Publiziert am: 23.10.2020

Finanzplatz in der Klemme

SCHÄDLICHE INITIATIVE – Am 29. November entscheiden Volk und Stände über die Initiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegs­materialproduzenten». Es geht dabei ausdrücklich um die Geldanlagen der Schweizerischen Nationalbank und der Vorsorgewerke. Das Schadenspotenzial ist enorm.

Was ist ein Kriegsmaterialproduzent? Gemäss den Initianten der Kriegsgeschäfte-Initiative ist es eine Firma, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Kriegsmaterialien macht. Was definiert sich denn als Kriegsmaterial? Logisch, Gewehre und Granaten zum Beispiel. Was aber ist mit Telekommunikationsgeräten? Mit Uniformen? Software? Es gibt keine eindeutige Antwort.

Trotzdem verlangt die Volksinitiative, dass der Schweizerischen Nationalbank, Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge (AHV/IV/EO) die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verboten wird.

Problematisches Ansinnen

Das Anliegen der Initiative kann schädlicher nicht sein. Sie will staatlich vorgeben, welche Investitionen erlaubt und welche Anlagemöglichkeiten verboten werden. Gerade für die Altersvorsorge ist das ein grosses Problem, denn heute herrscht Anlagenotstand. Pensionskassen können mit dem heutigen Zins- und Renditeniveau kaum ihre Verpflichtungen erfüllen. Die Initiative grenzt den Handlungsspielraum noch mehr ein.

«Es wird sicher keine günstige Aufgabe sein.»

Doch auch Finanzintermediäre würden in die Pflicht genommen werden. Es wird nämlich ihre Aufgabe sein, zu überwachen, welches Unternehmen als Kriegsmaterialproduzent gilt. Wenn man bedenkt, dass es keine Standards zur Deklaration von Umsatzanteilen gibt – kaum eine Firma macht Angaben dazu –, wird es sicher keine günstige Aufgabe sein.

Noch problematischere Entwicklung

Die Initiative verlangt noch mehr. Der Bundesrat soll sich dafür einsetzen, dass gleiche Regeln auch für Banken und Versicherungen gelten.

Ein Beispiel soll zeigen, dass diese Entwicklung gerade für KMU verheerend ist: Ein kleines Unternehmen im Kanton Aargau – Name und Standort der Redaktion bekannt – exportiert Telekommu­ni­kations­infrastruktur und Software. Etwa die Hälfte der Exportvolumina sind für Russland bestimmt. Die Verwendungszwecke der Exporte sind zivil. Die Geräte und Programme werden für Fernunterricht über Radio verwendet.

Dann kam die Überraschung: Der Schweizerische Nachrichtendienst stuft die Exporte als «dual use» ein. Sie sind also fähig, als Waffenkomponenten eingesetzt zu werden. Basierend auf dieser Einstufung, wird diesem Unternehmen der Export verweigert. Seit Monaten läuft in diesem Fall ein Verfahren des Unternehmens gegen das Exportverbot.

Das Verrückte daran ist nicht, dass es heute schon so ist. Das wirklich Problematische kommt erst noch: Würde die Initiative angenommen werden, dürfte das Unternehmen gar keinen Zugang zu Krediten mehr haben. Die Banken müssten in diesem Fall allfällige Hypotheken und sogar Kreditlimiten kündigen.

Ein Nein als Lösung

Angesichts dieses enormen Schaden­potenzials gibt es nur eine Lösung: Diese Volksinitiative kann nicht ­angenommen werden. Sie schadet dem Finanzplatz Schweiz, sie schadet der Altersvorsorge, sie schadet den KMU.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

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