Publiziert am: 25.10.2019

Exzellenter Export

Funktionäre und Manager der exportierenden Industrie betonen es unermüdlich: Sollte die Schweiz sich weigern, den EU-Anbindungsvertrag zu unterschreiben, sei unsere Exportwirtschaft existenziell gefährdet. Dann drohten – behaupten sie – Wohlstandseinbruch, Arbeitsplatzverluste und Wirtschaftstotenstille.

Auch Bundesräte und Politiker leiern wie eine verstaubte Schallplatte: Wenn wir den fertig ausgehandelten Rahmenvertrag nicht unterschreiben, kann die Schweiz nicht mehr in die EU exportieren. Mittlerweile glauben dieses Märchen sogar einzelne KMU-Vertreter und Gewerbetreibende. Denn man muss eine Unwahrheit nur bis zur Ermüdung wiederholen, damit sie irgendwer am Schluss doch noch glaubt.

Die Legende des angeblichen Exportzusammenbruchs ist noch absurder als die gegenwärtig verbreitete Klimapanik. Diese will in die Gehirne der Bürgerinnen und Bürger einhämmern, man brauche bloss Grüne und Rote zu wählen oder das Velo statt des Autos zu benützen, um die Klimaerwärmung einzudämmen und die Gletscher wieder wachsen zu lassen.

Unser Aussenminister Ignazio Cassis behauptet, ohne den Kolonialvertrag von Brüssels Gnaden sei täglich eine Milliarde (!) Franken Handelsvolumen in Gefahr. Von Ständerat Ruedi Noser höre ich die Erzählung, der Rahmenvertrag sei für den «Marktzugang» zur Europäischen Union unabdingbar. Auch der Maschinenindustrieverband Swissmem verbreitet die Botschaft, Geld- und Güterströme Richtung EU würden ohne Rahmenvertrag wegschmelzen wie Schnee an der Sonne.

In Wirklichkeit sind alle diese Schreckensszenarien reine Propaganda ohne sachliche Grundlage. Weil gute Argumente fehlen, greift man zur Angstmacherei. Wir kennen diese Stimmen aus Politik und Wirtschaftsverbänden seit der Abstimmung über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) von 1992. Die damaligen Prophezeiungen der Befürworter haben sich allesamt im Nichts aufgelöst. Wir sind auch nicht – wie ein Staatssekretär voraussagte – nach fünf Jahren auf den Knien nach Brüssel gerutscht, um die EU um Aufnahme als Vollmitglied anzubetteln.

Tatsächlich entscheidend für unseren Exporterfolg ist die Güte unserer Produkte. Die Abnehmer fragen uns nicht, ob und wie genau wir uns politisch mit der EU verbandelt haben. Sie wollen einzig Schweizer Qualitätsarbeit auf höchstem Niveau. Dafür bezahlt die internationale Kundschaft auch den entsprechenden Preis und nimmt sogar unsere hohen Löhne in Kauf.

Für den Schweizer EU-Export brauchen wir keinen Rahmenvertrag, der die EU als Gesetzgeber in unserem Land installieren würde. Vielmehr ist es das Freihandelsabkommen von 1972, das uns den Marktzugang sichert – auch in jedes mögliche künftige EU-Mitgliedland. Die Schweiz ist einer der grössten und zahlungskräftigen EU-Kunden, und Brüssel hat keinerlei Interesse, dieses zu beidseitigem Nutzen bewährte Vertragswerk zu kündigen. Freihandelsabkommen zwecks gegenseitigem Marktzugang – etwa mit den USA oder mit China – bedeuten noch lange nicht, dass wir die dortige Rechtsordnung übernehmen müssen. Genau so verhält es sich mit der EU.

Die Bilateralen Verträge werden nicht untergehen, wenn wir uns dem Rahmenabkommen nicht unterwerfen. Zu wichtig sind die europäischen Interessen beispielsweise am Landverkehrsabkommen, das die wichtige Nord-Süd-Achse betrifft. Auch das Abkommen über den Abbau technischer Handelshemmnisse betrifft einen minimen Zusatzaufwand und rechtfertigt nicht, dass wir uns institutionell der EU unterordnen. Halten wir fest an der Unabhängigkeit unseres Landes. Wir dürfen nicht gleich lange Spiesse haben; wir brauchen als kleiner, verwundbarer, aber beweglicher Staat auch in Zukunft längere Spiesse. Die wir selber schmieden und feilen!

*Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefre­daktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

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