Publiziert am: 23.02.2018

Es geht um weit mehr als nur Tabak

TABAKprodukte – Der Bundesrat hat im Dezember seinen zweiten Vorentwurf veröffentlicht. Er hat den klaren Auftrag des ­Parlaments nur zum Teil umgesetzt und sieht neue Einschränkungen vor.

Bereits heute unterliegen Tabakprodukte sehr weitgehenden und strikten Regelungen, und in der Schweiz ist der Tabakkonsum bereits seit Jahren rückläufig. Zwar weist der neue Entwurf des Tabakproduktegesetzes gegenüber dem ersten Entwurf Verbesserungen auf; dennoch hat der Bundesrat den klaren Auftrag des Parlaments nur zum Teil umgesetzt und neue Einschränkungen vorgesehen.

Keine weiteren Einschränkungen

Der erste Entwurf des Bundesrates war keine angemessene Grundlage für eine detaillierte Beratung im Parlament, weshalb der Schweizerische Gewerbeverband sgv und die Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik AWMP sich für dessen Rückweisung stark gemacht haben. Der Auftrag des Parlaments wurde anlässlich der Rückweisung des Gesetzes im Dezember 2016 klar umschrieben: Mindestalter 18 für den Erwerb von Tabakprodukten; sonst keine weiteren Einschränkungen.

Die rote Linie ist ĂĽberschritten

Bereits eine summarische Durchsicht der Vernehmlassungsunterlagen zeigt, dass der Bundesrat den Willen des Parlaments zu wenig ernst nimmt: Im jüngsten Vorentwurf finden sich neue Werbeverbote, schikanöse Forderungen für die Verpackungen oder auch willkürliche Verbote von legitimen Produkteangaben wie «ohne Zusatzstoffe».

Trotz der Vorgaben des Parlaments haben weitergehende Einschränkungen und Verbote ihren Weg in den zweiten Vorentwurf zum Tabakproduktegesetz gefunden. Es ist nicht an der Regierung oder an der Verwaltung, gegen Vorgaben des Parlaments weitergehend zu legiferieren.

Letztlich geht es nicht nur um Tabak! Die Tendenz, volljährige Konsumentinnen und Konsumenten unter Vormundschaft stellen zu wollen, nimmt weiter zu. Alkoholische Getränke, Fleisch, zucker-, salz- oder fetthaltige Lebensmittel finden sich immer häufiger im Visier der Gesundheitsapostel (vgl. Kasten unten). Dabei sollte längst klar sein, dass es keine Lebens- und Genussmittel gibt, die an und für sich ungesund sind – die Menge macht das Gift.

«Der Bundesrat nimmt den Willen des Parlaments zu wenig ernst.»

Der sgv und die AWMP erwarten, dass der Bundesrat mit einer beratungswürdigen und ausgewogenen Vorlage gemäss den Aufträgen der Legislative an das Parlament gelangt. Auch der heute vorliegende, zweite Entwurf genügt diesen Anforderungen nicht.

Hélène Noirjean, 
Geschäftsführerin AWMP

das ist die AWMP

Die Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventions­politik (AWMP) ist als Reaktion auf die verschiedenen Regulierungsoffensiven des Bundesamtes für 
Gesundheit (BAG) im Präventionsbereich, unter der Federführung des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv, entstanden.

Der Start erfolgte im November 2007 als Ad-hoc-Komitee der Wirtschaft für eine sinnvolle Alkoholpolitik als Antwort auf den ersten Entwurf des interventionistischen Nationalen Programms Alkohol 2008–2012. Als Folge weiterer 
Programme des BAG zum Tabak und zur Gesundheit und Ernährung wurde das Komitee 2008 in AWMP umbenannt.

EX-BAG-FUNKTIONÄR MIT WIRREN StAtemeNTs

Der lange Arm der Gesundheitsapostel

«HIV ist heute ein Geschäft», sagte dieser Tage Roger Staub, der ehemalige Aidsbeauftragte des Bundesamts für Gesundheit BAG («Ohne Dings kein Bums»), in einem Interview mit dem «Blick». Und setzte zu einer Abrechnung mit der Pharmabranche an – bei der auch der Schweizerische Gewerbeverband sgv sein Fett abbekommen sollte.

Von HIV zu Tabak und Zucker…

In einer heftigen Kritik an der seiner Meinung nach ungenügenden Präventionspolitik verstieg sich der ehemalige BAG-Präventionsguru zur 
Behauptung: «500 Neuinfektionen sind nicht viel, aber es gibt Bereiche in unserer Gesellschaft, die freuen sich darüber.» Um dann – locker von HIV zum Thema Tabak wechselnd – rhetorisch zu fragen: «Wieso will die Schweiz Tabakwerbung nicht verbieten?» Weil sich damit Geld verdienen lasse. Und weiter: «Warum ist der Gewerbeverband generell gegen Prävention? Weil man mit vielem, das die Leute eigentlich nicht tun sollten – Alkohol, Rauchen, viel Zucker –, richtig Geld machen kann. Und in einer solchen Welt muss man nicht meinen, dass die Pharmabranche einfach däumchendrehend zuschaut, wie Neuansteckungen verhindert 
werden.»

Völlig deplatzierter Vergleich

Staub ist heute Geschäftsleiter von Pro Mente Sana, die sich für psychisch beeinträchtige Menschen in der Schweiz einsetzt. Um seiner scheinbar etwas beeinträchtigten Wahrnehmung der Präventionspolitik des sgv auf die Sprünge zu helfen, sei hier einmal mehr festgehalten: Es ist nicht am Staat zu definieren, «was die Leute eigentlich nicht tun sollten». Und: Tabak ist in der Schweiz 
legal. Werbung für legale Produkte ist bisher – und richtigerweise – nicht verboten. Ebenso wenig wie es verboten ist, einen Link von HIV auf legale Genussmittel wie Alkohol, Tabak oder Zucker zu machen. Egal wie deplatziert – um nicht zu sagen: wirr – dieser Link auch sein mag. En

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