botschaft zum Thema ins Parlament bringen. Ausserdem werden wir als parlamentarische Gruppe «Fair ist anders» kommenden März für das Bundesparlament eine Infoveranstaltung organisieren, um die Problematik noch bekannter zu machen. Unser Gast sein wird Post-CEO Roberto Cirillo.

Es fällt auf, dass die Kampagne «Fair ist anders» in der Romandie noch nicht sehr stark verankert ist. Wie wollen Sie dies ändern?

Indem wir die Kampagne nun auch in der französischen Schweiz implementieren. Wir sind daran, die Homepage www.fair-ist-anders.ch zweisprachig zu erneuern. Die Seite wird Anfang 2023 zuerst auf Deutsch und dann voraussichtlich ab März auch auf Französisch bereit sein.

Es liegt auch an den KMU selbst, dass sich die «Staatsnahen» nicht weiter ausbreiten. Was können Unternehmen, etwa bei einer Nachfolgeregelung, hier tun?

Es ist wichtig, dass Nachfolgeregelungen frühzeitig geplant werden, um die Kontinuität in der KMU-Landschaft zu erhalten. Wir sind mehr denn je auf unsere starken und krisenresistenten KMU angewiesen – zur Gewährleistung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und als Herz und Motor unserer Volkswirtschaft.

Interview: Gerhard Enggist

www.fair-ist-anders.ch

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